Das Ermächtigungsgesetz der Beton- und Tunnelbohr-Mafia

Pressemitteilung von Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schiene

zum Entwurf des „Gesetzes zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/1187 zur Straffung der Maßnahmen zur rascheren Verwirklichung des transeuropäischen Verkehrsnetzes“

Das Gesetz orientiert sich weitgehend an dem LNG-Beschleunigungsgesetz, welches unter dem Eindruck des Ukrainekrieges zur Sicherstellung der deutschen Gasversorgung de facto die demokratischen Mitwirkungsrechte von Umweltverbänden, aber auch Kommunen, Anliegern und den sonstigen Trägern öffentlicher Belange drastisch einschränkt, ja de facto abschafft. Durch das Gesetz wird ein Bündel bestehender Gesetze durch die Umformulierung einzelner Passagen und z.T. nur einzelner Worte in ihrer Grundsubstanz geändert. Das betrifft alle Verkehrssektoren Bahn, Straße, Luftverkehr/Flughafenausbau und Wasserwege gleichermaßen.

Wesentliche Einschränkungen der Mitwirkungsrechte resultieren aus folgenden Änderungen im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) bzw. den korrespondierenden Gesetzen für die anderen Verkehrssektoren:

  • Eine öffentliche Auslegung der Planfeststellungsunterlagen in Papierform entfällt. Begründet wird dies „mit der Einsprung von Druckkosten“! Einfach lächerlich.
  • Alle Einwände und deren Beantwortung soll nur noch digital erfolgen.
  • Die Anhörungsbehörde kann auf eine Erörterung nach § 73 Absatz 6 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und § 18 Absatz 1 Satz 4 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung verzichten. Soll ein ausgelegter Plan geändert werden, so soll von der Erörterung im Sinne des § 73 Absatz 6 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und des § 18 Absatz 1 Satz 4 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung abgesehen werden.
  • Und wenn es Anhörungen gibt, sollen die nur noch in digitaler Form stattfinden. Damit wird eine offene Diskussion mit Kritikern eines Projektes de facto ausgeschaltet. Begründet wird dies damit, dass die Bürger Zeit- und Wegekosten sparen, wenn sie nicht zu einer Anhörung müssen. Diese Argumentation ist schon ein Witz an sich.
  • Die Fristen für Einwendungen werden drastisch verkürzt, z.T. bis auf 14 Tage. Die Frist für die Einreichung der Klagebegründung nach Erhebung der Klage entfällt, d.h. einen Monat nach Veröffentlichung des Planfeststellungsbeschlusses muss die Klage einschließlich Begründung bei Gericht sein. Das bedeutet de facto die Abschneidung des Rechtsweges für Kritiker eines Projektes.
  • Dokumente gelten mit Ablauf der Offenlegungsfrist als zugestellt, d.h. Zustellung, Auslegung und Bekanntmachung der Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung erfolgt dadurch, dass die Entscheidung mit einer Rechtsbehelfsbelehrung und dem festgestellten Plan für zwei Wochen auf der Internetseite der Planfeststellungsbehörde veröffentlicht wird.
  • Beruht ein Projekt auf falschen Verkehrsprognosen, so besteht keine Möglichkeit, das Projekt zu stoppen: „Ändert sich die prognostizierte Verkehrsentwicklung nach der öffentlichen Bekanntmachung der Auslegung und werden hierdurch die in Absatz 1 Satz 2 genannten Immissionsgrenzwerte oder erstmalig die in Absatz 1 Satz 3 genannten Immissionsgrenzwerte überschritten, kann das Verfahren auf Verlangen des Trägers des Vorhabens vorbehaltlich der Entscheidung zur Lärmvorsorge mit der bei Einreichung des Plans prognostizierten Verkehrsentwicklung zu Ende geführt werden“.
  • Generell wird das Recht auf „vorzeitige Besitzeinweisung“ sowie die Ausweitung von Duldungspflichten festgeschrieben; d.h. bevor es einen rechtmäßigen und vollziehbaren Planfeststellungsbeschluss gibt, können Grundstücke enteignet werden und vorbereitende Baumaßnahmen erfolgen.
  • „Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr wird ermächtigt, (…) durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates (…) die vorermittelten Abschnitte des Kernnetzes und die Kernnetzkorridore nach der Richtlinie (EU) 2021/1187 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7. Juli 2021 über die Straffung von Maßnahmen zur rascheren Verwirklichung des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) festzulegen.“ Dem folgt eine 86 Positionen umfassende Auflistung von Eisenbahnstrecken in Deutschland, die zu den Kernnetzkorridoren gehören. Sie umfasst de facto alle deutschen Eisenbahnhauptstrecken.
  • Das Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSchWAG) erhält einen neuen Absatz: „Der Bau oder die Änderung eines Bundesschienenweges, der fest disponiert ist oder für den der Bedarfsplan einen Vordringlichen Bedarf feststellt, liegt im überragenden öffentlichen Interesse.“ Dann folgt eine lange Liste entsprechender Projekte. Mit der gesetzlichen Feststellung des vordinglichen Bedarfes wird dann die Einschränkung der Beteiligungsmöglichkeiten an dem Planungsverfahren legitimiert.
  • Wie nicht anders zu erwarten wird das Gesetz als „alternativlos“ dargestellt.

Das Gesetz enthält auf über 20 Seiten detaillierte Bahnbauprojekte, die jetzt alle dem Ermächtigungsplanverfahren unterliegen. Darunter sind mehrheitlich sehr sinnvolle Projekte, die sich mit geringem finanziellem Aufwand zügig durchführen lassen sollten. Aber dazwischen versteckt sind dann auch die 300km/h- Neubaustreckenprojekte und auch die Milliarden teuren Tunnelbauvorhaben, wie der Verbindungsbahnentlastungstunnel und der Pfaffensteigtunnel zur „Ertüchtigung“ von Stuttgart 21. Diese Liste ist als Einladung an die Beton- und Tunnelbohrmafia zu werten. Die pure Auflistung dieser Projekte ohne eine zeitliche Kategorisierung und Indikationen, was diese Projekte kosten sollen, machen sie für die künftige Infrastrukturplanung wertlos.

Sinnvolle Planungsvereinfachungen bei kleineren Vorhaben, wie etwa den Wegfall  von förmlichen Planfeststellungsverfahren für z.B. Streckenelektrifizierung, Aufbau von Lärmschutzwänden, Einbau von Überleitweichen, Ausweichstrecken und Verlängerung von Bahnsteigen etc., will die die Bundesregierung nur prüfen. Aber genau das sind die Probleme, die eine schnelle Reaktivierung /Modernisierung von Bahnstrecken behindern.

Mit der Ausschaltung demokratischer Beteiligungsrechte von Umwelt- und Fahrgastverbänden kommen nicht zwangsläufig bessere Bahnprojekte zustande. Die Verzögerungen bei vielen Projekte hat sich die DB mit ihrer riesigen internen Planungsbürokratie und dem Abstimmungsbedarf zwischen den drei Infrastrukturgesellschaften (DB-Netz, DB Station&Service, DB Energie) selber zuzuschreiben, die Infrastrukturprojekte nach ihrem eigenen Ermessen priorisiert und keine Rücksicht auf die Verkehrsbedürfnisse in der Fläche nimmt. Die Konzentration auf Hochgeschwindigkeitskernnetze ist der falsche Ansatz, um die Bahn zum prioritären Verkehrsmittel unter den Aspekten des Klimawandels auszubauen.

Dazu Heiner Monheim, Sprecher von Bürgerbahn
„Nicht die Menge des verausgabten Geldes macht ein gutes Bahnprojekt, sondern ob es den Fahrgästen nutzt oder nicht. Dazu zählen nicht Tunnelbauorgien und Höchstgeschwindigkeitsstrecken, die gegen den berechtigten Widerstand der Bürger mit dem Ermächtigungsgesetz durchgepeitscht werden sollen. Ein bürgerfreundlicher Bahnausbau geht nur mit Beteiligung der Bürger und beginnt mit kleinteiligen Maßnahmen, deren Nutzen jeder einsieht und der schnell fühlbare Verbesserungen für die Bahnreisenden bringt.“

Heiner Monheim
Sprecher von Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schiene
info@Buergerbahn.de
https://buergerbahn-denkfabrik.org


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Erläuterungen von Peter Schönberger

26.07.2023
Liebe Leute,

anbei im Anhang ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vom Mai 2023, der zwischenzeitlich an den Verkehrsausschuss des Bundestages zur Beratung weitergeleitet wurde.

Anders als der Titel des Gesetzentwurfs vermuten lässt, geht der Inhalt weit über verfahrenstechnische Fragen hinaus.

Vorgesehen ist darin auch eine Änderung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes, mit der „sämtliche für die Umsetzung des Deutschlandtakts konkret erforderlichen Maßnahmen“ beschlossen werden sollen. Wenn ich es richtig verstehe, werden damit alle von den Deutschlandtakt-Gutachtern empfohlenen Maßnahmen en bloc ins Gesetz aufgenommen, unter anderem auch der VET.

Wenn das im Bundestag so durchgeht, ist das Werben für möglicherweise sinnvollere Alternativen vergebliche Mühe, man wird uns dann immer das Gesetz vor die Nase halten.

Hinweisen wollte ich auch noch auf die Weigerung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, im Zusammenhang mit dem VET einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten zu beantworten.

Der Antrag findet sich hier:

https://fragdenstaat.de/a/274230

Darin habe ich Zugang zur Korrespondenz beantragt, die das BMDV seit 2019 mit der Freien und Hansestadt Hamburg und der Deutschen Bahn AG bezüglich des VET geführt hat, einschließlich der Schreiben, in denen die mögliche Finanzierung des Vorhabens erörtert wird.

Den Antrag habe ich bereits Ende März gestellt. Normalerweise ist die Bearbeitungsfrist hierfür ein, maximal zwei Monate. In diesem Fall tut das Ministerium so, als ob der Antrag überhaupt nicht gestellt wäre. Es gibt keinerlei Reaktion darauf. Auch der Schienenverkehrsbeauftragte der Bundesregierung, FDP-Staatssekretär Theurer stellt sich taub:

https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/michael-theurer/fragen-antworten/warum-antwortet-das-bundesministerium-fuer-digitales-und-verkehr-nicht-auf-meinen-antrag-auf-zugang-zu

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