rail blog 301 / Aktionsbündnis gegen Stuttgart21

Stuttgart21 wird immer mehr zur Belastung bundesweit

Am Tag der DB-Aufsichtsratssitzung (26.6.) auch Sondersitzung des Verkehrsausschusses zu Stuttgart21

Das Aktionsbündnis begrüßt den überraschenden Vorstoß der Unionsfraktion im Bundestag, kurzfristig eine Sondersitzung des Verkehrsausschusses anlässlich der jüngsten Hiobsmeldungen zu Stuttgart21 einzuberufen. Einziger Tagesordnungspunkt: „Aufklärung der erneuten Verzögerung der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 und Klarstellung der Verantwortlichkeiten sowie des Finanzplans“. Ulrich Lange, stellv. Fraktionsvorsitzender, zeigte sich empört, dass die Bahn „der Politik und dem Steuerzahler systematisch ins Gesicht gelogen habe, die Verschiebung der Fertigstellung sei eine Frechheit“, so zitiert vom SWR am 14. Juni.

„Das lässt hoffen“, so Martin Poguntke vom Aktionsbündnis, „dass auf Bundesebene die längst überfällige Diskussion über die finanziellen Belastungen des Projekts für den Bundeshaushalt und die Folgen für die Verkehrswende im ganzen Land eröffnet wird. Der Bundesrechnungshof hat die Bundesregierungen seit Jahren mehrfach erfolglos gemahnt, ihrer Verantwortung für das Gebaren der Bahn gerecht zu werden.“

„Stuttgart21 ist eben weder ein rein Stuttgarter Problem noch allein eins der Bahn“, so Poguntke. Mit der Formel, S21 sei ein „eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen Bahn“, habe man sich seit Baubeginn der Verantwortung für alle Fehlentwicklungen, Kostensteigerungen und Verzögerungen des Projekts entzogen. Nach dem Kostenurteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7. Mai des Jahres werden nun die bisher ungedeckten Kosten von 7,5 Mrd. € und wohl alle weiteren Mehrkosten der Bahn, und damit indirekt dem Bundeshaushalt, angelastet. Ausgeblendet werden auch die Kostenrisiken für die Bundesebene. Nicht zuletzt geht der riesige Schaden in die Kostenrechnung ein, wenn Stuttgart21 wegen seines defizitären Brandschutzes die Inbetriebnahme verweigert wird. In Bezug auf alles das den Behauptungen der Bahn zu vertrauen, ohne einen unabhängigen Faktencheck, ist fahrlässig blauäugig.

Außerdem haben die Projektpartner Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg es geschickt verstanden, Kosten, die klar dem Projekt zuzurechnen sind, über Umwege aus der Bundeskasse finanzieren zu lassen. Zu nennen ist das geplante sog. „Ergänzungsprojekt“ eines 2 mal 12 km langen „Pfaffensteigtunnels“ über den Bundesverkehrswegeplan. Kosten nach belastbaren Berechnungen: 3,5 Mrd. €. Dass die Implementierung der hochkomplexen elektronischen Zugsteuerung ETCS in das aus dem Ruder laufende Stuttgart21 zu einem Modellprojekt erklärt wurde, diente v.a. der Abwälzung von Kosten auf den Bundeshaushalt.

Hilfreich bei solchen Kostenverlagerungen waren schon immer die schwäbischen Seilschaften in Berlin, getreu dem Bonmot des damaligen Ministerpräsident Erwin Teufel, der die Chance zu nutzen wusste, dass „der Verkehrsminister in Berlin, Matthias Wissmann, ein ‚Stuttgarter‘ war, und dass zugleich der Bahn-Chef, Heinz Dürr, ebenfalls ein ‚Stuttgarter‘ war“, so Teufel bei der Projektvorstellung 1994.

Der Verkehrswende hin zur Schiene werden durch das Stuttgarter Milliarden-Fass ohne Boden nicht nur dauerhaft Mittel für wichtige Investitionen entzogen, auch bahntechnisch strahlen die Funktionsmängel bundesweit auf den Bahnverkehr aus: durch die zu geringe Kapazität, die hohe Störanfälligkeit und schwache Resilienz von Stuttgart21 wird sich der derzeitige desolate Zustand des Bahnverkehrs verewigen.

Solange die Fragen der Sondersitzung nicht unabhängig und befriedigend beantwortet sind, dürfen keine weiteren Mittel für den Flaschenhals Stuttgart21 freigegeben werden. Und bis zur vollständigen Klärung aller Fragen rund um S21 muss der Kopfbahnhof – jetzt noch als Notlösung – langfristig erhalten bleiben, saniert werden und auch von Südwesten via Gäubahn direkt erreichbar bleiben – unabhängig vom Ausgang der Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen deren Kappung. Das gilt für die dritte Stufe ETCS genauso wie für des „Ergänzungsprojekt“ Pfaffensteigtunnel, die beide weder einen Integralen Taktfahrplan ermöglichen noch das Kapazitätsproblem lösen. Denn das liegt am Ende immer am Flaschenhals Stuttgart21.

Kontakt:    Martin Poguntke, 0151 403 602 56
Werner Sauerborn, 0171 320 98 01

Über Werner Sauerborn

Dr. rer. soc. *1949, Geschäftsführer des Aktionsbündnis gegen Stuttgart21, dort Vertreter der „Gewerkschafter*innen gegen Stuttgart 21“. Zuvor wiss. Mitarbeiter FU Berlin, Otto-Suhr-Institut, Forschung zur Privatisierung Öffentlicher Dienstleistungen, Gewerkschaftssekretär bei ötv bzw. ver.di im Bereich Politik und Planung

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