Wieder eine Jubelmeldung, um Mängel zu vertuschen
Die aus Österreich heraus geführte Webseite »Eisenbahnblog« bringt in der Regel die Pressemitteilungen von Firmen völlig unkommentiert. Eigentlich schade, denn zu vielen Meldungen gibt es etwas zu sagen. So auch zu der nachstehenden Jubelmeldung, die bei genauerem Hinsehen mehr Fragen aufwirft als sie
beantwortet:
„ICE 3neo wird fit für Polen und Frankreich – DB investiert 200 Millionen Euro in grenzüberschreitenden Fernverkehr
Juli 11, 2025 | Personenverkehr
Die Deutsche Bahn (DB) rüstet bis zu 32 ICE 3neo-Züge für den Einsatz in Polen und
Frankreich aus. Damit investiert das Unternehmen 200 Millionen Euro in den Ausbau
des internationalen Fernverkehrs. Der Auftrag zur technischen Anpassung geht an
Siemens Mobility.
Derzeit ist der ICE 3neo auf innerdeutschen Strecken sowie auf den Verbindungen
Frankfurt–Brüssel und Frankfurt–Amsterdam unterwegs. Mit der Ausrüstung für die
länderspezifischen Anforderungen wird künftig auch eine Direktverbindung von Berlin
nach Warschau möglich. Die Umrüstungen erfolgen im Siemens-Werk Krefeld und
sollen bis 2032 abgeschlossen sein. Erste zulassungsfähige Fahrzeuge werden für
2031 erwartet.
Die Anpassungen umfassen unter anderem die Kompatibilität mit der Signaltechnik in
Polen und Frankreich. Voraussetzung für den Betrieb ist die nationale Zulassung in
den jeweiligen Ländern. Die DB erwartet ein mehrjähriges Prüf- und
Zulassungsverfahren.
Mit der Investition reagiert die Bahn auf die steigende Nachfrage im internationalen
Fernverkehr. Insgesamt wurden bislang 90 ICE 3neo-Züge bei Siemens bestellt, von
denen bereits 29 ausgeliefert sind. Seit Juni 2024 ersetzen sie ältere Züge auf
internationalen Verbindungen, wodurch laut DB die Zahl fahrzeugbedingter
Zugausfälle deutlich gesenkt wurde.
Der ICE 3neo gilt als das modernste Fahrzeug der DB-Flotte. Fahrgäste bewerten
Komfort und Design besonders positiv. Neuere Modelle bieten u. a. induktives Laden
in der 1. Klasse, ein überarbeitetes Innenraumdesign mit Holzdekor sowie zusätzliche
Funktionen wie berührungslose Abfallbehälter und einen Kleinkindsitz im Universal-
WC.“
Was als Investitionen in eine erfolgreiche Zukunftsstrategie verkauft wird, soll nur gegenwärtige Probleme kaschieren. Mehrsystem-ICEs, die von Frankfurt/Main oder Stuttgart nach Paris fahren, gibt es seit 15 Jahren. Die erste Generation dieser Fahrzeuge hat offensichtlich das vorzeitige Ende ihrer technisch wirtschaftlichen Lebensdauer erreicht, und es gibt zu wenige Fahrzeuge dieser Baureihe. Wieso es dann für Nachfolgefahrzeuge eines mehrjährigen Zulassungsprozesses für die Einrichtungen der Signaltechnik bedarf, bleibt schleierhaft. Gibt es nicht auf diesen Hauptstrecken ETCS? Wieso braucht es bis 2031, bis die neuen Züge zugelassen sind, obwohl sie auf der Strecke nach Brüssel schon sein einem Jahr im Einsatz sind? Wer mauert hier? Wieso kostet die signaltechnische Anpassung mehr als zwei Millionen Euro pro Zug?
Die Strecke von Berlin nach Warschau wird seit mehr als 10 Jahren erfolgreich von „Berlin-Warszawa Express“, dem Joint Venture von DB Fernverkehr und PKP Intercity, mit modernisierten alten IC-Wegen der DB betrieben. Offensichtlich ist die erfolgreiche Verbindung der DB ein Dorn im Auge. Leider übersteigt die Nachfrage auf dieser Strecke das Angebot. Eine Verdichtung des Taktes von zwei Stunden auf stündlich wäre dringend erforderlich. Für die Bedienung der Strecke mit einer Maximalgeschwindigkeit von 200 km/h reichen lokbespannte Waggonzüge mit existierenden Mehrsystemloks, die das polnische Signalsystem beherrschen, völlig aus. Warum die DB jetzt mit teuren HGV-Zügen, die wiederum ein langes Zulassungsverfahren benötigen, in das erfolgreichen Projekt eines grenzüberschreitenden Bahnverkehrs hineingrätscht, wissen wohl nur Siemens, das sich an den neuen Zügen eine goldene Nase verdient, und die DB. Eine Antwort von PKP Intercity wird sicher nicht lange auf sich warten lassen. Zudem ist die Strecke für 300 km/h Höchstgeschwindigkeit überhaupt nicht ausgebaut!
Den ICE3 neo als das modernste Fahrzeug der DB zu bezeichnen, ist wohl eher ein Witz. Denn die DB hat in diesem Modell nur eine Modernisierung des seit 2000 im Betrieb befindlichen ICE 3 vorgenommen und nicht auf die weit modernere Siemens Velaro-Plattform gesetzt, weil man in Deutschland für dieses Fahrzeug ein längeres Zulassungsverfahren benötigt hätte. Der ICE 3 neo mit 300 km/h Höchstgeschwindigkeit wurde nur deswegen in so großen Stückzahlen bestellt, um die HGV Streckenausbau-Phantasien der DB fahrzeugseitig zu untermauern.
Fazit: Es ist höchste Zeit, dass man das Fahrzeugbeschaffungsprogramm der DB einer kritischen Revision unterzieht und den aktuellen Möglichkeiten des Bahnnetzes in Deutschland anpasst, anstatt sich zu Forderungen nach neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken und den dafür geeigneten Fahrzeugen zu hohen
Kosten aufzuschwingen, die letztendlich die Fahrgäste über die Ticketpreise zu bezahlen hätten.