rail blog 321 / Michael Jung

Auch Kleinigkeiten können entscheidend sein

Wer kennt solche Situation nicht: Man macht als Tourist einen Besuch in einer Stadt, kommt morgens – vielleicht mit dem Nachtzug – an und möchte am selben Abend weiterreisen.

Aber da gibt es regelmäßig ein kleines Problem: Wohin tagsüber mit seinem Gepäck, sei es nun der große Rucksack, der Rolli oder auch ein dicker Koffer? Man begibt sich am Bahnhof auf die Suche nach Gepäckschließfächern oder einer bewachten Gepäckaufbewahrung. Früher kein größeres Problem. Aber seitdem die DB systematisch die Gepäckschließfächer mit Münzeinwurf, Schlüssel und mechanischer Verriegelung abbaut, steht der Reisende an vielen Bahnhöfen vor einer zu geringen Anzahl und dann häufig noch verschlossenen Gepäckfächern, viele mit der Anzeige, dass über Tage hinweg keine Gebühren gezahlt wurden. Ein klarer Hinweis darauf, dass auch viele Obdachlose, die vor dem gleichen Problem stehen, aktive Nutzer der Gepäckschließfächer sind. Nun – letztere „Kunden“ möchte die DB ohnehin loswerden, und die klassischen, aber bewährten Schließfächer sind, weil wartungsintensiv, der DB ohnehin ein Dorn im Auge. So hat die DB für das Problem mal wieder aufwendig eine neue, voll digitale Lösung entwickelt, die aber einen technischen Overkill darstellt und viele Personen von der Benutzung dieser Schließfächer ausschließt. Deren Nachteile hat Joachim kürzlich in einem Blog überzeigend dargelegt.

Aber es geht auch anders: Am Hauptbahnhof Kopenhagen (ähnlich am Wiener Hauptbahnhof, aber dort zu wenige) gibt es riesige, hell beleuchtete Gepäckschließfachanlagen, mit geräumigen Fächern, die auch dicke Koffer schlucken, und bargeldloser Zahlmöglichkeit. Aber das Wichtigste – und das gibt es Deutschland nur noch am Berliner und Frankfurter Hauptbahnhof – ist eine Servicestelle, die dort aber spätestens um 21.00 Uhr schließt! Dagegen hat die durch richtige Menschen besetzte Gepäckaufbewahrung in Kopenhagen – bei der DB völlig undenkbar – Öffnungszeiten von montags bis samstags von 5:30 Uhr bis 1:00 Uhr nachts, sonntags von 6:00 Uhr bis 1:00 Uhr des Folgetages. Dort findet man immer zwei freundliche Personen, die einem auch bei der Bedienung und Auswahl der nur mit Bankkarte zu verriegelnden und mit QR-Code zu öffnenden Schließfächer behilflich sind, bzw. direkt Gepäckstücke zur Aufbewahrung entgegennehmen. Dies ist wichtig für Reisende ohne Kreditkarte, oder die ihre persönlichen Daten nicht bei der Bahn abgeben wollen. Dieser Service kostet gegenüber der Schließfachaufbewahrung rund 1 Euro am Tag mehr, aber man weiß sein Gepäck in guten Händen. Mit Preisen von 10 Euro/Tag für die Gepäckaufbewahrung ist das nicht gerade ganz billig. Aber Dänemark war nie ein Niedriglohnland.

Wer kennt den Stress nicht: Erst die richtigen Münzen für die DB-Schießfächer zu finden, dann wohlmöglich hektisch vor der Abfahrt nach weiteren Münzen zu suchen, weil die Mietdauer überschritten wurde, und wohlmöglich bei dem Akt, sein Gepäck wiederzubekommen, den gebuchten Zug zu verpassen. Dies ist besonders für ausländische Touristen häufig ein Problem.

Und genau diese Mischung aus digitaler Möglichkeit kombiniert mit menschlicher Begleitung ist das Tüpfelchen auf dem i! Kopenhagen ist sowieso schon eine beliebte Touristendestination und inzwischen auch für seine hervorragenden Radwege weltberühmt. Aber es sind manchmal genau diese kleinen Dinge, die den Aufenthalt in einer Stadt angenehm oder stressig machen.

Über Michael Jung

Jahrgang 1950, Dipl.-Volksw., arbeitete zuerst in einem Großkonzern der Mineralölwirtschaft und dann 28 Jahre bei einer deutschen Großbank, davon 10 Jahre lang im Bereich Finanzierung von Eisenbahn- und Nahverkehrsprojekten weltweit. Seit 8 Jahren ist er Sprecher der Bürgerinitiative Prellbock-Altona e.V., die sich für den Erhalt und Modernisierung des Fern- und Regionalbahnhofs Altona am jetzigen Standort einsetzt.

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