Auch in Köln geht`s ums Obenbleiben!
Rede von Rolf Beierling-Hémonet, Bündnis Verkehrswende Köln, Stadtplaner, auf der 665. Montagsdemo am 4.7.2023
Hallo liebe widerständige Alternativmobilisten aus Stuttgart,
ich überbringe euch herzliche solidarische Grüße vom Bündnis Verkehrswende Köln. Mein Name ist Rolf Beierling-Hémonet.
Ich bin Stadtplaner, der mit seinen Mitstreitern im „Bündnis Verkehrswende Köln“ für eine noch lebenswertere Stadt Köln kämpft. Wir wollen sie metaphorisch aufblühen lassen, indem wir Fehlentwicklungen stoppen und Beiträge zur effektiven, umweltfreundlichen und nachhaltigen Mobilität beisteuern.
Köln ist linksrheinisch eine halbe Zwiebel und rechtsrheinisch ein unregelmäßiger Stadtgrundriss. Also Lösungen im Linksrheinischen sind im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nicht eins zu eins ins Rechtsrheinische zu kopieren, da gehört etwas mehr Detailliebe dazu. Durch die Mitte fließt der Rhein als natürliche Barriere mit überwiegend Autobrücken.
Kurz zur eigenen Historie: Das „Bündnis Verkehrswende Köln“ hatte sich 2018 anlässlich einer weiteren U-Bahntunnelplanung gegründet, und sich in seiner Überschrift euer Motto zum Programm gemacht: „Oben bleiben“. Zuvor hatte es Köln mit seinem Nord-Süd-U-Bahntunnelbau in die bundesweiten Schlagzeilen geschafft: Durch Fahrlässigkeit beim Bau einer U-Bahnstation kam es 2014 zum Super-Gau. Das benachbarte historische Kölner Archiv stürzte ein, sowie große Teile zweier angrenzender Wohnhäuser. Es kamen zwei Anwohner zu Tode.
Baubeginn des Nord-Süd-U-Bahntunnels war 2004, und ein Ende ist nicht in Sicht. Das alles hielt die geistigen Überflieger der Stadt aber nicht davon ab, 2018 wieder ein Tunnelprojekt auf die Agenda zu setzen. Diesmal in Ost-West-Richtung durch die City für 2,7 km. Und es gibt noch weitere Tunnel-Konzeptüberlegungen der Stadt, und zwar einen 12 km langen Ringschluss vom linksrheinischen Gürtel bis zum rechtsrheinischen Bahnhof Köln-Mülheim.
Das Szenario stellt sich sehr bizarr dar. Der Nord-Süd-Tunnel, 2004 begonnen, ist noch nicht fertig – Ende offen, der 2,7 km lange Ost-West-Tunnel soll, wenn er beschlossen wird, 2040 in Betrieb gehen, und der Ringschlusstunnel, wenn er denn mal beschlossen würde, hätte vielleicht 2070 seine Eröffnung. Unsere Schlussfolgerung ist: bei mehreren Milliarden für den Nord-Süd-Tunnel, mehreren Milliarden für den Ost-West-Tunnel und zig Milliarden für den Ringschluss-Tunnel bleibt kein Geld und Personal für eine Verkehrswende, sprich Mobilitätsalternative, für das Stadtgebiet übrig.
Eine grundsätzliche Erkenntnis ist dabei wichtig: Köln hat gar keine U-Bahn. Bestenfalls eine teilweise tiefergelegte Unterpflasterstadtbahn, die mit mehreren Linien immer einen einzigen Gleiskörper teilt und sich nach den kurzen Tunnelabschnitten den Straßenraum wieder mit dem motorisierten Individualverkehr (MIV) teilen muss. Beschleunigung des ÖPNV sieht anders aus!
Für uns ist dieses Jahr der wichtigste Punkt, im Rat der Stadt Mehrheiten gegen den Tunnel und für den oberirdischen Ausbau des Schienenverkehrs zu gewinnen. Das ist schwer, aber nicht unmöglich. Dazu haben wir ein alternatives Ausbaukonzept für die Stadtbahn in Köln erarbeitet. Es ist unsere „Road-Map-Plus“. Darin zeigen wir auf, wie die Mobilität oberirdisch, mit Hilfe des schienengebunden ÖPNVs, schnell, umweltfreundlich sowie kostengünstig in der Fläche in Richtung einer Verkehrswende gestaltet werden kann.
