rail blog 328 / Angela Bankert

Verkehrswende statt Ost-West-Tunnel

Oben bleiben mit 60m-Bahnen

Das Rückgrat einer Verkehrswende in Großstädten muss neben dem Fahrrad der Öffentliche Personennahverkehr sein. Beim Schienenausbau hat Köln einen erheblichen Nachholbedarf. Wir bräuchten 100 Schienenkilometer mehr, um die Netzdichte der Rheinbahn in Düsseldorf zu erreichen.

Zu verdanken ist der Rückstand der Konzentration von Geldern und Personal auf die Nord-Süd-Bahn, die seit 20 Jahren im Bau und immer noch nicht fertig ist. Seit Baubeginn dort sind oberirdisch nur 3,5 Schienenkilometer im Netz dazu gekommen.

Nun schlägt der KVB-Vorstand auch noch den Stopp aller Ausbaupläne vor – zugunsten eines Tunnels auf der Ost-West-Achse.

Es geht nicht an, dass autofahrende Individuum immer stärker zu belasten, ohne endlich Alternativen anzubieten und auszubauen.

Angela Bankert, Mitglied im KoKreis Bündnis Verkehrswende Köln

Im Zuge der sog. Roadmap der Stadt gibt es eine Reihe sinnvoller und längst überfälliger Ausbaupläne: Verlängerung der Linie 4 bis Widdersdorf, Verlängerung der Gürtellinie 13 bis zum Rhein, Verlängerung der Linie 7 in Porz, Schienenanschluss für Neubrück, Schienenanschluss des künftigen neuen Wohngebiets Mülheim-Süd und Verlängerung nach Stammheim/Flittard. All diese Projekte sind entweder geplant oder beschlossen und stehen jetzt auf der Kippe.

Der Stadtwerke-Konzern, der die KVB quersubventioniert, will das Defizit bei den Betriebskosten der KVB deckeln auf 160 Millionen Euro im Jahr.

Darum hat der KVB-Vorstand Pläne vorgelegt, alle die vorgenannten Ausbaupläne zu canceln, weil neue Strecken ja weitere Betriebskosten mit sich bringen. Neben der Fertigstellung der Nord-Süd-Bahn (Abschnitt Bonner Straße) will man nur am Ost-West-Tunnel festhalten, also absurderweise an dem Projekt mit den höchsten Betriebskosten, zu denen u.a. Aufzüge und Fahrstühle aus der 4. Tiefebene sowie Brandschutz gehören – Kosten, die oberirdisch gar nicht erst anfallen.

Diesem wahnsinnigen Großprojekt Ost-West-Tunnel, das für Jahrzehnte die Innenstadt aufreißen und Milliarden kosten würde, will man alle neuen KVB-Strecken mit tatsächlichem Mehrnutzen opfern. Das bestätigt leider, was die Kritiker:innen von Beginn an gesagt haben: Kommt der Tunnel, entfällt die Verkehrswende.

Alles spricht für oberirdisch

Die Verwaltung hat vor der Sommerpause die Planungen für zwei Varianten vorgelegt: für einen Tunnel und für den oberirdischen Ausbau. Als politische Entscheidungshilfe wurde ein Kriterienkatalog erarbeitet. Ursprünglich fehlten in der Tabelle wichtige Kriterien wie Kosten oder Bauzeit. Mittlerweile hat die Verwaltung nachgebessert. Alle Nutzen-Aufwand-Kriterien zusammen ergeben quantitativ24:21Punkte zugunsten der oberirdischen Lösung.

Diese Kriterien wurden seitens der Verwaltung explizit nicht gewichtet, dies sei Sache der Politik. So liegt auf der Hand, dass die „Blickbeziehungen“ zu historischen Gebäuden wie dem Hahnentor nicht genauso schwer wiegen wie etwa die Barrierefreiheit.

Fazit: Quantitativ, und erst recht qualitativ sprechen die Entscheidungskriterien für oberirdisch.

