rail blog 308 / Joachim Holstein

Die EM-Bilanz der Deutschen Bahn

Am 12. Juli, nach vier Wochen Fußball mit 50 absolvierten Spielen und zwei Tage vor dem Endspiel, zieht die Deutsche Bahn eine bemerkenswerte Bilanz:

https://www.deutschebahn.com/de/presse/pressestart_zentrales_uebersicht/DB-Bilanz-zur-UEFA-EURO-2024-Zwoelf-Millionen-Reisende-im-Fernverkehr-12972138

Zwölf Millionen Reisende sind während der EM allein mit den ICE- und IC-Zügen der DB unterwegs gewesen. Noch nie gab es so viel Bahn bei einem internationalen Fußball-Turnier.

Andere Züge – Regionalzüge der DB, Züge anderer Bahngesellschaften, Nachtzüge – hat die DB wie üblich nicht mitgezählt.

Am gestrigen Tag ist erstmals der begehrte EM-Pokal umweltfreundlich mit der Bahn zum Endspiel gebracht worden. Die sogenannte „Trophy“ kam pünktlich mit dem ICE in Berlin an.

Dass der EM-Pokal – der übrigens im Original »La coupe Henri Delaunay« heißt, auf der Website des DFB als »Henri-Delaunay-Pokal« bezeichnet wird und im Deutschen noch nie »Trophy« genannt wurde – pünktlich ankam, ist in der Tat eine Nachricht wert.

Auch die Nationalmannschaften sind mehr denn je Bahn gefahren. Dabei hat sich das rumänische Team mit sechs Fahrten den Titel des Reise-Europameisters gesichert.

Rumänien bestritt seine Vorrundenspiele in München, Köln und Frankfurt. Quartier bezogen hatte man in Würzburg. Das Achtelfinalspiel fand wieder in München statt. Glückwunsch, dass man zweimal München und einmal Frankfurt per Bahn erreichen konnte. Köln war wohl als zu unsicher eingestuft worden. Die DFB-Auswahl nahm von Nürnberg nach Dortmund auch lieber den Flieger, und die Niederländer mussten ihn von Wolfsburg nehmen, weil ihr Zug ausfiel. Die Türken nahmen sogar für die 150 km von Hannover nach Hamburg den Flieger und fuhren per Bus zurück. Hatten ihnen ihre hier lebenden Landsleute berichtet, welche Performance DB und Metronom zwischen diesen beiden Städten abliefern?

Richard Lutz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG: „Rund 150.000 Mitarbeitende der DB haben alles dafür getan, dass viele Millionen Fans und die Mannschaften sicher und zuverlässig zu den Spielen reisen konnten. Das war angesichts der heftigen Belastungen der Bahn durch Extremwetter kurz vor und während der EM ein echter Kraftakt. Allen Fahrgästen danke ich für ihre Geduld und Umsicht während des Turniers.“

Die Bahnerinnen und Bahner an der Basis haben sich den Allerwertesten aufgerissen, damit es einigermaßen klappte. Denn – das Wörtchen »Geduld« im letzten Satz verrät es – manchmal mussten Fans stundenlang auf ihre Züge oder in ihren Zügen warten.

Obwohl während des Turnierzeitraums rund zwölf Millionen Reisende im Fernverkehr unterwegs waren, gab es in dieser Zeit kaum überfüllte Züge. In den Zügen war also Platz für alle Fans.

Da es offenbar auch nach DB-Angaben einige (wie viele?) überfüllte Züge gab, war also nicht unbedingt Platz für alle Fans in den gewünschten Zügen. Und las man nicht etwas von kurzfristig eingeführter Reservierungspflicht?

Auch die Bahnhöfe waren gut auf die vielen zusätzlichen Besucher:innen vorbereitet: Insgesamt waren mehr als elf Millionen zusätzliche Reisende und Besucher:innen an den Bahnhöfen der Austragungsorte Berlin, Dortmund, Düsseldorf, Frankfurt, Gelsenkirchen, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart unterwegs. Spezielle Willkommens-Schalter wurden eingerichtet und gut genutzt: Insgesamt wurden dort mehr als 25.000 Beratungsgespräche durchgeführt.

25.000 Beratungsgespräche insgesamt? Alleine die am 16. Juni in Gelsenkirchen gestrandeten Fans hätten diese Anzahl an Gesprächen gebraucht!

Rund 3.000 Techniker:innen standen bereit, um Störungen an Rolltreppen und Aufzügen umgehend zu beheben und die Barrierefreiheit zu gewährleisten.

Geht sowas auch nach der EM? Und wie sah es in dieser Beziehung eigentlich an den Hamburger S-Bahn-Stationen Ottensen und Diebsteich aus, die nur ein paar km vom Stadion entfernt liegen? Sind die auch barrierefrei zu erreichen?

Ein gemischtes Fazit zieht die DB hingegen beim Thema Pünktlichkeit der Fernverkehrszüge. Hier wurde das Maximum aus dem Bahnsystem herausgeholt, die Möglichkeiten wurden jedoch durch eine veraltete und überlastete Infrastruktur beschränkt.

Ach, wirklich? Veraltet und überlastet? Wie kommt das denn? Hat man zu viel Geld für Rennstrecken und Tunnelbauten ausgegeben, anstatt einige der seit der Mehdorn-Ära rausgerissene Weichen wieder einzubauen und andere Engpässe zu beseitigen?

Welche Bilanz andere – Fans und Medien – über den Transport bei dieser EM ziehen, ist Thema meiner nächsten Blogs.

Über Joachim Holstein

(*1960) arbeitete von 1996 bis 2017 als Steward in Nacht- und Autozügen der DB, war von 2006 bis zur Einstellung dieser Verkehre Betriebsrat der DB European Railservice GmbH und zuletzt Sprecher des Wirtschaftsausschusses. Mitbegründer der Initiative zur Rettung des Nachtzuges Hamburg-Paris (2008; »Wir wollen nach Paris und nicht an die Börse«) und des europäischen Netzwerks für Nachtzüge »Back on Track« (2015; https://back-on-track.eu/de/); Weiteres unter www.nachtzug-bleibt.eu

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