rail blog 111 / Andreas Kleber

„Mir wird’s schlecht“ – Bahnfahrt zur Hochzeit des Patenonkels

Die Hochzeit meines Patenonkels (Bruder meiner Mutter) fand am 14.10.1958 statt. Meine Eltern sowie meine Schwester Stephanie und ich waren dazu eingeladen: die Fahrt sollte in Papas Auto erfolgen, einem geräumigen Opel Kapitän.

Was ich überhaupt nicht wollte: warum nicht mit dem Zug, wie sonst immer in den Sommerferien?

Und obendrein „ich kann das Autofahren nicht vertragen“. – „Wega Dir a Fahrkart kaufe, des kommt überhaupt net in Frag.“ Der Blick ins Kursbuch, die Erinnerung an die BAHNFAHRT letzten Sommer nach Feldhausen und die Rückfahrt mit dem RHEINBLITZ … und jetzt mit dem Auto? Dass Papa unterwegs im Rheingau bei einem seiner besten Freunde, Herrn Hufnagel, dem Besitzer der Krone in Aßmannshausen, noch einkehren wollte, damit konnte ich (damals noch) nichts anfangen.

Und so kam Sonntagmorgen, 12.10.1958: wir stiegen ins Auto … und keine 12 km, in Ertingen „mir wird’s schlecht“. Also anhalten: auch in Zwiefalten die Alb rauf „mir wird‘s wieder schlecht“ was sich auf der B 312 bis Kleinengstingen wiederholte. Die Mama verzweifelte, ob wir überhaupt noch in ihre Heimat kämen, und Papa: „also des Theater mach I nemme lang mit. Mir setztet Dich am beschde in Reutlinge in dr nächste Zug ond schau, wie Du nach Feldhausen kommschd“… Meine Antwort: „Wenn Du Dich beeilst, kann ich noch den Eiltriebwagen in Reutlingen erreichen, und dann in Stuttgart den D 367: der hat Kurswagen nach Amsterdam, wo ich dann in Oberhausen nach Wanne-Eickel und von dort nach Feldhausen umsteigen kann“… Mein Vater war sprachlos, eine merkwürdige Stille im Auto… und in Reutlingen am Hbf angekommen, kaufte er, ohne einen Ton zu reden, mir die Fahrkarte.

War auf den ET neugierig; hatte außer dem FT 29/30 „MÜNCHNER KINDL“, dem Ravensburger Bähnle und dem Meckenbeuren-Tettnang noch nie einen Elektrotriebwagenzug gesehen; stattdessen fuhr an diesem nebeligen Sonntag ein Eilzug, mit einer E 17 bespannt. Der D 367 war ein hochinteressanter Zug: mit seinem Zuglauf nach Münster (Westf); ab Köln über Wuppertal-Hagen-Hamm sowie Kurswagen von München nach Hoek van Holland und mit dem Speisewagen nach Amsterdam; ab Köln gab es damals zwei LORELEY-EXPRESS: den „Stammzug“ Basel – Hoek van Holland (London) und ab Köln den Flügelzug mit seinen Kurswagen von München, Frankfurt, Basel und Luzern nach Amsterdam. Ab Koblenz fuhr der D 367 rechtsrheinisch; die 03 hatte Mühe mit dem schweren Zug; das Rangiermanöver in Köln Hbf war faszinierend, und in den Bahnhöfen Oberhausen und Wanne-Eickel, da dampfte es und da war „echt“ was los… Und ich kam sogar noch vor meinen Eltern und Schwester in Feldhausen an – was eher auf den längeren Aufenthalt meiner Eltern im Rheingau zurückzuführen war.

12.10.1958

Reutlingen Hbf (12.13) – Stuttgart Hbf (13.08)                                     E 4574                                    E 17 (ET-Ersatz)

Stuttgart Hbf (13.13) – Oberhausen Hbf (20.41)                                    D 367                                     E 10 Stgt – Ludwigshafen

E 10 Ludwigshafen – Koblenz

                                                                                                                                                             03 ab Koblenz

                                                                                              ab Köln   D 267 Loreley-Express        01

Oberhausen Hbf (20.59) – Wanne-Eickel Hbf (21.41)                           N 2963                                   38.10

Wanne-Eickel Hbf (22.08) – Feldhausen (22.35)                                    1046                                    Vt 95.5

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