rail blog 309 / Michael Jung

Wie die DB Radtouristen das Leben schwer macht

Am 11.7.2024 im ICE 201 von Hamburg-Altona nach Basel SBB wurde ich Beobachter eines Vorfalls, der sich täglich in DB-Zügen zig-fach ereignen dürfte und zu entsprechenden internen Dienstanweisungen geführt hat. Dies lässt sich zumindest aus dem aggressiven Verhalten des DB-Zugpersonals schließen.

In Hamburg Hbf stiegen vier ältere niederländische Radtouristen in den Zug und nahmen die Radstellplätze entsprechend ihrer Reservierung ein. Zusätzlich kam ein weiterer Radtourist und wollte sein Rad in den ihm zugewiesenen Stellplatz einhängen. Der war nun belegt. Dieser Fahrgast ging zum Zugpersonal, um sich über die Doppelbuchung zu beschweren. Daraufhin wurde der Fahrschein der Niederländer vom Zugpersonal einer intensiven Kontrolle unterzogen. Es stellte sich heraus, dass diese Reisenden zwar über ihren Reiseagenten in den Niederlanden korrekt ihr Zugticket auf den jetzt genommenen Zug angepasst hatten (Umbuchung wegen Verzögerungen bei der Radtour durch Norddeutschland), aber der Reiseagent es nicht bemerkt hatte, dass das DB-Fahrkartenverkaufsportal nicht automatisch die Buchungen für die Fahrradplätze mitändert, sondern man hier den Prozess neu aufsetzen muss. Denn eine Zwangsverlinkung von Buchung einer Fahrkarte mit einem gewünschten Fahrradstellplatz kennt das Portal nicht. Soweit so schlecht. Denn nicht jedem, schon gar nicht einem Ausländer erschließen sich die Tücken und Feinheiten der DB-Webseite.

Die Niederländer wollten mit ihren Rädern nur zwei Stopps bis Osnabrück mitfahren. Dies hätte aufgrund der Vorreservierungen für den Zug bedeutet, dass zwei Räder auf der Strecke von Bremen, wo zwei weitere Radler planmäßig zusteigen sollen, bis Osnabrück nicht ordnungsgemäß in ihren Stellagen hängen würden. Früher eigentlich kein Problem. Jetzt aber lief das Zugpersonal zur Hochform auf – es machte schwere Sicherheitsbedenken geltend (obwohl das Radabteil am Zugende war) und drängte die vier schon älteren Niederländer samt Rädern und Radgepäck leicht unsanft in Bremen Hbf. aus dem Zug. Sie wurden auf die Weiterfahrt mit Regionalexpresszügen verwiesen. Die Konsequenz für die Niederländer aber war, dass sie in Osnabrück den gebuchten Anschluss an den IC Berlin-Amsterdam verpassten und somit ihr Reiseziel nur mit noch dreimaligem zusätzlichem Umsteigen erreichen konnten – wenn überhaupt, denn in der Regel nehmen in den Niederlanden Regionalzüge keine Fahrräder mit. Aber leider arbeitete das junge Zugbegleitpersonal strikt nach Dienstvorschrift und war nicht in der Lage oder willens, ein wenig Flexibilität und Einfühlungsvermögen walten zu lassen. Ein bisschen mehr Lockerheit und Flexibilität hätte der DB gut zu Gesicht gestanden, besonders gegenüber seriösen ausländischen Fahrgästen, die Opfer der Tücken des DB-Reisendenportals geworden waren, und gerade angesichts der kritischen Stimmen aus dem Ausland über die Performance der DB während der Fußball-Europameisterschaft.

Das Problem hat aber auch objektive Ursachen. Das Fahrradabteil in den ICE4-Zügen ist viel zu klein und zu eng. Ohnehin gibt es nur eins für gerade einmal acht Räder, das daher gerade im Sommer schon Monate vorher ausgebucht ist. Zudem wurde das Radabteil sicher zu Zeiten entworfen, als die Räder noch leichter und kleiner waren. Oder hatten die Konstrukteure sich nur leichte Rennräder mit Karbonrahmen als Nutzer des ICE-Radabteils vorstellen können? Für heutige Räder mit weit ausladenden Lenkern stehen die Stellagen zu eng beieinander. Dadurch verkanten sich die Lenker und der Ein-/Aushängevorgang dauert deutlich länger. Ferner sind die Haken für die dicker gewordenen Reifen heutiger Räder zu schmal – Auswirkungen wie zuvor beschrieben. Da auch im Einstiegsraum kein Platz für das Rangieren der Räder ist, gibt es einen Rückstau bis auf den Bahnsteig mit der Folge der bekannten Abfahrtverzögerungen – vulgo Verspätungen. Und zudem müssen die meisten Räder hochgehängt werden, aber die heutigen schweren E-Bikes bekommen gerade ältere und weibliche Reisende nicht in die Hochlage gestemmt. Sie werden daher einfach nebeneinandergestellt, dies aber widerspricht angeblich den DB-Sicherheitsvorschriften. Und die extrem schmalen Waggonkästen der ICE4 tun ihr Übriges, um das Hantieren dort mit den Rädern zusätzlich zu erschweren.

Nota bene: Was waren das noch für glückliche Bahnzeiten, als es in den Interregio-Steuerwagen Platz für 20 Räder mit ausreichend Raum zum Rangieren und eine breite Einstiegstür gab. Aber einfach, simpel und nutzerfreundlich geht bei der DB heute nicht mehr.

Die Frage bleibt: warum können in den ICEs die Räder nicht wie in den RE-Zügen längs zur Fahrtrichtung nebeneinander gestellt und durch Gurte gesichert werden?

Über Michael Jung

Jahrgang 1950, Dipl.-Volksw., arbeitete zuerst in einem Großkonzern der Mineralölwirtschaft und dann 28 Jahre bei einer deutschen Großbank, davon 10 Jahre lang im Bereich Finanzierung von Eisenbahn- und Nahverkehrsprojekten weltweit. Seit 8 Jahren ist er Sprecher der Bürgerinitiative Prellbock-Altona e.V., die sich für den Erhalt und Modernisierung des Fern- und Regionalbahnhofs Altona am jetzigen Standort einsetzt.

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