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Aufschlussreiche Erkenntnisse: Wie die Deutsche Bahn (DB) ihre Kunden kategorisiert

In einer Präsentation für die Hamburger Politik zum barrierefreien Ausbau der S-Bahnstationen in Hamburg spricht die DB offen, unverblümt und abfällig über mobilitätseingeschränkte Fahrgäste als PRMs (persons with reduced mobility). Auch wenn dieser Begriff angeblich aus einer EU-Verordnung stammt, zeigt die Anwendung dieses Terminus in einer öffentlich zugänglichen Präsentation der DB deutlich, was die DB von dieser Personengruppe hält: Sie sind ein ärgerlicher, kostentreibender Faktor, den man leider heute nicht mehr ignorieren kann und für den man zusätzliche Einrichtungen vorhalten, bauen, betreiben und auch warten muss.

Die Benutzung dieses für den Außenstehenden diskriminierenden Begriffs PRM scheint wie aus der untersten Schublade schlimmsten Bürokratendeutsches geholt.

In der DB-Terminologie werden diese Bahnreisenden in „7 PRM-Nutzer-Gruppen“ unterteilt:
1. Reisende als Rollstuhlfahrer und Menschen mit Gehbehinderung
2. Reisende mit Kindern/Kinderwagen und kleinwüchsige Menschen
3. Menschen mit Sehbehinderung
4. Blinde Menschen
5. Menschen mit Hörbehinderung
6. Gehörlose Menschen
7. Reisende mit eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit.

Allein schon diese Kategorisierung zeigt den ganzen Zynismus der DB-Bürokraten.

Aber schlimmer noch: sie zeigt auch, dass die DB nichts, rein gar nichts von den Bedürfnissen und Problemen ihrer Reisenden verstanden hat, die auch letztendlich ihre Probleme sind. Denn Aufzüge, Rampen und Fahrtreppen in den Bahnhöfen brauchen, in einer älter werdenden Gesellschaft, gerade Reisende mit viel Gepäck oder solche, denen Treppensteigen schwerfällt. Zudem werden gerade die Aufzüge stark und zunehmend von Radfahrern genutzt. Denn ein E-Bike – wohlmöglich noch mit Gepäck beladen – trägt auch ein sportlicher Radfahrer nicht mal so eben eine steile Treppe nach oben.

Da diese beiden Gruppen – Radfahrer und Reisende mit großem Gepäck – in der DB-Terminologie von PRMs nicht auftauchen, werden deren Bedürfnisse bei der Planung und dem Bau von Aufzuganlagen, Fahrtreppen usw. nicht berücksichtigt. Konsequenz dieses Unverständnisses der DB-Bürokraten ist, dass die eingebauten oder geplanten Aufzüge viel zu klein dimensioniert sind – häufig passt nur ein Fahrrad, ein Rollstuhl oder ein Kinderwagen rein – und sich Schlangen vor den – dummerweise auch noch viel zu langsam fahrenden – Aufzügen bilden, die am Ende das Umsteigen massiv erschweren, zu verpassten Anschlüssen und häufig auch zu Verspätungen führen.

Wenn Barrierefreiheit wirklich ernstgemeint ist, muss die Politik die DB verpflichten, in ihren internen Arbeitsanweisungen die Definition der Reisenden, für die barrierefreie Zugänge zu den Bahnanlagen zwingend erforderlich sind, den aktuellen Bedürfnissen ihrer Kunden anzupassen und ihre technischen Regelwerke für den barrierefreien Ausbau entsprechend zu ändern. Dies gilt umso mehr, wenn das politisch vorgegeben Ziel, bis 2030 die Fahrgastzahlen im Fern- und Nahverkehr zu verdoppeln auch wirklich ernstgemeint ist. Ein reibungsloser Fluss aller Fahrgäste von und zu den Bahnsteigen trägt letztendlich auch zur Erhöhung der Pünktlichkeit bei und sollte daher auch im ureigensten Interesse der DB liegen. Aber haben die DB-Oberen die Bedürfnisse des Marktes verstanden? Ich befürchte leider nein.

Über Michael Jung

Jahrgang 1950, Dipl.-Volksw., arbeitete zuerst in einem Großkonzern der Mineralölwirtschaft und dann 28 Jahre bei einer deutschen Großbank, davon 10 Jahre lang im Bereich Finanzierung von Eisenbahn- und Nahverkehrsprojekten weltweit. Seit 8 Jahren ist er Sprecher der Bürgerinitiative Prellbock-Altona e.V., die sich für den Erhalt und Modernisierung des Fern- und Regionalbahnhofs Altona am jetzigen Standort einsetzt.

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