rail blog 359 / Michael Jung

CP – Comboios de Portugal – da ist Luft nach oben, aber trotzdem einiges richtig gemacht

Das Bahnnetz in Portugal gehört zu den kleineren in Europa: bei 3.622 km Streckenlänge findet nur auf 2.527 Kilometern Zugverkehr statt. 1.914 km sind eingleisig. Lediglich die Hauptverbindung zwischen Braga (nördlich von Porto) im Norden und Lissabon sowie einige Strecken im Großraum Lissabon sind zweigleisig ausgebaut. 1.791 km sind elektrifiziert, zumeist mit 25 kV 50 Hertz, während die Strecke von Lissabon nach Cascais mit 1,5 kV Gleichstrom versorgt wird. Leider ist das Netz nur ein Netz für den inländischen Verkehr, denn die eingleisige Strecke ganz im Norden nach Vigo in Spanien wird nur von zwei Zugpaaren täglich befahren – übrigens mit Dieseltriebwagen, obwohl die gesamte Strecke elektrifiziert ist. Ansonsten hat die spanische Eisenbahngesellschaft RENFE die zwei anderen einstmals bestehenden grenzüberschreitenden Bahnlinien abgeklemmt. So besteht der skandalöse Zustand, dass es zwischen der spanischen und der portugiesischen Hauptstadt keine Bahnverbindung gibt. Dabei baut Spanien gerade mit hohem Aufwand eine Hochgeschwindigkeitsverbindung bis zu dem an der portugiesischen Ostgrenze liegenden Ort Badajoz. Spanien und Portugal sind 2026 40 Jahre lang in der EU, und die EU hat es bisher nicht geschafft, brauchbare Bahnverbindungen zwischen zwei wichtigen EU-Nachbarländern politisch einzufordern, zu finanzieren und durchzusetzen. Ganz im Gegensatz zu den vier grenzüberschreitenden Autobahnverbindungen zwischen diesen Ländern.

Die CP bemüht sich intern nach Kräften, den Bahnbetrieb zu modernisieren und zu beschleunigen. Das konnte der Verfasser auf einer Fahrt auf der Strecke von Lissabon nach Faro an der Algarve im März dieses Jahres erfahren.  Die Strecke wird immerhin viermal täglich bedient, davon einmal mit einem modernen HGV-Triebzug. Allerdings lässt die topographisch bedingt kurvenreiche eingleisige Trasse nur maximale Geschwindigkeiten von 120 km/h zu. Gefahren wird mit älteren (Baujahr 1994), aber gepflegten Reisezugwagen (5 Stück), gezogen von einer von Siemens zusammen mit dem lokalen Hersteller SOREFRAME für die spanische Breitspur (1635 mm) gebauten E-loks, die aus der Taurus-Familien abgeleitet wurden.

Aus regionalpolitischen Gründen hält der Zug auch an der kleinen Station Santa Clara – Sabóia, die sicherlich, als noch Güterverkehr über diese Strecke abgewickelt wurde, schon bessere Zeiten gesehen hat. Immerhin: die unbesetzte Station macht einen halbwegs gepflegten Eindruck einschließlich der dort vorhandenen öffentlichen Toiletten. Aber einen Fahrkartenautomaten sucht man vergebens. Ein Anschlag weist darauf hin, dass der Ticketverkauf im Zug stattfindet, man solle sich beim Schaffner melden. Da die Zahl der an dieser Station einsteigenden Passagiere – an diesem Tag ganze fünf – sich in Grenzen hält, ist das für den Schaffner ein überschaubares Problem. Gespannt war ich auf das Verkaufsverfahren. Das funktionierte besser als erwartet. Der Kondukteur konnte mir mit seinem kleinen Handy und einem am Hosenbund befestigten Drucker in diesem Fall sogar gegen Barzahlung das Ticket ausstellen, und zwar nicht nur für die Hinfahrt, sondern auch für die Rückfahrt und einschließlich der für diesen Zug obligatorischen Sitzplatzreservierung! Von einem solchen Standard ist unsere DB, die ja alles super digitalisieren will, meilenweit entfernt. In den DB-Zügen gibt es zwischenzeitlich überhaupt keinen Ticketverkauf mehr, auch für kurz vor knapp zugestiegene Passagiere, auch in der ersten Klasse nicht. So wird man in deutschen Landen schnell zum Schwarzfahrer, wenn man es wenige Minuten vor der Abfahrt nicht schafft, sich durch die Menüführung des Ticketaustomaten durchzuquälen oder auf seinem Smartphone ein Ticket auf dem DB-Navigator zu erwerben.

Fazit: Die Ticketverkaufslösung der CP ist besonders für nicht IT-affine (ausländische) Kundschaft die eindeutig kundenfreundlichere.

Über Michael Jung

Jahrgang 1950, Dipl.-Volksw., arbeitete zuerst in einem Großkonzern der Mineralölwirtschaft und dann 28 Jahre bei einer deutschen Großbank, davon 10 Jahre lang im Bereich Finanzierung von Eisenbahn- und Nahverkehrsprojekten weltweit. Seit 8 Jahren ist er Sprecher der Bürgerinitiative Prellbock-Altona e.V., die sich für den Erhalt und Modernisierung des Fern- und Regionalbahnhofs Altona am jetzigen Standort einsetzt.

Zeige alle Beiträge von Michael Jung →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert