Burgrain-Bahnunglück neu entdeckt
Am 7. Februar erschien in der „Süddeutschen Zeitung“ ein Artikel, der überschrieben war mit „Aufgeweichter Bahndamm könnte ein Grund für Zugunglück gewesen sein“. Einer der beiden Autoren war Klaus Ott, der bei Wikipedia als „einer der profiliertesten investigativen Journalisten Deutschlands“ vorgestellt wird. Es geht dabei um das Bahnunglück vom 3. Juni 2023 in Burgrain, Bayern, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen. Die Autoren verweisen auf ein neues „entsprechendes Gutachten“ aus dem hervorgehe, dass an der Unglücksstelle „möglicherweise […] der Bahndamm so durchnässt (war), dass Schienen und Schwellen unter der schweren Last des doppelstöckigen Regionalzugs nachgaben und die Wagen auch deshalb entgleisten.“ Darin wird auch Bezug genommen auf „die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL)“, die „zusammen mit anderen Organisationen [wer bitte?; W.W.] bei einer Pressekonferenz knapp zwei Monate nach dem Zugunglück erste Einschätzungen“, die in eine entsprechende Richtung gewiesen hätten, vorgelegt hätte.
Diese Darstellungen sind in fünf Punkten dringend ergänzungsbedürftig.
- Die GDL und die BI Prellbock Altona, unterstützt von Bürgerbahn, führte am 26. Juli 2022 in München eine Pressekonferenz durch, an der Uwe Böhm (GDL), Dieter Doege und Michael Jung (Prellbock Altona) und Winfried Wolf (Bürgerbahn) teilnahmen.
- Wir präsentierten dort vor allem eine 16-seitige Studie zum Unglück, in der die deutliche Schwächung des Bahndamms im Jahr 2001 durch die Zusammenlegung zweier Bundesstraßen, deren Verlegung an den Bahndamm plus die Verlegung eines Baches an den Bahndamm dokumentiert wurde.
- Wir stellten dort bereits die These der Bahn, wonach eine Charge mit fehlerhaften Betonschwellen Unfallursache gewesen sei, in Frage.
- Die Resonanz auf die PK war eine außerordentliche: Mehr als zwei Dutzend Medien berichteten über unsere Erkenntnisse.
- Die DB ignorierte nach außen die PK und die Studie komplett. Was sich auch darin manifestiert, dass nach dem Wiederaufbau der Strecke dort erneut Tempo 100 zugelassen wurde.
Nach der Publikation des zitierten SZ-Artikels wurde umgehend eine Langsamfahrstelle („La“) mit Tempo 70 eingerichtet (siehe Scan). Dort steht explizit als Begründung für die reduzierte Geschwindigkeit: „Untergrundmangel“. Was wiederum heißt: Die Verantwortungslosigkeit der DB AG, die zu dem Unglück mit beigetragen hat (warum ließ man zu, dass Bahngelände verkauft und der Bahndamm geschwächt wurde?) wurde fortgesetzt, indem man unsere Studie ignorierte und erneut Tempo 100 zuließ. Die neue LA 70 km/h ist das Eingeständnis, dass man erneut monatelang Züge über einen geschwächten Bahndamm rollen ließ und damit ein enormes Risiko einging.
Zitierte Artikel: Matthias Köpf und Klaus Ott in: Süddeutsche Zeitung vom 7. Februar 2023.
Scan: Tages-La (Zusammenstellung der vorübergehenden Langsamfahrstellen), LA-Bereich Süd, Ausgabe vom 12.2.2023