Pressemitteilung von Bürgerbahn-Denkfabrik für eine starke Schiene, 12.1.25
2023 hat der Bundestag das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG ) in § 23 zum Wohle einer weiteren positiven und expansiven Bahnentwicklung novelliert. Dort wurde quasi ein Stilllegungs- und Entwidmungsverbot verankert. Das war nach Jahrzehnten grassierender Bahnstreckenstilllegungen auch dringend erforderlich, um einen weiteren Rückzug der Bahn aus der Fläche und ein immer weiteres Beschneiden der wichtigen Bahnflächen rund um die Personen- und Güterbahnhöfe und Bahnbetriebsstandorte zu verhindern.
Denn in zahlreichen Orten hatten die Stadt- und Verkehrsplaner begonnen, angeblich nicht mehr nötige Bahnflächen, Bahnstrecken und Bahnhofsgebäude als Reserven für spekulative Entwicklungszwecke des Straßen- und Städtebaus nutzen zu wollen. Das prominenteste Beispiel dafür ist sicher das Projekt Stuttgart 21, bei dem große Bahnflächenareale umgenutzt werden sollen, die angeblich wegen des Tunnelbahnhofs nicht mehr benötigt würden. Und weil die Stadt Stuttgart mit Ihrer CDU-Mehrheit diese fest verplanten Flächen unbedingt als Voraussetzung für die dortige Stadtentwicklung der Bahnnutzung entziehen wollten und S 21 unbedingt als Städtebauprojekt vollenden wollten, haben sie nach der Novellierung des § 23 AEG massiven politischen Druck aufgebaut, um diese Novellierung rückgängig zu machen und die dort verankerte Trassen- und Flächensicherung für Bahnzwecke aufzuweichen.
Nach dem Scheitern der Ampelregierung wollen nun unter diesem Druck die SPD und die Grünen eine neuerliche Änderung des § 23 in die letzte Parlamentssitzung einbringen, um in diesem Fall auch mit der von der Stuttgarter CDU motivierten Bundestagsfraktion der CDU und möglicherweise auch noch mit FDP-Unterstützung eine neuerliche Änderung des § 23 AEG zu ermöglichen. Im Hintergrund hat auch der Deutsche Städtetag entsprechenden Druck aufgebaut, weil es auch diverse andere Bahnhofs- und Verkehrsprojekte gibt, bei denen bisherige Bahnflächen entwidmet werden sollen für Zwecke spekulativer Stadtentwicklung und expansiver Straßennetzentwicklung auf bisherigen Bahnflächen.
Wenn das Parlament diese neuerliche Änderung annimmt, besteht aus Sicht von Verbänden und Initiativen, die für eine expansive Entwicklung der Personen- und Güterbahnen kämpfen, die Gefahr, dass die im Interesse der Klimapolitik und Verkehrswende dringend erforderlichen Erweiterungen der Bahnnetze, die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken und vor allem die Dezentralisierung der Güterbahn erschwert wird.
Der ohnehin schon oft genug geplünderte Bestand des Bahnnetzes und seiner Betriebsflächen muss unbedingt gesichert und geschützt werden, als Basis für die nötigen Netz- und Kapazitätserweiterungen des Bahnsystems.
Bürgerbahn stellt dazu fest:
1. Die Novellierung von §23 AEG wurde Ende 2023 aufgrund jahrelanger negativer Erfahrungen mit Stilllegungen von Bahninfrastruktur und Umwidmung von Bahnflächen beschlossen.
2. In der Vergangenheit wurden bereits über 25 % der Bahnstrecken und über 80 % der Serviceanlagen (Ausbesserungswerke, Abstellanlagen) stillgelegt: sie fehlen heute bereits für die Verkehrswende.
3. Ist eine Bahnanlage einmal freigestellt, ist diese unwiederbringlich für die Infrastrukturentwicklung der Eisenbahn verloren.
4. Mit dem novellierten §23 AEG wurden Vorgaben der EU (Richtlinie 2021/1187) und der Konsens der Beschleunigungskommission Schiene umgesetzt und der Eisenbahninfrastruktur endlich wieder der durch die Verfassung (Art. 87e Garantie der Grundversorgung) zugedachte Stellenwert zurückgegeben. Das Ziehen dieser „Notbremse“ war bereits seit langem überfällig.
5. Die Bahngrundstücke wurden von den Kommunen in der Blütezeit der Bahnen häufig kostenfrei der Bahn zur Verfügung gestellt. Man versprach sich von dem Bahnanschluss Wirtschaftswachstum. Sie heute für bahnfremde Zwecke nutzen zu wollen, ist geschichtsvergessen und nicht zukunftsorientiert.
6. Ausreichende Bahnflächen sind Voraussetzung für den klimapolitisch unbedingt notwendigen weiteren Ausbau der Bahn: Daher muss der Bestand geschützt werden.
7. Schlimm sind die aktuellen immobilienwirtschaftlichen Großvorhaben auf bisherigen Bahnflächen, mit denen dringend erforderliche Kapazitätserweiterungen im Bahnsystem verhindert werden wie z.B. Stuttgart 21 oder die Bahnhofsverlagerung Hamburg-Altona. Sie erzeugen mit ihren Tunnelprojekten horrende Kosten und monopolisieren ein Übermaß von Bahninvestitionen, die deswegen in der Fläche fehlen.
8. Mit der neuerlichen Änderung des § 23 AEG würde eine offensive Bahn- und Klimapolitik verhindert. Damit würden sich SPD und Grüne vollends unglaubwürdig machen bezüglich der Umsetzung ihrer hohen Ziele der Klima- und Verkehrswendepolitik.
9. Daher gilt für Bürgerbahn – Denkfabrik: Finger weg von einer Rolle rückwärts bei der Novellierung des § 23 AEG.
Dazu Prof. Heiner Monheim, Sprecher von Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schiene
„Mit ihrem Vorschlag zur erneuten Novellierung von § 23 AEG würde die dringend notwendige Netz- und Kapazitätserweiterung des Bahnsystems und die notwendige Reaktivierung von Bahnstrecken massiv behindert. Ausreichend gewidmete Bahnflächen sind eine wesentliche Voraussetzung für die Verkehrswende und den weiteren Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Der neuerlichen Gesetzesänderung des § 23 ist eine klare Absage zu erteilen.“
Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schiene wird unterstützt von Bahnexperten und Initiativen.
www.buergerbahn-denkfabrik.org