Bahn-Misere erfordert enge Zusammenarbeit der Bahn-Initiativen

Bericht zur Stuttgarter Konferenz „Klimabahn statt Betonbahn“

Die ersten Ideen für eine „Klimabahn-Konferenz“ gab es bereits im November 2021, damals noch im Rahmen des Bündnisses „Bahn für Alle“. Ursprünglich war daran gedacht, eine solche Konferenz mit der 600. Montags-Demo gegen Stuttgart 21 zu verbinden. Daraus wurde dann nichts – weil diese „Nr. 600“ bereits im Februar war und die Vorbereitungen für die Konferenz sich viel länger hinzogen.

Parallel zu den Diskussionen über eine solche Konferenz kam es zu Versuchen, die Arbeit verschiedener bestehender „Pro-Schiene“-Bürgerinitiativen zu vernetzen. Ausgangspunkt war da zunächst einerseits der Süden der Republik. Daraus erwuchs, nach zahlreichen „Zoom“-Treffen, das Bündnis ABBD – Aktionsbündnis Bahn Bürgerinitiativen Deutschland. Es wurde offiziell im März 2022 gegründet. Inzwischen gibt es eine Website und gemeinsame Ziele und Vorhaben. Und es gab, vom Norden – von Prellbock Altona – ausgehend – erste engere Kontakte zum Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21. So nahm der Gedanke einer Klimabahn-Konferenz im Januar 2022 konkrete Umrisse an.

Es gab ein Vorbereitungsteam. In diesem waren unter anderem aktiv: Mitglieder aus dem Stuttgarter S21 Bündnis, von Prellbock Altona, aus der BI-Gruppe gegen die Fehmarn-Belt Querung und zahlreiche einzelne Bahnexperten, vor allem aus der Gruppe Bürgerbahn statt Börsenbahn – BsB.

Anfang 2022 zeichnete sich ab, dass eine Mehrheit im Bündnis „Bahn für Alle“ das Projekt „Klimakonferenz“ nicht mittragen wollte. Die dagegen vorgetragenen Gründe waren vage („Konferenzen haben keine Wirkung“ etc.). Diese Mehrheit beschloss auch, die Zusammenarbeit mit dem Autor und Regisseur Klaus Gietinger zu beenden. Dieser hatte – damals noch im Rahmen von „Bahn für Alle“ – im Sommer 2021 einen ersten Klima-Bahn-Film gedreht, hier zum Thema S-Bahn Berlin („Eine S-Bahn für alle“). Geplant war von vornherein, dass Klaus eine Reihe solcher KlimaBahn-Filme mit jeweils regionalem Schwerpunkt erstellt. Daraus soll am Ende ein neuer Film zur Situation der Bahn heute und zur Alternative einer Klimabahn entstehen. Die Initiator*Innen für die Stuttgarter Klimabahnkonferenz baten Klaus Gietinger von vornherein, für diese Tagung den zweiten Klimabahnfilm zu erstellen, dann mit Schwerpunkt Stuttgart 21. Das erschien (und war!) enorm ehrgeizig: In fünf Monaten diesen zweiten Klimabahnfilm fertig zu drehen und ihn in Stuttgart als Premiere vorzuführen. Und es hat geklappt (siehe Bericht in diesem Heft).

Nach dem Ausstieg von „Bahn für Alle“ waren im Konferenz-Team die Monate Januar bis März 2022 geprägt von:

• vielen Ideen für die Inhalte der Tagung

• einer am Ende guten Terminfindung

• mit Diskussionen zu den Fragen: Wer soll kommen? Wer wird was vortragen?

• Wie wird die Konferenz ablaufen? Und: Wie finanzieren wir diese Konferenz?

Und schließlich stellte sich, nach dem Ausscheiden von „Bahn für Alle“, die Frage: Wer trägt die Konferenz?

All diese und weitere Fragen haben wir dann in diesem Vorbereitungs-Komitee gemeinsam erörtert. Dabei gab es keine Konferenzprofis. Alle Vorbereitungen wurden komplett ehrenamtlich durchgeführt.

Und es gab zwei wichtige Aktivitäten im Vorfeld der Konferenz:

Ein erstes Highlight war die Vorstellung des neuen, 88 Seiten umfassenden „Alternativen Geschäftsbericht Deutsche Bahn“. Es ist der vierzehnte in Folge. Er wurde am 30. März 2022 auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt, unter dem Schirm der GDL und in deren Berliner Räumlichkeiten. Er ist weiterhin abrufbar auf den Webseiten von Prellbock-Altona und Klimabahn (siehe unten).

Tags darauf, am 1. April 2022, gab es eine „KlimaBahn-Zeitung“ in Form einer vierseitigen Beilage in der taz. In dieser wurde bereits für die Klimabahn-Konferenz Mitte Mai geworben.

Das Thema der Konferenz am 14. und 15. Mai 2022 war in starkem Maß von der aktuellen Misere der Bahn einerseits und den Aktivitäten der verschiedenen Bahn-Initiativen andererseits geprägt. Der Konferenz-Titel „Klimabahn statt Betonbahn“ war so schnell gefunden. Aber auch andere Themen wollten wir behandeln:

• der Deutschlandtakt und seine Folgen.

• die grundsätzliche Fahrplanorientierung „Takt vor Tempo“

• die kritische Bilanz der Großprojekte Stuttgart 21, Verlegung des jetzigen Kopfbahnhofs Hamburg-Altona nach Diebsteich, die neue Hochgeschwindigkeitsstrecke Hannover-Rosenheim, der geplante Fernbahntunnel Frankfurt und die Schienen-Fehmarn-Belt Querung.

