Das Gleisvorfeld des Stuttgarter Kopfbahnhofs soll abgerissen werden, um dort den neuen Stadtteil Rosenstein bauen: Sollbruchstelle des Projekts?
Jetzt, wo immer mehr Widersprüche des S21-Projekts sichtbar werden und zu Verwerfungen führen, kann die umstrittene Immobilien-Bebauung des Gleisvorfelds zum Dreh- und Angelpunkt eines möglichen Scheiterns von Stuttgart21 werden. Von den S21-Dogmatiker*innen vor allem im Stuttgarter Gemeinderat kompromisslos verfolgt, kommen inzwischen Kritik und Widerstand an den Planungen aus unterschiedlichen Richtungen – mit der zumindest logischen Konsequenz: keine Bebauung des Gleisvorfelds/Rosenstein:
- Aus verkehrspolitischer Sicht müssen Gleisvorfeld/Kopfbahnhof erhalten werden, unabhängig von der Frage einer Inbetriebnahme von S21. Das ist die Voraussetzung für Erhalt und Steigerung der Kapazitäten auf der Schiene und für den integralen Taktfahrplan. Wer das weiter bestreitet, lügt.
- Aus Sicht der Gäubahnanrainer ist es ausschließlich das sture Festhalten an der Bebauung des Rosenstein, das die Abkoppelung der Gäubahn vom Stuttgarter Hbf auf viele Jahre, wenn nicht für immer erfordert. Ob Reisende von Italien, der Schweiz, aus Singen, Rottweil usw. weiter direkt nach Stuttgart gelangen, dort direkt oder mit Umstieg am Hbf weiterreisen können, hinge dann von der Fertigstellung eines weiteren 2x12km langen Tunnels (Pfaffensteigtunnel) ab, die völlig in den Sternen steht, jedenfalls realistischerweise allenfalls Ende der 30er Jahre denkbar wäre. Dagegen erhebt sich immer mehr Protest von Bürger*innen und Kommunalpolitiker*innen entlang der Gäubahn, die maßlos enttäuscht sind von den Versprechungen der S21-Parteien, aber noch zögern, die naheliegende Forderung zu erheben, auf die Rosensteinbebauung zu verzichten, gar aus S21 auszusteigen.
- Aus klimapolitischer Sicht wäre die Bebauung auf diesen mikroklimatisch hochsensiblen Flächen gerade im Stuttgarter Kessel der absolute Sündenfall – und der betrieben ausgerechnet von den Grünen und ihrem Baubürgermeister Pätzold. Schon die bisher geplante, durchaus um Klimaschutz bemühte Bebauung würde mit ihren Bodenversiegelungen und dem Zubauen der überlebenswichtigen Frischluftschneise, auf lange Sicht das Leben und Wohnen im Kessel, der jetzt schon der heißeste Teil von Deutschlands heißester Stadt ist, unmöglich machen.
- Aus städtebaulicher Sicht gibt indes neuerdings Kritik am Architektenentwurf. Bemängelt wird, dass die starken Abrisskanten zum bisherigen Schlossgarten hin dem Ziel der Bebauung entgegenstünden, den östlichen und nördlichen Stadtteil durch die Rosenstein-Bebauung enger zusammenzubringen. Nach der Devise „geht’s noch schlimmer?“ fordern jetzt CDU, SPD, FDP und FW massive Bodennivellierungen und noch höhere und noch mehr Bebauung. Immerhin scheinen da die Grünen nicht mehr mitzuziehen.
- Aus Sicht des Artenschutzes: Immer wieder gern desavouieren S21-Verantwortliche die Bedeutung der Biodiversität – nach dem Motto: „Ein paar Juchtenkäfer blockieren ein großartiges Milliardenprojekt“. Das lenkt nicht nur von den wahren Gründen für den ganzen Schlamassel ab, sondern offenbart erhebliche Inkompetenz: Auf dem rund 100 Hektar großen Stuttgart-21-Gebiet wurden nach Untersuchungen des städtischen Amts für Umweltschutz 683 verschiedene Arten nachgewiesen – davon waren allein 60 auf der roten Liste. Der Juchtenkäfer ist eine „Leitart“, die für viele andere bedrohte Arten steht. Längst ist in der Klimawissenschaft klar, dass Artenschwund und Klimawandel einander verstärken und deswegen zusammen betrachtet werden müssen. Das globale Artensterben wird verschiedentlich als gravierendere Bedrohung angesehen als die Klimaerwärmung. Beide Krisen bedingen und verstärken sich gegenseitig,“ schreibt kürzlich das angesehene Fachmagazin “Science”.
Jetzt muss es darum gehen, diese unterschiedlichen Einwände auf einen praktisch-politischen Nenner zu bringen, der nur heißen kann: keine Bebauung des Gleisvorfelds. Besser oben bleiben!