Die Baukosten der Tunnelvariante liegen jetzt schon bei 1,4 Milliarden € brutto. Hingegen liegt die oberirdische Variante bei nur 218 Millionen € brutto. Die Stadt tönt, es gebe ja „bis zu 95% Fördergelder“. Das ist Schönfärberei. Förderzusagen von Bund und Land beziehen sich immer nur auf die veranschlagten Kosten bei Baubeginn. Spätere Kostensteigerungen, die absolut sicher sind, bleiben überwiegend bei der Stadt hängen.

Bei der Nord-Süd-Stadtbahn stieg der städtische Eigenanteil – OHNE die Kosten des Stadtarchiv-Unfalls – von 55 Millionen Euro auf über 1 Milliarde Euro an.

Die angegebene Tunnelbauzeit ist massiv geschönt. Die Denkmalpflege hat einen Bericht verfasst, der deutlich macht, was in diesem Kernsiedlungsbereich alles unter der Erde legt Den Zeitraum für die Bergung der zahlreichen und vielfach sehr wertvollen Bodendenkmäler schätzt die Archäologische Bodendenkmalpflege auf 10 Jahre.

Und die Verwaltung schätzt die Gesamtbauzeit auf – ebenfalls 10-12 Jahre! Man könne ja parallel zu den Archäologen arbeiten. Das hat bei der Nord-Süd-Bahn schon nicht funktioniert und ist einfach nur dreist. Tatsächlich wird die Innenstadt voraussichtlich für zwei Jahrzehnte aufgerissen, mit entsprechenden Kollateralschäden für handel und Gastronomie.

Für den Bau des Tunnels gibt die Verwaltung 283.000 t CO2 Emissionen an. Köln hat den Klimanotstand ausgerufen und will bis 2035 klimaneutral sein. Die Emissionen fallen vor und während der Bauzeit an, und nicht über eine angenommene Amortisations-Dauer von 80-100 Jahren Lebenszyklus eines Tunnels. Damit würden die Klimaziele gerissen.

Die KVB pocht auf größere Störungsfreiheit des Stadtbahnverkehrs.mit einem Tunnel.

Dazu muss man festhalten: Köln hat keine Metro, kein geschlossenen System im Untergrund, sondern eine Straßenbahn, die ab und zu unter Pflaster fährt, also ein gemischtes System. Oberirdische Störungen durch den Straßenverkehr wirken auch zurück in die Tunnel. Vom gesamten Schienennetz von 250 km sind nur 40 km unter der Erde. Wenn da noch 2,7 km (Verwaltungsvorlage) oder 3,7 km (SPD-Vorschlag) dazu kommen, wird das System nicht viel störungsfreier.

Laut KVB wäre die Fahrtzeit mit einem Tunnel 3-4 Minuten kürzer. Von diesem Zeitvorteil haben jedoch nur diejenigen Fahrgäste etwas, die über die Innenstadt hinaus fahren wollen. Die meisten Fahrgäste wollen in die Stadt. Wer in der City aus- und einsteigen, muss bis zu 4 Tiefetagen überwinden. Jeder mögliche Zeitgewinn ist damit wieder hinfällig.

Damit würde man die jetzt barrierefreien Umsteigemöglichkeiten zwischen allen 3 Linien.an Neumarkt und Heumarkt zerstören.

Neuer (alter) SPD Vorschlag

Im Stadtrat gibt es für keine der beiden Varianten, welche die Verwaltung jetzt über fünf Jahre ausgearbeitet hat, eine Mehrheit. CDU und FDP sind für den Tunnel. Auf der anderen Seite sind Grüne, Linke, Klimafreunde,Fraktion für oben bleiben. SPD und VOLT sind nicht entschieden.

