Abschlusserklärung der Frühjahrstagung von Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schiene am 17./18.5.2025 in Hamburg

Verkehrswende zurück verhindern

Presseerklärung als PDF

Am 17.–18.5.2025 haben in Hamburg die Bahnexperten von „Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schiene“ über die aktuellen Herausforderungen einer innovativen Bahnpolitik an die neue Bundesregierung beraten. Sie sind sich einig, dass die weitere Entwicklung der Bahnen in Deutschland neue grundlegende Weichenstellungen erfordert. Denn angesichts des weiter voranschreitenden Klimawandels und der besonderen Verfehlung der Klimaziele im Verkehrssektor sind die Anstrengungen für eine wirkliche Verkehrswende, und ganz besonders für eine Stärkung des Systems Bahn, zu intensivieren. Die drohende monatelange Totalsperrung wichtiger Bahnkorridore muss durch eine Korrektur der bisherigen Strategie für die sog. „Generalsanierung“ zu Gunsten einer schnelleren, weniger invasiven und das ganze Schienennetz verbessernden Sanierungsstrategie vermieden werden. Massive und monatelange Totalsperrungen wichtiger Korridore dürfen den Kunden im Personen- und Güterverkehr nicht weiter zugemutet werden.

Bürgerbahn – Denkfabrik stellt dazu fest:

1. Wichtigste Aufgabe der neuen Bundesregierung wird es sein, für eine personelle Neubesetzung der Führungsgremien der Deutschen Bahn (Vorstände der Konzernobergesellschaften und Anteilseignerseite in den DB Aufsichtsräten zu sorgen, um den Anspruch des Koalitionsvertrages mehr Fachkompetenz in die Bahngremien einzubringen, umzusetzen.

2. Das Deutschland-Ticket für landesweites Flatrate-Bahnfahren im Nah- und Regionalverkehr hat sich entgegen aller Befürchtungen bewährt. Seine Finanzierung ist langfristig abzusichern. Über eine radikale Vereinfachung der Preisstrukturen für verbleibende Einzelfahrtentickets, sowie die Zusammenlegung von Aufgabenträgern und Verkehrsverbünden sind Rationalisierungsgewinne zu heben, die zur Finanzierung des D-Tickets mit herangezogen werden müssen. Das D-Ticket muss bundesweit um ein preislich reduziertes D-Ticket für Schüler, Studenten, Rentner und Bezieher öffentlicher Unterstützungsleistungen ergänzt werden.

3. Eine langfristig gesicherte, stabile und auskömmliche Finanzierung ist die Voraussetzung für die netzweite Sanierung und den weiteren Ausbau des Bahnnetzes. Deswegen begrüßt Bürgerbahn die Einrichtung eines Eisenbahn-Infrastrukturfonds.

4. Bürgerbahn kritisiert die im Koalitionsvertrag festgelegte Einrichtung von geschlossenen Finanzierungskreisläufen für die einzelnen Verkehrsträger. Sie widerspricht dem Grundsatz einer integrierten Verkehrsentwicklung, die die Wechselwirkungen zwischen dem Teilsysteme Straße und dem Teilsystem Schiene kreativ nutzt. Die Verwendung von Mitteln der Straßenmaut für die Finanzierung von Bahnprojekten muss weiter möglich bleiben.

5. Das geplante „Drei-Säulen-Modell“ der Bahnfinanzierung aus Haushaltsmitteln, Nutzerfinanzierung und privatem Kapital führt bei Sanierung und Ausbau der Bahninfrastruktur zu einer weiteren Verschuldung der DB AG auf dem Kapitalmarkt. Dies verteuert die Investitionen und führt zu einer massiven Steigerung der Trassengebühren im Personen- und Güterverkehr, was den gewünschten Umstieg von der Straße auf die Bahn weiter erschwert.

6. Die Steuerung der Investitionen in die Bahninfrastruktur soll über den „Infraplan“ als gesetzliches Steuerungsinstrumentarium erfolgen. Im Prinzip wird dies von Bürgerbahn begrüßt. Allerdings müssen an der Erarbeitung des Infraplanes auch kritische Fahrgast- und Bahninitiativen beteiligt werden.

7. Die Ankündigung im Koalitionsvertrag, die Investitionen in das deutsche Schienennetz zu steigern und den Investitionsaufwuchs für Haupt- und Nebenstrecken und damit auch für ländliche Regionen zu nutzen, wird von Bürgerbahn ausdrücklich begrüßt. Bürgerbahn fordert, mit Hilfe eines neuen Bundesverkehrswegeplans umgehend belastbare Zahlen für den Bedarf an Netzsanierung und Netzausbau und Neubau zu erarbeiten und davon den Bedarf für Bahninvestitionen abzuleiten und fiskalisch abzusichern.

8. Die zum Investitionsaufwuchs genannte Spezifizierung, dass die Investitionsmittel auch für „Großknoten und die durch Regionalisierungsmittel geförderten Großprojekte“ zur Verfügung stehen sollen, lässt befürchten, dass weiterhin extrem teure und langwierige Großprojekte der Hoch- geschwindigkeit und der Immobilienspekulation an Großbahnhöfen die Investitionsplanung mono- polisieren. So sollen die massiven Kostenüberschreitungen bei Stuttgart 21 und der 2. S-Bahnstammstrecke München nachträglich finanziell abgesichert werden.