Und nicht zuletzt sollten die mehr als 150.000 Bahnbeschäftigten Thema sein. Das wurde auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass wir als Veranstaltungsort das DGB-Haus in Stuttgart anmieten konnten und dass dann die Konferenz auch mit einem Beitrag der DGB-Regionalverantwortlichen eröffnet wurde. Dazu passte ausgezeichnet, dass am ersten Konferenztag ein Vertreter der GDL zu Wort kam.

Lange Diskussionen gab es zur Frage, ob wir offizielle Vertreter*Innen des Bahnvorstands und solche aus der Verkehrspolitik einladen sollen. Schließlich befand sich zu diesem Zeitpunkt der damalige DB-Vorstand unter Richard Lutz in einer Umbruchphase: Infrastruktur Vorstand Roland Pofalla und der Aufsichtsratsvorsitzende Odenwald hatten gerade ihre Jobs hingeschmissen; ein neuer Bundesverkehrsminister hatte sein Amt angetreten. Zur Podiumsdiskussion eingeladen wurde dann der neue Bahnbeauftragten Michael Theurer, auch weil er aus der Region, aus Horb/Neckar, stammt und dort lange Zeit OB war. Wir erhielten eine Absage.

Die Konferenz hatte am ersten Tag die beiden Highlights: Zum Auftakt eine Kundgebung vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof und am Abend die Premiere des neuen und zweiten Klimabahnfilms „Stuttgart 21 – Das trojanische Pferd“ von Klaus Gietinger. Klaus hatte buchstäblich in der Nacht zum 14. Mai die letzten Schnittarbeiten an der Rohfassung des Films gemacht. Die Kundgebung war eher mäßig besucht; dazu mag das Timing (Samstag, 13 Uhr) beigetragen haben. Auf der Konferenz selbst zählten wir im Schnitt deutlich mehr als 100 Gäste, insgesamt wurde sie wohl von rund 200 Leuten frequentiert. Mit dieser Besucherzahl waren wir zufrieden. Die Referate und Diskussionen des ersten Konferenztags sind in dieser Publikation alle wiedergegeben. Am zweiten Tag standen die Arbeitsgruppen im Mittelpunkt. Die Diskussionen waren bestimmt von der Schlussfrage: „Wie weiter?“ „Was brauchen wir in den nächsten Monaten in Deutschland an Impulsen für eine starke und gute und klimagerechte Schiene?“ Ein Ereignisse schob sich schnell in den Vordergrund: Das im Mai bereits beschlossene, sensationelle bundesweite 9-Euro-Ticket für alle Regionalbahnfahrten in Deutschland. Wir konnten gar nicht so schnell gucken, da waren – gewissermaßen zum Konferenz-Auftakt – die ersten 10 Millionen Tickets gekauft.

Einig waren sich alle auf der Konferenz, dass die Arbeit der Bahninitiativen verknüpft werden muss. Dabei wollen wir mit den bestehenden neuen Ansätzen behutsam umgehen. Eine „Klimabahn-Initiative“ wurde aus der Taufe gehoben. Die mehr als zwei Jahrzehnte alte Bahnfachleutegruppe Bürgerbahn statt Börsenbahn (BsB) diskutiert ebenfalls über eine bessere Organisierung und Aktivierung. Sie war bereits Trägerin des oben erwähnten neuen Alternativen Geschäftsberichts Deutsche Bahn und der Klimabahn-Zeitung. Und als es nur zwei Wochen nach der Konferenz, am 3. Juni, zu dem tragischen Bahnunfall in Burgrain bei Garmisch-Partenkirchen kam, bildete sich aus den Reihen von BsB und Prellbock Altona ein Team, das die Unfallursachen untersuchte und – zusammen mit der GDL in München – am 26. Juli in München eine Pressekonferenz durchführte, auf der ein eingehender Untersuchungsbericht zu dem Unfall vorgelegt wurde.

Schlussbemerkung

Die umfassende Vorbereitung der Klimabahnkonferenz wurde insbesondere möglich durch das besondere Engagement von Roswitha Götz, Winfried Wolf, Tom Adler, Ernst Delle, Martin Poguntke, Werner Sauerborn, Klaus Gietinger, Hendrik Auhagen, Isabel Arendt, Benjamin Schad, Wolfgang Hesse, Andreas Müller-Goldenstedt, Michael Jung und Heino Berg. Auf der Konferenz gab es weitere zahlreiche helfende Hände, denen wir hiermit ausdrücklich danken.

Andreas Müller-Goldenstedt ist aktiv bei: Prellbock Altona e.V. und Bürgerbahn statt Börsenbahn (BsB).

Erwähnte Initiativen bzw. Informationen:

• Prellbock Altona e.V. www.prellbock-altona.de
• ABBD www.abbd.info
• Bündnis gegen S21 www.kopfbahnhof-21.de
• www.parkschuetzer.de
• www.bei-abriss-aufstand.de
• Klimabahninitiative www.klimabahninitiative.de
• Eine S-Bahn für alle / Berlin www.youtube.com/watch?v=A-cpaDsHAQw• Alternativer Geschäftsbericht 2021 einsehbar und herunterzuladen http://prellbock-altona.de/?s=alternativer+Gesch%C3%A4ftsbericht
• Pressekonferenz am 30.03.2022 zum alternativen GF-Bericht

• Pressekonferenz mit der GDL in München am 26.06.2022 zum Bahnunglück Burgrain bei Garmisch-Partenkirchenhttp://prellbock-altona.de/?s=bahnungl%C3%BCck
• Nachtzüge – Back on track https://back-on-track.eu/de/

Über Andreas Müller-Goldenstedt

ist Mitglied und im Vorstand des Umweltverband Prellbock Altona e.V. und kämpft seit 2016 für den Erhalt des Großstadtbahnhofs Altona

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