Wohl um aus dem Dilemma zu kommen, hat die SPD nun ihren Vorschlag von 2018 nochmal in die Debatte gebracht: ein noch längerer Tunnel, ab Deutz unter dem Rhein her und im Westen bis Melaten. Nur die Linien 1 und 9 sollen unter die Erde; die Linie 7 soll oben bleiben und ab Neumarkt oberirdisch weiterfahren auf dem Linienweg der 9; diese übernimmt den Weg der Linie 7 bis Frechen.

Ein noch längerer Tunnel mit noch mehr Risiken (Rheinunterquerung), der auch kein neue Strecke erschließt, sondern nur zwei (statt drei) vorhandene Linienwege unter die Erde legt, ist ebenfalls nicht zielführend.

Oberirdischer Ausbau – aber wie?

Die von der Stadt vorgelegte oberirdische Variante begeistert leider auch nicht. Die Haltestelle am Neumarkt soll auf 4 Gleise erweitern, die weit in den Platz hineinragen würden. Auf der Linie 1 will man 90m-Langzüge einsetzen. Das spart Fahrpersonal – ein Waggon dranhängen mit dem gleichen Fahrer – bedingt jedoch den Ausbau von 34 Haltestellen von Bensberg bis Weiden. Denn Langzüge brauchen eine Sondergenehmigung und dafür durchgehend eigene Gleiskörper. Dies geht nur auf der Linie 1, die anderen beiden Linien bekämen keine höhere Beförderungskapazität.

Die langen Haltestellen haben eine größere stadträumliche Barrierewirkung, weshalb die Bürgervereine des Kölner Westens sich energisch dagegen wehren. Kostenschätzung bisher rund 250 Millionen Euro.

Das Bündnis Verkehrswende hat eine Alternative vorgelegt, welche inzwischen von Prof. Dr. Volker Stölting, Verkehrsplaner und Schienensystemexperte an der TH Köln, geprüft und für umsetzbar befunden wurde:

Eine Taktverdichtung auf der Ost-West-Achse scheitert allein an den beiden Nadelöhr-Haltestellen Heumarkt und Neumarkt, weil dort alle drei Linien zusammenkommen.

Diese beiden Haltestellen könne jedoch ertüchtigt werden, in dem man sie verdoppelt, zu je einer Haltestelle pro Richtung mit Mittelbahnsteig, so dass zwei Bahnen gleichzeitig heranfahren können. Damit beschleunigt sich die Abwicklung an diesen beiden Knotenpunkten. .

Dann braucht es keine Langzüge, und nicht nur die Linie 1 sondern auch die Linie 7 und 9 erhalten eine erhöhte Beförderungskapazität. Es müssten keine 34, sondern nur 2 Haltestellen umgebaut werden. Der Innenplatz des Neumarkts würde nicht mit Schienen belegt.

Dies ist die schnellste, preiswerteste, ökologischste und barrierefreie Lösung, In Kombination mit Verkehrsberuhigung, mit Wegfall des Durchgangsverkehr und der Parkräumen, was ohnehin bei allen Lösungen vorgeschlagen wird, könnte der Neumarkt rasch aufenthaltsfreundlich umgestaltet werden.

Alle – außer FDP und Autoindustrie – streben möglichst viel Umstieg von Autofahrenden auf den ÖPNV an. Dazu sind die Menschen aber nur dann bereit, wenn die KVB zuverlässig, pünktlich und in akzeptabler Taktfolge kommt.

Darum müssen Personal und Fördermittel für neue Strecken mit echtem Mehrnutzen eingesetzt werden, Diese zu streichen für den Tunnel, ist genau die falsche Prioritätensetzung.

Darum sammeln wir weiter Unterschriften (siehe QR-Code), von denen wir bereits 10.000 an das Verkehrsdezernat übergeben haben, und kämpfen gemeinsam mit dem Netzwerk „Köln bleibt oben mit 60m-Zügen“ für eine vernünftige oberirdische Lösung.

Über Angela Bankert

Mitglied im Kokreis des Bündnisses Verkehrswende Köln, Sachkundige Einwohnerin im Verkehrsausschuss für die LINKE im Rat der Stadt Köln

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