Kein Anschluss unter diesem Bahnchef
Um nach Kiel zu kommen, wird man in den meisten Fällen in Hamburg auf einen Regionalzug umsteigen müssen, denn pro Tag fahren nur zwei ICE aus Köln, vier aus Frankfurt und einer auf schnellstem Wege aus München in die nördlichste Landeshauptstadt, hinzu kommt ein durchgehender ICE aus Berlin, der zuvor in München gestartet ist und über Donauwörth, Würzburg und Erfurt nach Berlin geführt wurde. Pro Stunde fahren dann zwei Regionalzüge nach Kiel, die aber keinen Halbstundentakt bilden, sondern im Abstand von 21 bzw. 39 Minuten fahren.
Schauen wir uns die Anschlüsse an. Im Normalfall kommen die ICE aus Köln zur Minute 14, die aus Frankfurt zur Minute 36 und die aus München-Würzburg zur Minute 55 an, also quasi alle 20 Minuten ein ICE. Berlin liefert, wenn nicht gerade mal wieder Streckensanierung angesagt ist, stündlich zwei Züge in Hamburg ab, die meist zur Minute 24 und 51 kommen. Dazu kommen die Regionalverkehre aus Hannover-Uelzen stündlich auf 03 sowie aus Bremen auf 26 und 43.
Da kann man sich vorstellen, dass die Planungskommission für den Nahverkehr in Schleswig-Holstein gesagt hat: Klei mi an de Fööt. Denn worauf soll man den eigenen Takt ausrichten, wenn die acht maßgeblichen Zubringerzüge auf 03 – 14 – 24 – 26 – 36 – 43 – 51 – 55 am für Schleswig-Holstein wichtigsten Umsteigebahnhof, nämlich Hamburg Hauptbahnhof, eintreffen?
Also fahren die Züge nach Kiel zur Minute 22 und 43 ab. Da sie normalerweise auf den Gleisen 5 bis 7 abfahren und die meisten Züge aus dem Süden auf den Gleisen 11 bis 14 ankommen, muss man mit mindestens 10 Minuten Übergangszeit rechnen und sich über den Südsteg oder die Wandelhalle zum anderen Bahnsteig durchkämpfen – glücklich die, die auf Gleis 5 bis 8 eintreffen und die Ansage bekommen, dass der Zug nach Kiel am selben Bahnsteig vom Gleis gegenüber abfährt.
Und glücklich die, deren Zug bis Hamburg-Altona fährt und am Bahnhof Dammtor hält: die müssen in Dammtor einfach nur aussteigen und warten, bis ihr Regionalzug am selben Gleis hält, denn es gibt nur einen Bahnsteig für alles, was nicht S-Bahn ist. Ein Geheimtipp für Reisende mit viel Gepäck oder körperlichen Beschwerden.
Um so schöner wäre es, wenn wenigstens am späten Abend, wenn die Taktung ausgedünnt und der Hauptbahnhof nicht mehr überfüllt ist, der Kundschaft das Umsteigen so bequem wie möglich gemacht würde. Ansätze dazu gibt es: der Regionalzug um 21:46 Uhr fährt nämlich von Gleis 11, der um 23:43 Uhr und der »Lumpensammler« um 01:43 Uhr jeweils von Gleis 13 abfährt.
Aber der Plan ist nicht zu Ende gedacht und wird manchmal – durch ahnungslose Personale in der Betriebsleitzentrale in Hannover von der die Hamburger Stellwerke aus gesteuert werden – zunichte gemacht, so am 22. August 2025.
Unser ICE 376 von Frankfurt/Main nach Hamburg-Altona war in Frankfurt mit 5 Minuten Verspätung um 20:03 Uhr abgefahren, aber in Hamburg Hbf. überpünktlich – eine Minute vor Plan– um 23:38 Uhr angekommen. Aber leider planmäßig nicht am selben Bahnsteig wie der Regionalexpress nach Kiel mit Abfahrt um 23:43 Uhr, ein Umsteigen würde da sehr sportlich.
Allerdings wurde bei Anzeige und Ansage der Umsteigeverbindungen überraschenderweise mitgeteilt: »den RE7 nach Kiel erreichen sie in Hamburg-Dammtor«.
Oh, denkt man sich, ein feiner Zug der Bahn, das spart das mühselige Treppauf und Treppab und im konkreten Fall sogar eine Stunde Fahrtzeit, weil man diesen Anschluss im Regelfall nicht bekommt.
Aber dann … steht der ICE 376 doch seine planmäßigen Minuten im Hauptbahnhof ab und setzt sich erst um 23:47 Uhr in Bewegung. Auch jetzt wird noch auf den Monitoren der Umstieg nach Kiel am Dammtor angezeigt, der Zugführer wiederholt dies in seiner Ansage. Der einlaufende ICE soll laut Anzeige an Gleis 3 in Dammtor halten, der RE nach Kiel auch von Gleis 3 abfahren, also nach unserem Zug. Bei der Ausfahrt aus dem Hbf. haben wir den RE neben uns, eine schöne Parallelfahrt. Wollte man uns etwa gleichzeitig an Gleis 3 und 4 halten lassen und den Zug von Gleis 4 dann an der Sternschanze wieder auf das rechte Gleis wechseln lassen? Pustekuchen: der RE nach Kiel wurde schneller, der ICE wurde abgebremst. Er hielt, wartete an der Lombardsbrücke etwa 5 Minuten … und als er dann am Dammtor auf Gleis 3 hielt, war der RE nach Kiel natürlich schon abgefahren, und die Fahrgäste, die auf einen eleganten schnellen Umstieg am Dammtor gehofft hatten, guckten in die Röhre und durften die Geisterstunde auf einem zugigen Bahnsteig verbringen, anstatt im Zug nach Kiel zu sitzen oder wenigstens in der Halle des Hauptbahnhofs warten zu können.
Der Zugführer, auf dieses eigenartige Vorgehen angesprochen, meinte nur lakonisch: »Tja, eigentlich ist ja kein Umstieg in den RE nach Kiel am Dammtor vorgesehen, der ist üblicherweise am Hauptbahnhof!« So ist es, aber warum verspricht man den Reisenden bis zehn Minuten zuvor noch den Schnell-Umstieg am Dammtor?
Woher kommen solche hausgemachen Fahrzeitverlängerungen für Reisende nach Kiel? Weichen und Signale werden seit einiger Zeit nicht mehr in Hamburg, sondern in der Betriebsleitzentrale in Hannover gestellt, vermutlich von Fahrdienstleitern, die die Situation vor Ort nicht kennen und einfach wie beim Computerspiel mal das eine, mal das andre Signal auf Rot gestellt haben.
Fazit: Solch mangelnde Koordination in der Fahrdienstleitung ist für die Reisenden ein Ärgernis, das man leicht vermeiden könnte: durch Schulung der örtlichen Gegebenheiten und eine fahrgastorientierte Handhabung von Sonderfällen, damit nicht vielleicht wegen der zu erwartenden Abfahrtverspätung eines Anschlusszuges eine Sonderansage gemacht wird, auf die man sich als Fahrgast verlässt und dann jemand »Kommando zurück« entscheidet, wenn die Fahrgäste darauf nicht mehr reagieren können. Aber dazu müssen betrieblich fitte Beschäftigte mit einem zugesicherten Entscheidungsspielraum agieren können, anstatt dass sich alle unter dem Primat der Controller ducken.