rail blog 332 / Michael Jung

Jede Zugfahrt ein neues Abenteuer

Fahrt mit ICE 599 am 18.9.24 von Hamburg Hauptbahnhof nach Frankfurt/Main‎. Voller Bahnsteig am Hamburger Hbf. Reisende sind bemüht, sich richtig am Gleis für den Einstieg zu positionieren. Dann 5 Minuten vor geplanter Abfahrtzeit: Änderung  der Wagenreihung in der Zugzielanzeige: 2. Klasse mit Radabteil doch an der Spitze des Zuges. Das große Hin- und Herwandern auf dem zu engen Bahnsteig Gleis 13/14 beginnt. Der einfahrende Leerzug kommt dann tatsächlich mit 5 Minuten  Verspätung wie angekündigt. Aufatmen. Nachfrage bei der Zugchefin ob des Grundes für die geänderte Wagenreihung: Ja, der Zug käme nicht aus dem Bahnbetriebswerk, sondern von einer Kurzwende in Altona nach vorausgegangener Fahrt. Aber in Altona einsteigen konnte man nicht.  

Das Einsteigen geht dann doch relativ schnell, da Zug nicht voll ausgebucht. Fahrt bis Hannover umproblematisch. Aber die Weiterfahrt verzögert sich – Ankündigung der Zugchefin: Der Zug habe mehrere Flachstellen an den Rädern. Der Lokführer müsse sich diese erst angucken, bevor er weiterfahren könne! Dabei ist der Zug ein relativ neuer 13-teiliger  ICE4! Abfahrtverzögerung dadurch erst 10, dann 20, dann 30 Minuten, dann kommt die Mitteilung per Mail: 39 Minuten Ankunftsverzögerung in Frankfurt. Bevor dann nach 42 Minuten des Wartens im Hbf von Hannover verkündet wurde, dass der Zug ausgesetzt werde und man bitte einen der Folgezüge nutzen möge. Dieser solle in 10 Minuten auf dem gegenüberliegenden Gleis einfahren. Keine 5 Minuten später Gleisänderung für diesen Zug mit Bahnsteigwechsel. Der Inhalt eines gut gefüllten ICE 4 mit 13 Waggons setzt sich in Bewegung. Der als Alternative angegebene ICE nach Interlaken-Ost in der Schweiz ist bereits gut gefüllt. Dementsprechend großes Gedränge beim Einsteigen. Das produziert eine Abfahrtverspätung von 15 Minuten für diesen Zug. Angesichts der Perspektive, bis Frankfurt zu stehen oder auf dem Fußboden zu sitzen, verzichte ich darauf, diesen Zug zu nutzen, und wähle den ICE 1971 um 14:01 Uhr, der über die Main-Weser-Bahn nach Frankfurt fährt. Dort Ankunft um 17:04 Uhr, also gut zwei Stunden später als der geplante Zug. Das gibt zumindest 50 % Fahrpreiserstattung. 

Die Frage ist nur: Wie kann ein Zug mit so groben Flachstellen auf die Reise von Hamburg nach München geschickt werden, sodass ein verantwortungsvoller Lokführer beim ersten planmäßigen Halt in Hannover entscheidet, dass dieser Zug wegen schwerer technischer Mängel ausgesetzt werden müsse? Da im Bahnknoten Hannover keine Werkstattkapazitäten ‎existieren, die das Abdrehen der Flachstellen bei einem ICE-Zug erlauben würde, müsste der Zug dann mit max. 100 km/h ins Bahnbetriebswerk Eidelstedt überführt werden. Die Kosten dieses Manovers einschlielich der Fahrgelderstattungen für mindesten 500 Fahrgäste dürften die 100.000 Euro Schwelle überschritten haben.

Über Michael Jung

Jahrgang 1950, Dipl.-Volksw., arbeitete zuerst in einem Großkonzern der Mineralölwirtschaft und dann 28 Jahre bei einer deutschen Großbank, davon 10 Jahre lang im Bereich Finanzierung von Eisenbahn- und Nahverkehrsprojekten weltweit. Seit 8 Jahren ist er Sprecher der Bürgerinitiative Prellbock-Altona e.V., die sich für den Erhalt und Modernisierung des Fern- und Regionalbahnhofs Altona am jetzigen Standort einsetzt.

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