Das traurige Ende des Deutschlandtaktes
Seit Jahren versprochen, hofften alle, dass der Deutschlandtakt (D-Takt) bis 2030 flächendeckend auf den Hauptstrecken ein 30-minütiges Zugangebot mit gesicherten Umsteigebeziehungen zur Verfügung stellen würde. Damit verbunden war das Ziel, im Fernverkehr 2030 doppelt so viele Passagiere wie heute zu transportieren. Dem D-Takt sollte das Prinzip zu Grunde liegen, erst der Fahrplan, dann die Investitionen.
Spätestens, nachdem die Ergebnisse der Untersuchungen zum D-Takt-Fahrplan – der sog 3. Zielfahrplanentwurf (3.ZFpE) – vorlagen, mehrten sich die Zweifel. Alles was Rang und Namen im Bahnconsultingbereich hatte, darunter auch die Haus- und Hofgutachter der DB, die Firma SMA, wirkten an dem Zielfahrplanentwurf mit. Interessanterweise waren in dem erlauchten Gremium zum 3. ZFpE auch die Fahrgastverbände VCD und Pro Bahn dabei, die die Ergebnisse der Gutachten unkritisch absegneten. Heraus kam die bekannte 181er Liste mit Investitionsprojekten im Gesamtumfang von rd. 70 Mrd. Euro. Darunter viele kleinere sinnvolle Maßnahmen, bei denen man sich wunderte, dass sie noch immer nicht umgesetzt wurden.
Aber in der Liste tauchten dann – versteckt unter den Kleinprojekten – unversehens gigantische 300 km/h Hochgeschwindigkeitsneubaustrecken auf, die angeblich notwendig seien, um den D-Takt zu realisieren. Dazu zählten die HGV-Neubaustrecken Hannover-Bielefeld, Hamburg-Hannover, Würzburg-Nürnberg, Frankfurt-Mannheim und der Fernbahntunnel quer unter der Innenstadt von Frankfurt sowie der sogenannten Verbindungsbahnentlastungstunnel für die S-Bahn quer durch die Hamburger Innenstadt. Zusätzlich umfasste das Bauprojekt die Ertüchtigung der Strecke Hamm-Bielefeld sowie Hannover–Berlin auf 300 km/h. Die Liste der Megaprojekte las sich wie ein Wunschzettel der Betonmafia und Tunnelbohrmaschinenhersteller. Jeder auch nur halbwegs mit Bahnprojekten vertraute Mensch, der die Liste genauer ansah, wusste, dass diese Projekte niemals bis 2030 zu realisieren oder auch nur zu finanzieren seien. Sukzessive wurde klar, als diese Projektliste eher dazu gedacht war, den D-Takt zu verhindern, als dazu, dieses an sich sinnvolle, Projekt voranzutreiben. Bürgerbahn – Denkfabrik, hier insbesondre Prof. Wolfgang Hesse hatte schon frühzeitig auf die Fehlkonzeption der Mega-Projekte hingewiesen und Alternativen entwickelt, aber diese Kritik wurde vom Tisch gewischt. Leider sind VCD und Pro Bahn voll in das D-Takt Verhinderungsprogramm eingebunden und engagieren sich z.B. vehement für die HGV-Stecke Hamburg-Hannover.
Seit dem 3.3.2023 ist die Katze aus dem Sack. Was viele schon vermuteten, ist durch eine – sicher unbeabsichtigte – Verlautbarung eines Mitarbeiters aus dem Bundesministerium für Verkehr und Digitales (BMDV) unter FDP-Minister Wissing nun amtlich. Der D-Takt wird erst 2070 eingeführt, im Klartext auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben. Wenn dann Herr Wissing zeitgleich noch verkündet, dass man angesichts des erwartenden Wachstums des Güterverkehrs die Autobahnen beschleunigt ausbauen müsse, „damit künftig die Versorgung der Bevölkerung gesichert sei“, und auf EU-Ebene das Aus für den Verbrennermotor torpediert, dann heißt das: Der D-Takt und der Ausbau des Bahnverkehrs werden beerdigt, bevor sie begonnen haben. Es wird wieder voll auf die Straße gesetzt. Und die Grünen in der Bundesregierung schweigen betreten, vielleicht, weil sie es insgeheim auch nicht anders wollen.
Der D-Takt in einem revidierten Konzept ohne HGV-Neubaustrecken bis 2030 muss vordringliche Aufgabe der zum 1.1.2024 neu gegründeten „gemeinwohlorientierten“ Infrastrukturgesellschaft werden. Aber dafür ist weder ein tragfähiges Konzept vorhanden, noch qualifiziertes Personal, ganz abgesehen davon, dass die DB-Manager für den schlechten Zustand der Bahninfrastruktur in Deutschland verantwortlich sind.