rail blog 339 / Martin Schwager

Eigentlich wollte ich nur eine Fahrkarte kaufen

Über die „Zwangsdigitalisierung“ der Bahnkunden ist schon viel geschrieben worden. BahnCard nur noch online, Sparpreisangebote nur noch per App, D-Ticket nur für Smartphone.

Ganze Benutzergruppen werden dadurch möglicherweise diskriminiert oder sogar ausgeschlossen.

Aber es geht noch besser: Bin jahrzehntelanger Accountinhaber bei bahn.de, BahnCard50, D-Ticket und Navigator-App. Alles wird über mein ebenfalls jahrzehntelang bestehendes Bankkonto per SEPA-Einwilligung abgebucht.

Im Sommer stellte ich durch eine Fahrkartenkontrolle fest, dass mein D-Ticket nicht mehr vorhanden war. Ich wurde aufgefordert, es zu „aktualisieren“. Na gut, aber dafür sollte ich auf bahn.de meine Rechnungsnummer eingeben. Wo finde ich die? Glücklicherweise ließen die Kontrolleure von mir ab, sie dachten wohl, der alte Mann wird schon bezahlt haben….Nach langer Suche fand ich dann zu Haus eine alte Mail, auf der ich die Nr. fand und konnte mein bezahltes Ticket wieder in die App schaffen.

Nun Fernverkehrsticket in Navigator-App gebucht, SEPA-Abbuchung gewählt – „Ihre Kontoverbindung kann nicht verifiziert werden“. Man empfiehlt mir einen Verifizierungsprozess über zwei Fremdfirmen „Tink“ oder „Verimi“ sowie wohl eine Videolösung.

Eigentlich wollte ich nur eine Fahrkarte kaufen.

Nun Paypal gewählt. Leider mache ich einen Fehler. Ich vertippe mich bei der TAN – danach nimmt mich Paypal nicht mehr an.

Jetzt noch Kreditkarte. Meine Bank liefert eine TAN-SMS, ich kann sie aber auf der folgenden Seite nicht eingeben, stattdessen werde ich aufgefordert, meine Zugangsdaten durch ein „starkes Passwort“ zu ändern.

Für jeden einzelnen Schritt musste ich die gesamte Buchung neu durchführen.

Eigentlich wollte ich nur eine Fahrkarte kaufen.

Ich gab es auf und widmete mich wichtigeren Dingen.

Später am Abend erneuter Versuch, diesmal über Bahn.de. Wieder wird meine SEPA nicht anerkannt. Ich gehe auf die „Tink“- Seite:

Dort soll ich tatsächlich meine Kontozugangsdaten Incl. Passwort eingeben! Etwas, vor dem meine Bank immer warnt! Etwas, was mir niemals in den Sinn käme!

Eigentlich wollte ich nur eine Fahrkarte kaufen. Jetzt soll ich zu gefährlichen Dingen verführt werden, die, selbst wenn hier alles mit rechten Dingen zugeht, zumindest Betrüger animiert, solche Aufforderungen in gefälschten Mails zu versenden. Schnell verlasse ich die Website.

Nun klappt aber wenigstens der Paypal-Zugang wieder und ich habe endlich eine Fahrkarte, sogar noch zum gleichen Preis – Glück gehabt, aber wertvolle Lebenszeit und Nerven verschwendet.

Aber es zeigt sich beispielhaft, was „Digitalisierung“ bedeuten kann. Freuen wir uns, solange es noch Menschen gibt, die Züge steuern, Signale bedienen und Kunden betreuen. Mal sehen, was die DB auf meine Beschwerde antwortet.

Über Martin Schwager

Dr. Martin Schwager, *1952, interessiert sich seit früher Jugend für alles, was mit Eisenbahn und Straßenbahn zu tun hat. Beruflich arbeitete er als Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin in verantwortlicher Position am Universitätsklinikum und in leitender Funktion an einem akad. Lehrkrankenhaus in Hamburg; A-Diplom für Akupunktur (TCM). Nun - im „Ruhestand“ - hat er mehr Zeit für seine Leidenschaft und möchte dabei helfen, die für die Umsetzung der Klimaziele so wichtige Bahn wieder zu stärken und auf den richtigen Kurs zu führen. Seit 2023 bei Prellbock-Altona, seit 2024 auch in der Bürgerbahn-Denkfabrik aktiv.

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