Anschlussverlust leichtgemacht
Rund um das erste Märzwochenende stand für mich ein Besuch in Heilbronn an. Meine Heimatstadt gehört zu dem leider gar nicht mehr exklusiven Club der Großstädte, die von der Deutschen Bahn AG vom Fernverkehr abgehängt wurden. Nur ausnahmsweise, zum Beispiel während der Bundesgartenschau 2019 oder während der Riedbahnsperrung, wurden ICEs über Heilbronn geleitet und brachten Direktverbindungen mit Köln bzw. Berlin.
Wenn ich als Deutschlandticket-Besitzer mit genügend Zeitpuffer fahre, dann kaufe ich nur Hamburg-Würzburg oder Hamburg-Mannheim und für den Rückweg Würzburg-Hamburg. Aber wenn ich den letzten Abendzug nehmen muss, dann buche ich die komplette Strecke, um bei Verspätungen abgesichert zu sein. Diesen Hinweis gibt die DB inzwischen ja selber auf ihrer Website.
Auf der Rückfahrt durfte ich dann den Segen dieser weisen Voraussicht genießen. Der Regionalexpress Stuttgart-Würzburg war bis Würzburg-Süd auf die Minute pünktlich und schlich dann plötzlich im Genussradler-Tempo durch die Stadt. Dass die siebenminütige Umsteigezeit von Gleis 2 zu Gleis 5 am Nachbarbahnsteig in Gefahr geriet, kam also derart kurzfristig, dass das Personal des RE keine Chance hatte, die Anzahl der Reisenden mit drohendem Anschlussverlust vorzumelden.
Wir kamen just zur Minute der Abfahrtszeit des ICE 782 an – der letzte Zug nach Hamburg stand bereit, kein Zug dazwischen blockierte die Sicht, das ICE-Personal konnte vom Bahnsteig aus sehen, dass Reisende aus dem RE hasteten … und fuhr ab, während wir die Treppe zu Gleis 5 hochkamen.
Danke. Tolle Leistung. Da fragt man sich, was die Bahnhofsregie eigentlich beruflich macht. Es wäre überhaupt kein Problem gewesen, erst zwei oder drei Minuten später abzufahren, denn auf der schwach befahrenen Strecke Würzburg-Fulda hätte diese Zeit locker wieder herausgefahren werden können: 93 km in planmäßig 34 Minuten ergibt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 164 km/h, und danach folgen 90 km nach Kassel-Wilhelmshöhe mit planmäßig 31 Minuten, also 174 km/h im Schnitt. Ich habe einige Fahrten erlebt, bei denen ICEs abschnittsweise bummelten und trotzdem pünktlich ankamen, und auch Fahrten, bei denen es Ersatzzüge mit InterCity-Garnituren bei 200 km/h Höchstgeschwindigkeit schafften, den Fahrplan einzuhalten.
Aber in Nordwest-Söderistan wollte man offenbar nicht kundenfreundlich sein. Also blieb der Servicepoint: Wie komme ich jetzt nach Hamburg? Sehr schnelle Antwort: Ich möge in den verspäteten ICE nach Dortmund steigen und in Hanau umsteigen in einen ICE nach Hamburg, der dort um 1:54 Uhr ankommen würde: »Aber schnell, der fährt in zwei Minuten!«
Er fuhr mir vor der Nase weg.
Also den DB-Navigator gecheckt und zurück zum Schalter. Der nächste ICE nach Norden endete planmäßig in Kassel und hatte so viel Verspätung, dass der Anschluss an den 1:54-Uhr-ICE nicht mehr zu erreichen war.
»Tja, dann hätte ich gerne ein Zimmer in Kassel-Wilhelmshöhe, das IC-Hotel ist ja direkt am Bahnhof.«
Geschäftiges Treiben, man suchte und nannte mir irgendein anderes Hotel. Aber da ich keinen Bock auf nächtliche und morgendliche Fahrten quer durch Kassel hatte, bestand ich darauf, dass sie das IC-Hotel anfragen solle.
»Das ist aber nicht bei Kassel Hauptbahnhof, sondern in Wilhelmshöhe!«
Das habe ich lieber nicht kommentiert, sondern geduldig wiederholt, dass mir das IC-Hotel gut passen würde. Und siehe da – es ging. Und so fuhr ich dann mit dem verspäteten ICE 580 zu dessen Endbahnhof Kassel-Wilhelmshöhe, als plötzlich der Zugchef sich per Bordfunk meldete: man habe so viel Zeit aufgeholt, dass jetzt doch der Anschluss an den ICE 272 hergestellt werden könne. Also an den Zug, der um 1:54 Uhr in Hamburg ankommen würde, wenn es nur noch Nachtbusse und Taxen gibt. Und dann hieß es tatsächlich:
»Bitte geben Sie Ihre Taxi- und Hotelgutscheine wieder ans Zugpersonal zurück.«
Nein, lieber Zugchef. Mich hast Du damit nicht meinen können. Denn ich hatte eine Hotelbuchung vom Bahnhof in Würzburg. Und das Bett war definitiv angenehmer als ein Nachtbus zwischen 2 und 3 Uhr morgens. Und mit ein bisschen Mitdenken hätte die Bahn das Ungemach ja komplett vermeiden können.