rail blog 374 / Joachim Holstein

Notizen aus der Provinz, Teil 3

»Ich hab‘ mein Anschlusszug in Heidelberg verloren …«

Im August war ich privat nach Heidelberg unterwegs und hatte mir extra einen ICE herausgesucht, der mich umsteigefrei von Hamburg aus dort hinbringen würde: in Tagesrandlagen erweist die DB der Touristenhochburg und Universitätsstadt die Ehre, ohne Umsteigen in Frankfurt, Mannheim oder Karlsruhe erreicht werden zu können.

Als erstes kam der Hinweis, dass die Entladung von Fahrrädern in Heidelberg nicht möglich sei. Ich dachte »Huch, wieso das? Ist der Bahnsteig geschrumpft?«, aber dann kam die Auflösung: Der Zug würde wegen einer Signalstörung in Heidelberg von Mannheim aus sofort auf die Schnellstrecke wechseln, um Stuttgart ohne Zwischenhalt zu erreichen. Man möge auf Nahverkehrszüge ausweichen. Und so standen wir also, anstatt um 22:09 Uhr in Heidelberg einzutreffen, um diese Zeit noch in Mannheim in einer S-Bahn, die laut Ansage kurz vor Heidelberg in den Sichtfahrmodus wechseln werde, um trotz gestörten Signalen unfallfrei anzukommen.

Das schaffte sie auch – im Entenmörder-Tempo. Ich will nicht über »Blumen pflücken während der Fahrt verboten« lästern, denn Sicherheit geht vor Schnelligkeit, und wir waren alle dankbar, ohne weitere Komplikationen und Scherereien ans Ziel zu kommen.

Drei Wochen später sollte mich mein Weg wieder über Heidelberg führen, dieses Mal tagsüber auf dem Weg zur Eröffnung des Heilbronner Weindorfs. Hier stieg ich, ohne groß im Internet über die aktuelle Verkehrslage zu recherchieren, in Mannheim um 10 Uhr morgens aus dem ICE, um etwa eine halbe Stunde später mit dem RE nach Heilbronn weiterzufahren. Auf dem Regionalbahnsteig große Aufregung: Wegen eines Stellwerksausfalls in Heidelberg würden die Züge entweder warten oder umgeleitet. Kein Schienenersatzverkehr.

Ich wollte es nicht darauf ankommen lassen und zog meinen Trolley zur Überland-Tram 5, die zwischen Mannheim, Heidelberg und Weinheim immer im Dreieck fährt. Danke, Deutschland-Ticket! In Heidelberg würde ich einen Bus nach Neckargemünd nehmen, denn von dort sollte laut DB-Navigator der Zugverkehr Richtung Heilbronn wieder normal rollen.

Pustekuchen!

Die Anzeigentafel in Neckargemünd zeigte ganz andere Zeiten als die DB-App, aber zum Glück ist dieser Bahnhof mit Personal besetzt, das sogar vom Bahnsteig aus ansprechbar ist. Ich solle die App vergessen und den Zug nach Bad Rappenau nehmen, der um 12:30 Uhr abfahre, dort solle ich dann den nächsten Zug nehmen.

Ich zog es dann vor, noch etwas länger zu warten und mit dem folgenden Zug zu fahren, der mich ohne weiteres Umsteigen bis nach Heilbronn brachte. Fun fact: in genau diesen Zug wäre ich in Bad Rappenau eingestiegen, wenn ich dem Rat des Bahners gefolgt wäre.

Jedenfalls hatte ich genug Zeit, um zu recherchieren, wie ich nach Heilbronn gekommen wäre, wenn ich ab Mannheim ausgewichen wäre. Ergebnis: Ich hätte via Karlsruhe fahren müssen, das wäre eine Viertelstunde schneller gewesen.

Viel schneller wäre hingegen gewesen, wenn an Bord des ICE schon die Durchsage erfolgt wäre, dass wegen eines Stellwerksausfalls keine Züge nach Heidelberg fahren würden. Dann wer ich einfach bis Stuttgart im ICE geblieben und von dort nach Heilbronn gefahren.

Über Joachim Holstein

(*1960) arbeitete von 1996 bis 2017 als Steward in Nacht- und Autozügen der DB, war von 2006 bis zur Einstellung dieser Verkehre Betriebsrat der DB European Railservice GmbH und zuletzt Sprecher des Wirtschaftsausschusses. Mitbegründer der Initiative zur Rettung des Nachtzuges Hamburg-Paris (2008; »Wir wollen nach Paris und nicht an die Börse«) und des europäischen Netzwerks für Nachtzüge »Back on Track« (2015; https://back-on-track.eu/de/); Weiteres unter www.nachtzug-bleibt.eu

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