rail blog 363 / Michael Jung

DB und Radler – ein schwieriges Verhältnis

DB-Fernverkehr und leider auch DB-Nahverkehr lieben Radler nicht. Gängiger DB-Sprech ist, dass es im Sommer gerade Radler seien, die für die sogenannten Abfahrtverzögerungen verantwortlich sind. Leider werden in den Ausbildungslehrgängen für neue Zugbegleiter diese regelrecht gegen Radler – wichtige Stammkunden der DB – aufgehetzt. So erlebte es der Autor auf einer Fahrt von Hamburg-Altona nach Passau, dass das Zugpersonal sagte, wenn die Räder nicht richtig in die Stellagen eingehängt sind, fahren wir nicht ab. Leider war dies trotz intensiven Bemühens nicht möglich. Denn das Problem liegt bei der DB. Die Aufhängevorrichtungen für Räder in den ICE-Zügen mögen für leichte Rennräder geeignet sein, für die heute überwiegenden E-Bikes mit breiteren Reifen sind sie komplett ungeeignet, weil die Haken, in die die Räder eingehängt werden sollen, schlichtweg zu schmal sind. Ganz besonders problematisch sind die Stellagen in den mittlerweile 25 Jahre alten ICE-T-Zügen, weil über den Aufhängevorrichtungen eine Gepäckablage installiert wurde, sodass die Lenker der heute üblichen Räder nicht mehr darunter passen. Im konkreten Fall verwies die Dame des Zugbegleitpersonals auf die Dienstvorschriften und ohne Einhaltung der Vorschriften könne sie den Zug nicht abfahren lassen, oder die Räder müssen ausgeladen werden. In dem vorliegenden Fall hatte der Zugchef nach langem Palaver ein Einsehen, als ich ihm zusicherte, die Räder mit Gummistrapsen ausreichend gegen Umfallen zu sichern, und ließ dann den Zug mit 10 Minuten Verspätung in Altona abfahren. Beim Personalwechsel in Berlin-Südkreuz informierte die abgehende Zugbegleitung die neue über angeblich renitente Radler im Zug. Die neue Zugchefin war von der besonders scharfen Sorte und verkündete für den ganzen Zug über Bordlautsprecher: „Wir können den Zug nicht abfahren lassen, weil Radler im Zug nicht bereit seien, ihre Räder vorschriftsgemäß aufzuhängen“. Die Zugchefin konnte nur durch einen anwesenden Bundeswehroffizier in Uniform, der als Radler das Problem mit den ungeeigneten Aufhängevorrichtungen kannte, davon abgehalten werden die Bundespolizei zu rufen. Auch hier nutzloses Palaver über 10 Minuten hinweg, als dann die Zugchefin zu dem anderen Zugbegleiter sagte, wir können nicht abfahren, weil wir kein grünes Signal haben. Also dienten hier die angeblich nicht korrekt eingehängten Räder als Argument nach außen, um von den üblichen Störungen im Betriebsablauf abzulenken. Abfahrt dann in Berlin mit insgesamt 20 Minuten Verspätung.

Fazit der Geschichte: Die Aufhängevorrichtungen in den ICE-Zügen passen nicht mehr zu den heute vorherrschenden Radtypen. Hier muss sich die DB was Neues einfallen lassen. Ferner ist es gerade für Radlerinnen und ältere Radler aus Gewichtsgründen nahezu unmöglich, die schweren E-Bike in die Hochstellagen beim ICE4 einzuhängen. Zudem sorgt die Konzentration aller Radstellplätze an einer Eingangstür spätesten dann, wenn mehrere Radler mit Gepäck einsteigen, für Verzögerungen. Andere Bahngesellschaften verteilen die Radstellplätze auf mehrere Waggons oder akzeptieren, wie im Nahverkehr üblich, dass die Räder in das Untergeschoss eines Doppelstockwagens hineingerollt werden und längs zur Fahrtrichtung mit Gurten befestigt werden. In früheren Jahren stellte die DB Radstellplätze – insgesamt 20 an der Zahl – in den IR/IC-Steuerwagen zur Verfügung. Extrabreite Türen ermöglichten ein zügiges Einsteigen, und da diese Waggons breiter als die heutigen ICE4 Züge waren, konnte man auch leichter die Räder rangieren und platzieren. Daher wäre vielen Radtouristen heute besser gedient, gäbe es noch bzw. wieder die alten Interregiozüge, die umsteigefrei in viele Urlaubsregionen fuhren. Was nutzt der Transport des Rades mit 300 km/h auf Teilstrecken, wenn insgesamt die Reise durch häufiges Umsteigen mit Auf- und Abladen von Gepäck zu einem Stressprogramm wird und länger dauert als in den langsamer fahrenden IR-Zügen?

Zur Ergänzung: https://radverkehrsforum.de/forum/thread/354-velo-und-bahn/?postID=124211#post124211

Über Michael Jung

Jahrgang 1950, Dipl.-Volksw., arbeitete zuerst in einem Großkonzern der Mineralölwirtschaft und dann 28 Jahre bei einer deutschen Großbank, davon 10 Jahre lang im Bereich Finanzierung von Eisenbahn- und Nahverkehrsprojekten weltweit. Seit 8 Jahren ist er Sprecher der Bürgerinitiative Prellbock-Altona e.V., die sich für den Erhalt und Modernisierung des Fern- und Regionalbahnhofs Altona am jetzigen Standort einsetzt.

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