9. Die Reaktivierung von Schienenstrecken muss erleichtert werden, ein schneller und einfacher Zugang zu Fördergelder für die Reaktivierung einer Schienenstrecke ist notwendig. Dabei müssen bei der Vergabe von Fördergeldern zur Reaktivierung von Strecken müssen private Betreiber (EIU), die eine Schienenstrecke als öffentliche Eisenbahn betreiben, der DB infraGO gleichgestellt werden.

10. Bürgerbahn begrüßt den zügigen Ausbau der grenzüberschreitenden Bahnverbindungen nach Polen und Tschechien, für das schnellstmöglich Planungsrecht und Finanzierung sichergestellt werden sollen. Allerdings kritisiert Bürgerbahn das damit verbundene Projekt eines 30 Kilometer langen Erzgebirgsbasistunnel mit den typischen Problematiken beim Bau so langer Tunnels.

11. Auch generell kritisiert Bürgerbahn die Fixierung der Trassenplanungen auf extrem teure und langwierige Tunnelbauten. Angesichts des großen Handlungsbedarfs und Kostendrucks müssen Tunnelprojekte immer Ausnahmen wegen schwer überwindbarer topografischer Barrieren bleiben. Auch wegen des maximalen Einsatzes von CO2 intensivem Stahlbeton müssen Tunnel immer die seltene Ausnahme bleiben und dann auch aus Brandschutzgründen so kurz wie möglich gehalten werden.

12. Bürgerbahn begrüßt den Verzicht auf langwierige Nutzen-Kostenanalysen bei der Elektrifizierung des Bahnnetzes. Die Elektrifizierung des Gesamtnetzes benötigt aus Klimaschutzgründen höchste Priorität als Kernbereich der Elektromobilität.

13. Die angekündigte fortlaufende Überprüfung und ggfs. Anpassung des Sanierungskonzepts für die Hochleistungskorridore (HKL) wird von Bürgerbahn begrüßt. Die bislang vorgesehenen monatelangen Vollsperrungen weiterer Korridore müssen vermieden werden. Eine weniger invasive Sanierung neben rollendem Rad ist sinnvoller. Mit ihr kann vermieden werden, dass es massenhafte Abwanderungen im Personen- und Güterverkehr von der Schiene auf die Straße gibt.

14. Die Einbeziehung des Güterverkehrs in die Planungen für den Deutschlandtakt wird begrüßt. Umso mehr wird im Interesse der Systemqualität gefordert, das Prinzip „Takt vor Tempo“ beim Netzausbau zu beachten und eine Harmonisierung der Geschwindigkeiten im mittleren Geschwindigkeitsbereich von 160–200 km/h vorzusehen. Dann kann bei den Standards für Trassen und Fahrzeuge Abschied von der Höchstgeschwindigkeit 300 km/h genommen werden.

15. Die Aussage des Koalitionsvertrages „wir wollen mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagern“ wiederholt eine jahrzehntelange Floskel vom „Entlastern“ der Straßen, ohne dass dafür notwendige Maßnahmen genannt werden. Gerade die Güterbahn braucht ein viel dezentraleres Konzept unter Einbeziehung aller ländlicher Regionen und entsprechend attraktive Angebote für den Stückguttransport und den Einsatz kürzerer Güterzüge und Einzelwagenladungsverkehre.

Fazit
Der Koalitionsvertrag setzt die politischen Rahmenbedingungen für die kommenden Jahre. Darin ist kein Aufbruch zur Verkehrswende zu erkennen. Die Netz- und Finanzierungsaussagen bleiben vage. Jetzt wird es also darauf ankommen, im neue besetzten Verkehrsministerium die überfällige Bahnreform 2.0 aufzugleisen und mit einem neuen Bahnvorstand und Aufsichtsrat dafür zu sorgen, dass die Bahn aus ihrer aktuellen Krise herausgeführt wird und ihre klimapolitisch wichtige Rolle in der deutschen und europäischen Verkehrsentwicklung ausfüllen kann. Dazu gehören auch eine Renaissance des InterRegio zur Anbindung aller Regionen an die Fernbahn und ein massiver Ausbau des Nachtzugangebotes mit Schlaf- und Liegewagen mit eigenen Fahrzeugen und Produkten der DB. Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schiene- wird weiterhin die Bahnpolitik der Regierung Merz und des Verkehrsministers Schnieder kritisch kommentieren und wünscht sich einen offenen Dialog mit den politisch Verantwortlichen der neuen Bundesregierung und eines neu zu besetzenden Bahnvorstandes und Aufsichtsrates über ihre Vorstellungen von einer Flächenbahn, die mit hoher Systemqualität alle Regionen untereinander verbindet und in der weiteren Verkehrsentwicklung wieder die Nr. 1 wird.

Hamburg 18.5.2025

Ein Kommentar zu “Abschlusserklärung der Frühjahrstagung von Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schiene am 17./18.5.2025 in Hamburg”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert