Problem hausgemacht: Die DB und ihre Aufzüge
Die Deutsche Bahn (DB) scheint ihren Katalog der Verspätungsausreden erweitert zu haben. Neulich hieß es: „Verspätung wegen Hilfe beim Ein- und Aussteigen“. Klar, ein mobilitätseingeschränkter Passagier, der wegen mangelnder Barrierefreiheit vieler DB Einrichtungen Hilfe beim Einsteigen benötigt, kann zu „Fahrplanabweichungen“, sprich vulgär Verspätungen, führen. Seit Änderung der Entschädigungsrichtlinien für Fahrgelderstattungen unterscheidet die DB sorgfältig danach, was ihr Verschulden ist – dafür muss sie entschädigen – und was „höhere Gewalt“ ist, dafür muss die DB seit jüngstem keine Entschädigungen mehr leisten. In Klartext: Zugverspätungen durch Winterwetter, Sturm und Hagel sowie Suizide sind nicht mehr entschädigungspflichtig.
Damit hofft die DB, die hohen Entschädigungszahlungen (93 Mio. Euro in 2022) nachhaltig zu reduzieren. Daher kam der DB die Änderung der EU-Fahrgastrichtlinien, Anfang 2023, die diesen Unterschied eingeführt hat, sehr zupass. Vermutlich hat die DB durch ihre Lobbyisten in Brüssel maßgeblichen Einfluss auf die Änderung dieser Richtlinie genommen. Und zu vermuten ist, dass die DB „Hilfe beim Ein- und Aussteigen“ auch gerne der Kategorie „höhere Gewalt“ zurechnen möchte, denn das Auftauchen mobilitätseingeschränkter Passagiere unterliegt ja nicht der Kontrolle der DB.
Oder doch? Indem diese, durch nicht funktionierende Aufzüge, nicht rechtzeitig zur Abfahrt des Zuges am Bahnsteig sind? Eine Grauzone mit viel Interpretationsspielraum.
Denn die häufig nicht funktionierenden Aufzüge in deutschen Bahnhöfen sind ein ständiges Ärgernis, und da die DB bei der Sanierung von Bahnhöfen voll auf Aufzüge und nicht wie die SBB auf simple und preiswerte Rampen setzt, liegt das genau in der Verantwortung der DB.
Und die fängt beim Design und Bau der Aufzüge an. Schon allein die Bedienpaneele und deren Beschriftung sind bei jedem Aufzug anders. Mal ist die Bahnsteigebene 0 und der Durchgang -1, mal ist der Durchgang 0 und die Bahnsteigebene +1. Wer soll das verstehen? Mal gibt es separate Knöpfe für auf- und abwärts Fahrt, bei anderen wiederum nur einen. Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Beim Bau der Aufzüge greift die DB wieder voll in die Technikkiste, man könnte auch andersherum sagen „over engineered“. So fällt i.d.R. die Wahl auf hydraulisch betriebene Aufzüge und fast jeder Bahnhof hat eine andere Aufzugbauart von einem anderen Hersteller. Durch die geringe Standardisierung fehlen häufig Ersatzteile, und manchmal sind Aufzüge eben wegen dieser fehlenden Teile über Monate stillgelegt. Der hydraulische Antrieb sorgt zudem dafür, dass die Aufzüge extrem langsam sind. Zudem sind die Aufzüge in der Regel viel zu klein, es passen da gerade einmal zwei Rollatoren oder Kinderwagen und häufig nur ein Fahrrad rein. Der Bedarf ist aber angesichts der schnell zunehmenden Zahl mobilitätseingeschränkter Passagiere viel größer. So muss in der Regel der Aufzug fünfmal rauf- und runterfahren, um die Passagiere mit viel Gepäck, Kinderwagen, Rollatoren oder Fahrrädern eines ankommenden Zuges zu transportieren. Sind die Umsteigezeiten knapp bemessen, kann man angesichts der ungenügenden Aufzuginfrastruktur sicher sein, den Anschluss zu verpassen. Oder man quält sich mit dem Gepäck oder dem Fahrrad über die Treppen. Aber das ist nicht ungefährlich und für Rollifahrer keine Option.
Da die DB mit Sicherheit einer der größten Aufzugbetreiber in Deutschland ist, sollte sie in der Lage sein, entweder die benötigten Aufzüge nach einem Standarddesign in ihren Werkstätten selber zu fertigen, oder sie sollte einen solchen Einfluss auf die Hersteller nehmen, dass ein robuster, Vandalismus-resistenter, standardisierter Aufzug entwickelt wird – und nicht eine teure Maßanfertigung für jeden Bahnhof gebaut wird. Über die Kosten der Aufzüge, ihres Betriebes und ihrer Wartung, sowie ihre Verfügbarkeit schweigt die DB sich wie üblich aus. Aber der Verbesserungsbedarf bei den Aufzügen ist enorm und die Zeit drängt.