Paris ist wieder einen Nachtzug wert
Der Fahrplanwechsel am 10. Dezember 2023 bringt einen Nachtzug wieder auf die Schiene zurück, der seit neun Jahren schmerzlich vermisst wurde: Berlin – Paris. Noch länger, nämlich 15 Jahre, dauerte die Unterbrechung bei der Nachtverbindung nach Brüssel.
Da die ÖBB – wer sonst sollte diesen Zug betreiben? – wegen der Lieferverzögerungen bei den neuen NightJet-Garnituren weniger Rollmaterial zur Verfügung haben als ursprünglich geplant, kann der Zug in den ersten Monaten noch nicht täglich in beiden Richtungen fahren, sondern eine Garnitur pendelt hin und her: montags, mittwochs und freitags geht es von Berlin über Erfurt und Frankfurt nach Paris und Brüssel, dienstags, donnerstags und samstags geht es wieder zurück.
Der Premierenzug startet also am Montag, den 11. Dezember, und zwar um 20:18 Uhr von Gleis 1 des Berliner Hauptbahnhofs – ich hoffe: nach einem »großen Bahnhof« zur Wiedereröffnung. Schließlich ist das der erste Direktzug zwischen den Hauptstädten der beiden bevölkerungsreichsten EU-Mitglieder seit neun Jahren (wenn man von jenem Sonder-ICE zum Pariser Klimagipfel 2015 absieht, in dem Ronald Pofalla das Aus für die Nachtzüge der DB verkündete).
Nach einem Zustiegshalt in Berlin Südkreuz folgen zum Zu- und Ausstieg Halle (Saale), Erfurt und Frankfurt-Süd, ehe der Zug in Mannheim auf den Schwesterzug aus Wien trifft und die Kursgruppen nach Paris via Strasbourg und Brüssel via Köln ausgetauscht werden – dies ist kein Halt für Fahrgäste. Strasbourg wird als reiner Ausstiegshalt um 5:44 Uhr erreicht, und dann dauert es noch mehr als viereinhalb Stunden, bis der Zug endlich um 10:24 Uhr in Paris ankommt. Er bummelt auf Nebenstrecken durch den »Großen Osten« Frankreichs, weil er die Schnellstrecke nicht benutzen darf, auf der die TGVs weniger als zwei Stunden benötigen. Eilige Reisende könnten also in Strasbourg aussteigen, wo um 6:40 Uhr, 7:19 Uhr und 7:49 Uhr drei Züge abfahren, die deutlich früher als der NightJet in Paris ankommen.
Auch in Richtung Süden bietet sich Strasbourg als Umsteigebahnhof an: um 6:47 Uhr fährt ein TGV via Lyon (Ankunft 10:56) nach Montpellier (Ankunft 12:54), und um 9:05 Uhr folgt ein TGV via Lyon (Ankunft 12:56) nach Marseille (Ankunft 15:04). Der Zug nach Montpellier hat dort Anschluss an einen weiteren TGV, der um 16:31 Uhr in Barcelona eintrifft; von dort wiederum würde man mit spanischen Hochgeschwindigkeitszügen um 21:07 Uhr Valencia und um 23:40 Uhr Alicante erreichen oder mit drei verschiedenen Zügen gegen 20 Uhr in Madrid ankommen können – und wer will, schafft es abends sogar noch bis Córdoba, Sevilla, Malaga oder Granada.
Wäre das nicht mal ein Grund, das Flugzeug stehenzulassen, wenn es nach Südfrankreich oder Spanien geht? (Geheimtipp: Es gibt auch Fähren zwischen Barcelona und Palma de Mallorca.)
Ein Wochenendtrip in die Hauptstadt ist bei dem jetzigen Fahrplan leider noch nicht machbar – zwar kommt man in der Nacht von Freitag auf Samstag von Berlin nach Paris, aber es gibt eben noch keine Rückfahrt von Sonntag auf Montag, sondern dann erst wieder von Dienstag auf Mittwoch. Umgekehrt geht der kürzeste Wochenendtrip von Paris nach Berlin und zurück von Donnerstagabend auf Dienstagmorgen.
Aber: Auch so wird der Zug voll werden.
Und wenn man perspektivisch über 2024 hinaus plant, dann geht es hoffentlich bald auch wieder um eine Verbindung von Hamburg nach Brüssel und Paris, um Fahrgastzuwächse, die Ganzzüge statt Halbzüge pro Relation nötig machen – und um die Frage, ob es irgendwann Rollmaterial gibt, mit denen Nachtzüge auf die französische Schnellstrecken können. Denn dann könnte die Ankunft in Paris schon gegen 8 Uhr erfolgen, und Zugläufe Richtung Lyon, Marseille, Barcelona würden ganz andere Reichweiten ermöglichen. Nachtzüge aus Deutschland oder der Schweiz nach Barcelona oder sogar Madrid wären dann ebenso möglich wie Nachtzüge von Malmö und Kopenhagen nach Paris oder Lyon.