Nach dem juristischen Pyrrhussieg der Bahn bei ihrer „Zwangsvollstreckungsabwehrklage“
Jetzt Fakten auf den Tisch in der Brandschutzfrage!
Pressemitteilung von Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 und Ingenieure 22 vom 18.4.24
„Der Brandschutz in dem weltweit wohl größten geschlossenen Tunnelsystem ist zu wichtig als dass er auf juristische Nebenkriegsschauplätze abgedrängt werden dürfte“, so Bündnissprecher Dieter Reicherter nach dem Rechtsstreit über die Herausgabe von Entfluchtungssimulationen. Deren Existenz hatte die Bahn behauptet und sogar einen Vergleich vor dem Verwaltungsgerichtshof über die Herausgabe abgeschlossen. Erst Jahre später erhob sie den Einwand, die Simulationen gar nicht zu haben. Am Ende stellte sich heraus, dass diese schon vor 8 Jahren mit Zustimmung der Bahn gelöscht worden waren. Deshalb kam die Richterin am Verwaltungsgericht Stuttgart nicht umhin, der Klage der Bahn Recht zu geben nach der Devise „wo nichts mehr ist, kann auch nichts herausgegeben werden.“
Diese Winkelzüge der Bahn bzw. der S21- „DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH“ (PSU) dürfen nicht das letzte Wort sein. Denn es geht um die Sicherheit von 300 000 Reisenden und vieler Beschäftigter, die täglich die im Tiefbahnhof und seinem großen Tunnelnetz verkehrenden Züge nutzen würden. Bahnunabhängige Brandschutzexpertinnen weisen seit langem daraufhin: die engen Tunneldurchmesser, die viel zu weit voneinander entfernten Fluchtstollen und viele weitere Risikofaktoren würden eine rechtzeitige Entfluchtung im Falle eines Zugbrands für die Mehrzahl der Reisenden unmöglich machen. Das gilt insbesondere für mobilitätseingeschränkte Menschen. Stuttgart21 würde für viele zur Todesfalle.
„Ich bin entsetzt, dass wieder einmal nur formale Tatbestände verfahrensbestimmend waren. Niemand fragt, warum wir eine Zwangsvollstreckung anstrengten. Dahinter steht die Erkenntnis, dass mit realistischen Simulationsparametern die Evakuierung eines Zuges in der vorgeschriebenen Zeit nicht gelingt, in der Realität schon gar nicht! Deshalb wollten wir die Simulationen sehen. Dass wir jahrelang an der Nase herumgeführt wurden, dafür können wir nichts. Also werden wir versuchen müssen, auf andere Weise Klarheit zu schaffen.“ sagt Wolfgang Kuebart für die Gruppe der S21-kritischen Ingenieure22, die den Rechtsstreit um die Herausgabe der inzwischen gelöschten Simulationen geführt hatte.
Aktionsbündnis und Ingenieure22 fordern von den zuständigen Politikerinnen und der Bahn, ihrer Verantwortung für Leib und Leben vieler Menschen gerecht zu werden und die Brandschutzfrage bei Stuttgart21 endlich ernst zu nehmen. Konkret richtet sich diese Forderung zum einen an die Regierungspräsidentin Bay und den Stuttgarter Branddirektor Dr. Belge. Sie müssen von der PSU Aufklärung fordern über ihren falschen Vortrag zur Existenz von Simulationen in dem gemeinsamen Arbeitskreis Brandschutz im Januar 2014. Zwingend müssen sie auch die Wiederherstellung und Vorlage der gelöschten Simulationen verlangen. Zusätzlich muss das Regierungspräsidium auch die Vorlage des schon 2012 von ihm geforderten Nachweises der sicheren Evakuierung im Brandfall durchsetzen.
Insbesondere aber wird das Eisenbahn-Bundesamt aufgefordert, von der PSU schon jetzt und nicht erst im Rahmen der Inbetriebnahmegenehmigung von Stuttgart 21 den Nachweis der sicheren Evakuierung auch im Brandfall zu verlangen. Sowohl in den S21-Tunneln als auch im künftigen Tiefbahnhof müssen die Menschen vor Ausbreitung der tödlichen Rauchgase evakuiert werden können. Bei den zu erstellenden Simulationen muss berücksichtigt werden, dass in den neuen Zügen doppelt so viele Bahnreisende Platz finden sollen wie in den verschwundenen Simulationen zugrunde gelegt wurde. Außerdem muss eine aussagefähige Simulation nicht ein Kaltereignis darstellen, wie es der gelöschten Simulation der PSU zugrunde lag, sondern realistischerweise ein Brandereignis.
Bei der Untersuchung für den Tiefbahnhof wird auch zu berücksichtigen sein, dass nicht nur im einzelnen Zug doppelt so viele Menschen transportiert werden, sondern durch eine Doppelbelegung der Bahnsteige sich gleichzeitig auch mehr Züge als bisher geplant im Bahnhof befinden würden. Mobilitätseingeschränkte Menschen sowie Paniksituationen dürfen nicht länger ausgeblendet werden. Personenstromuntersuchungen mit 35 Zügen pro Stunde, wie bisher zugrunde gelegt, sind angesichts der aktuellen Planungen überholt. Die Bahn selbst geht jetzt von 300.000 Reisenden pro Tag aus.
Dazu Bündnissprecher Dieter Reicherter: „Weil es um Leib und Leben von tausenden Bahnreisenden, Rettungskräften und Feuerwehrleuten geht, haben die Behörden eine grundgesetzliche Verpflichtung, die dringend erforderlichen Nachweise sofort einzufordern und notfalls den Bau zu stoppen.“
Kontakt: Dieter Reicherter: 07192 930522 oder 0151 26371131 Wolfgang Kuebart: 0711 653706 oder 0152 26593351