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Bahn räumt S21-Kostensteigerung auf 11.3 Mrd.€ ein

Kosten ohne Ende, Projekt ohne Ende

Toni Hofreiter muss hellseherische Fähigkeiten oder gute Infos gehabt haben, als er auf der 159. MontagsDemo 2013, während die DB noch Projektkosten von maximal, wirklich maximal, 4,5 Mrd. € einräumte, schon ankündigte, dass das Projekt 11,3 Mrd.€ erreichen und erst 2015 fertig würde. Letzteres ist die derzeit offizielle Ansage der Bahn, wobei inzwischen nur noch von Teileröffnung die Rede ist, und auch die steht noch in den Sternen.

Ersteres, die erneuten Kostensteigerungen, wurden am Rande des Mammutprozess der DB gegen ihre Projektpartner Land BaWü, Stadt Stuttgart und Angehörige um die Mitbeteiligung an den nicht gedeckten Kosten des Projekts bekannt.

Hier ein SWR Beitrag zum zweiten Prozesstag am 1.8.2023, nachstehend  ein Bericht der Stuttgarter Zeitung sowie meine Twitter-Kommentare.

Stuttgarter Zeitung 2.8.2023

S 21: DB will bis zu 4,7 Milliarden vom Land

Konstantin Schwarz

Die Deutsche Bahn hat ihre Forderung auf Drängen des Verwaltungsgerichts (VG) konkretisiert. Das Gericht lässt die Klage auf eine Anpassung des Finanzierungsvertrags zu, will über die Höhe aber nicht entscheiden – und ohne Freigabe des S-21-Lenkungskreises gebe es kein Geld.

Stuttgart. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat sich am Dienstag sechs Stunden mit der Forderung der Deutschen Bahn AG nach der weiteren Kostenbeteiligung der Stuttgart-21-Partner an dem finanziell aus dem Ruder gelaufenen Projekt beschäftigt. Sie will den Finanzierungsvertrag aus dem Jahr 2009 entsprechend angepasst haben. Die 13. Kammer unter dem Vorsitz von Richter Wolfgang Kern setzt weitere Verhandlungstage an, zunächst für Ende September.

Klargemacht hat Kern, dass er der Argumentation von Land, Stadt und Region Stuttgart und dem Flughafen, die Klage aus Verjährungsgründen abzuweisen, nicht folgen wird. Den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist sieht er in dem Zeitpunkt, als Bahn und Land 2013 Gespräche im Rahmen der Sprechklausel begannen, die Klage wurde von der Bahn AG und ihren diversen Tochterunternehmen Ende 2016 eingereicht.

Sowohl das Feststellungsbegehren als auch das Leistungsbegehren der Bahn AG seien zulässig, so Kern, die Klagen damit statthaft, das sei zumindest „unser vorläufiger Stand“, so Kern. Land, Stadt und Region Stuttgart und der Flughafen hatten beantragt, die Klage abzuweisen. Der Vorstand der Bahn AG habe schon 2012 „sichere Kenntnis davon gehabt“, dass es teurer würde, so Winfried Porsch, der zusammen mit dem Anwalt für das Land, Henning Berger, auf Verjährung pochte.

Was die Sprechklausel aus dem Finanzierungsvertrag des zunächst auf 4,5 Milliarden Euro taxierten Projekts regelt, ist strittig. Nur Gespräche oder Verhandlungen als Vorstufe zu einer Vertragsergänzung, wie es Ulrich Quack, der Anwalt für die Bahn sieht? Von der Klausel sehen sich Stadt, Region und Flughafen nicht direkt betroffen, weil in ihr explizit nur Land und der Bahn genannt sind. Man wolle sich die Vertragsanbahnung noch anschauen, so Kern.

Bereits am ersten Verhandlungstag vor drei Monaten hatte das Gericht von der Bahn gefordert, eine Summe für S 21 zu nennen, eine unbegrenzte Forderung könne es nicht geben. Bahn-Anwalt Ulrich Quack nannte nun 11,326 Milliarden Euro. Sie bildet sich aus der wiederkehrenden Abfolge von Finanzierungsbestandteilen. Quack sprach von einer „Kaskadenregelung“. Zur Absicherung eines Risikos von 1,5 Milliarden Euro hatten die Projektpartner im Vertrag vereinbart, dass die Bahn 220, die Partner dann 780, die Bahn 290 und Partner dann 160 Millionen übernehmen. Das soll sich nun stetig wiederholen, aber bis zur Summe von maximal 11,776 Milliarden Euro. Kern riet zu einer vollständigen Kaskade. Quack stimmte zu. Damit würde das Land im Extremfall mit 4,7 Milliarden mehr nachzahlen müssen, als das Projekt samt Risikopuffer kosten sollte.

„Wir reden über abstrakte, nicht konkrete Mehrkosten?“, so der Richter. „Ja“, sagte Quack. Das Gericht würde es begrüßen, „wenn Sie langsam abschätzen können, wo die Kosten von Stuttgart 21 rauskommen“, sagte Kern weiter. Er habe „schon verstanden, dass man aus optischen Gründen nicht von so hohen Kosten reden will“.

Für die Kammer seien die Kosten letztlich aber gar nicht wichtig, auch nicht die Frage, wer Schuld an höheren Kosten trage. Das Verwaltungsgericht prüfe nur, ob die Bahn den Anspruch auf Vertragsanpassung habe. Das Gericht könne die Anspruchsgrundlage schaffen. Segne der S-21-Lenkungskreis, in dem alle Partner sitzen, die Mehrkosten nicht ab, „müssen sie gar nichts bezahlen“, so Kern zum Anwalt des Landes. Weigere sich der Lenkungskreis, könne die Bahn Zahlungsklage einreichen. Henning Berger für das Land sieht das anders: „Die Kosten können nicht weggedacht werden.“ Auch Porsch sagte, der Anspruchsgrund könne nicht von der Höhe getrennt werden. Man habe offenbar sehr unterschiedliche Erwartungen an das Verfahren, so Kern.

Aktuell ist Stuttgart 21 bis zum sogenannten Gesamtwertumfang von 9,15 Milliarden Euro finanziert. Der Aufsichtsrat der Bahn AG hat einen Rahmen von 9,8 Milliarden genehmigt, die Differenz ist für das Projekt noch nicht freigegeben worden. Tiefbahnhof und Tunnelstrecken sollen im Dezember 2025 in Betrieb gehen. Das wird allerdings schrittweise geschehen, da nicht alle Teile bis dahin fertiggestellt sein werden.

Über Werner Sauerborn

Dr. rer. soc. *1949, Geschäftsführer des Aktionsbündnis gegen Stuttgart21, dort Vertreter der „Gewerkschafter*innen gegen Stuttgart 21“. Zuvor wiss. Mitarbeiter FU Berlin, Otto-Suhr-Institut, Forschung zur Privatisierung Öffentlicher Dienstleistungen, Gewerkschaftssekretär bei ötv bzw. ver.di im Bereich Politik und Planung

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