Ja, das Rückgrat der Verkehrswende ist für uns der schienengebundene ÖPNV. Wir planen fünf neue Umweltbrücken über den Rhein, damit ein ÖPNV-Netz entstehen kann. Denn heute geht der Großteil des ÖPNVs durch die Mitte Kölns – wie ein Nadelöhr – und führt zu großen Umwegfahrten und Überlastungen in Spitzenzeiten. Die Antwort der Stadt ist ein Ost-West-Tunnel, verlängerte Stadtbahnen von 60 bis auf 90 Meter, die die Kapazitäten nicht erhöhen. Wir hingegen erreichen an der Oberfläche, bei Verbleib der 60-Meter-Züge und Bau von mehr parallelen Haltegleisen an den stark ausgelasteten Haltestellen in der City, eine Kapazitätserhöhung bis zu 66% durch Taktverdichtung. Bedingung ist der konsequente Einsatz des Instrumentenkasten der Verkehrswende, sprich die Herausnahme des MIV-Durchgangsverkehrs und der attraktive Umstieg auf den ÖPNV.
Mit unseren Vorschlägen wird die Optimierung des ÖPNVs mit einem Siebtel der Kosten und viermal schneller realisiert, abgesehen von den vermiedenen Kollateralschäden für den Einzelhandel über Jahrzehnte. So müssten auch vorhandene U-Bahnlinien in der City während der Tunnel-Bauzeit jahrelang unterbrochen werden. Im Detail ist alles in der Road-Map-Plus nachzulesen unter: www.verkehrswende.köln
Neue Mitte Köln
Das Herzstück der Verbindung des ÖPNVs mit dem Fern- und Regionalverkehr ist der Kölner Hauptbahnhof (linksrheinisch) vom Typ Durchgangsbahnhof. Der kann und sollte optimiert werden, bestenfalls mit dem 500 Meter entfernten Deutzer Bahnhof auf der rechtsrheinischen Seite. Dies ist auch von der DB geplant. Es sind an beiden Bahnhöfen zusätzliche Haltegleise für die S-Bahn geplant, die die Kapazität für alle Züge deutlich erhöhen und zukunftsfähig machen. Der Deutzer Bahnhof kann durch den längst überfälligen Einbau von Rolltreppen und Aufzügen eine starke Entlastung für den Hauptbahnhof sein. Wir unterstützen diese Pläne der DB. Bei der Hinfahrt sah ich heute noch, wie ein Rollstuhlfahrer mit seinem Helfer, Treppen rauf und runter Stufe für Stufe wuchten musste – ein Unding.
Nun denkt der Verein „Neue Mitte Köln“ ernsthaft über die Verlagerung des Hauptbahnhofs in den fünf Kilometer entfernten Stadtteil Köln-Kalk nach. Hauptbegründung ist, der Hauptbahnhof würde die City zerschneiden. Nun denkt man ja, sie schlagen das gleiche wir hier vor und reißen den 130 Jahre alten Bahnhof ab. Nein, er solle eine Kunsthalle werden und man sieht Rasen und Sonnenstühle auf den Hochbahndämmen vor.
Der Hauptbahnhof in seiner Funktion ist mitnichten ein trennendes Objekt für die City. Er hat zwei Durchgänge mit Geschäften und ist Impulsgeber für die City, sowie für die Stadt und das Umland. Aber der Geist der Flasche zeigt sich, wenn man in den Plänen sieht, dass riesige Fernbahn- und Güterbahnflächen in der Stadt zu Immobilienflächen umgewandelt werden sollen. Nicht umsonst ist der Treiber und Schöpfer des Vereins „Neue Mitte Köln“ ein Architekt namens Paul Böhm.
Das bringt uns zu der Erkenntnis, hier geht es nicht um schönen Städtebau oder Verkehrswende, hier geht es um Rendite im Immobiliensektor. Nebenbei wird der Fern- und Regionalverkehr und auch der ÖPNV in die Finsternis zurückgeworfen.
Nun ist die Idee bei der Kölner Politik bisher noch nicht auf Gegenliebe gestoßen, aber wer weiß, was hinter den Kulissen alles läuft. Der Kölner Stadtanzeiger hat leider schon öfter große Aufmachungen zugunsten des Projektes zum Besten gegeben.
Die Planungen des Vereins sehen die Zerschlagung der Fern- und Güterverkehrsanbindung von Köln vor. Zugleich generieren sie monströse Investments für die Steuerzahler in einem neuen Hauptbahnhof in Kalk, einem neuen Regionalbahnhof unter dem heutigen Hauptbahnhof mit U-Bahn und eine Menge Tunnellösungen unter dem Rhein. Nebenbei werden die ganzen Bereitstellungsflächen für Fern- und Güterverkehr in den 30 Kilometer entfernten Tagebau verlagert. Wenn das mal nicht optimiert Zeitabläufe produziert!
Soweit in Kürze von Köln.
Ich wünsche euch viel Ausdauer und Spaß im Widerstand, bleiben wir verbunden! Und sage gemäß eurem Motto: Oben Bleiben und der alte Bahnhof bleibt, wo er ist, in Funktion!