rail blog 377 / Joachim Holstein

Dann sehen wir uns in Bielefeld

Schon lange vor der 1993 entstandenen und zuletzt zum DFB-Pokalfinale 2025 wieder aufgewärmten »Bielefeldverschwörung« hatte der Standort des größten Bahnhofs zwischen Herford und Gütersloh seinen Platz in der deutschen Kulturgeschichte gefunden, indem Carl Zuckmayer und Udo Lindenberg fast wortgleich darüber sinnierten, dass man sich, wenn schon nicht in dieser Welt, dann doch – vielleicht oder sicher – in Bielefeld sehe.

Ich war am Wochenende dort, kann also bestätigen, dass es Bielefeld tatsächlich gibt, und habe am eigenen Leibe erfahren, wie der von DB Fernverkehr kritisch beäugte Trend, auch auf längeren Strecken das Deutschlandticket und damit nur Nahverkehrszüge zu nutzen, sich anfühlt.

Die Rahmendaten: mit BahnCard 25 kostet eine Fahrt von Hamburg nach Bielefeld und zurück in der 2. Klasse als Flexpreis 134,40 Euro, bei Luftlinie 200 km Entfernung also rund 34 Cent pro km Luftlinie. Natürlich kann die DB auf ihre Sparpreise verweisen, die bei etwa 15 Euro anfangen, aber bei einem schon mehr als ein Jahr zuvor vereinbarten Termin schreckt erstens die Vorstellung ab, bei einer irgendwann bekanntgegebenen Änderung von Ort und/oder Termin auf den dann nutzlosen Fahrkarten sitzenzubleiben, und zweitens kann man angesichts überfallartig angekündigter Spezialrabattaktionen sowieso nie wissen, wann der beste Zeitpunkt zum Fahrkartenkauf ist. Dauern sollten die Fahrten zwischen 2:25 und 3:15 Stunden, mit knappem Umstieg in Hannover und teilweise einem weiteren Umstieg in Minden.

Der Nahverkehr bietet stündliche Verbindungen in 4:01 Stunden mit Umsteigen in Uelzen, Hannover und in 4:10 Stunden mit Umsteigen in Bremen und Osnabrück sowie eine Verbindung via Rotenburg (Wümme), Verden (Aller), Nienburg (Weser) und Minden, die zwar nur alle zwei Stunden genutzt werden kann, aber mit 3:21 Stunden Fahrtdauer kaum langsamer ist als die Fernverbindungen mit suboptimalen Anschlüssen in Hannover.

Außerdem bedeutet Flexibilität Zeitersparnis gegenüber Sparpreis-Buchungen, bei denen man vorsichtshalber für die Anreise ein bis zwei Stunden früher bucht und bei der Rückreise ein bis zwei Stunden länger bleibt als nötig.

Ich habe auf der Hinfahrt tatsächlich die schnellste und kürzeste Verbindung nehmen können. Von Hamburg Hbf nach Rotenburg (Wümme) steht der Metronom zur Verfügung – mit der bekannten Zumutung, dass die Züge allesamt außerhalb der Bahnhofshalle zum Stehen kommen. Ich habe aus der Not eine Tugend gemacht und habe die Bahnhofshalle gar nicht betreten, sondern bin vom Bahnsteig der U1 aus geradeaus über die Steintorbrücke zur neuen Treppenanlage an Gleis 13/14 gelaufen. Schnell und bequem, aber der Brötchenkauf fiel damit flach. Ich erwischte einen der schnellen Züge, die nur in Harburg, Buchholz und Tostedt halten, und konnte die flotte und ruhige Fahrt wirklich genießen.

In Rotenburg (Wümme) dann die erste Abweichung: Bahnsteigwechsel statt Anschluss am selben Bahnsteig gegenüber, aber dank Info in der App und per Ansage und die Barrierefreiheit ist das nur ein kleiner Minuspunkt.

Die Fahrt von Rotenburg (Wümme) nach Verden (Aller) wird von der Nordwestbahn betrieben, dauert 19 Minuten und wird im Zweistundentakt angeboten, wobei montags bis freitags zusätzliche Züge um 7, 9, 17 und 19 Uhr einen Stundentakt von 6 bis 10 Uhr und von 16 bis 20 Uhr erzeugen. In der übrigen Zeit lässt man die Zuggarnitur lieber über eine Stunde lang nutzlos in Verden (Aller) herumstehen, anstatt in einem Netz, das in Rotenburg (Wümme) und in Verden (Aller) mehrere Zugabfahrten pro Stunde und Richtung aufweist, diese Querspange ganztags im Stundentakt zu bedienen. Was wollen die Besteller ihrer Kundschaft damit sagen? »Ihr seid nicht so wichtig«?

Das Gleiche gilt für die Verbindung von Nienburg (Weser) nach Minden, auf der alle zwei Stunden ein bis Bielefeld verkehrender RE unterwegs ist. Und diesen Anschluss hätte ich verloren, da der Zug von Verden nach Nienburg – der stündliche RE von Bremerhaven nach Hannover – mit über 20 Minuten Verspätung angekündigt wurde. Zum Glück kam gerade einer dieser Doppelstockzüge, die meist als IC etikettiert sind, aber im Grunde ja nur rotweiß lackierte Regionalexpresse sind und auf manchen Strecken auch so gelabelt werden. Um eine mindestens einstündige Verspätung durch den Umweg über Wunstorf zu vermeiden, fuhr ich die eine Station mit. Da keine Kontrolle kam, kann ich nichts über die Reaktion des Personals auf diese »Aufhebung der Zuggattungsbindung des Deutschlandtickets« sagen, erreichte meinen Anschluss und kam wohlbehalten und pünktlich in Bielefeld an.

Auf der Rückfahrt wollte ich um 15 Uhr nach Hannover und dann via Soltau nach Buchholz in der Nordheide fahren – aber massive Zugverspätungen im Fernverkehr hatten offenbar auch auf die Regionalzüge durchgeschlagen, und mit angekündigten +25 meines RE nach Minden hätte ich eine Stunde beim Anschluss in Hannover verloren. Also nahm ich den stündlichen Zug der Nordwestbahn via Halle nach Osnabrück, lief dort am Bahnsteig nach vorne zum RE nach Bremen und nahm von dort wieder einen fast voll besetzten Metronom nach Hamburg. Dieser war bis zur Hamburger Landesgrenze pünktlich und wurde dann staubedingt um etwa 10 Minuten abgebremst. Hier saß ich außerdem zeitweilig auf einem Metallrack im Fahrradabteil, weil nur dort eine funktionierende Steckdose zu erreichen war.

Fazit also:

1.

Ein Zweistundentakt passt überhaupt nicht zur Nachfrage und dem heutigen Verständnis von Daseinsvorsorge. Er sorgt für Engpässe beim Zeitmanagement und bei der Fahrtplanung und ist ein fetter Stinkefinger in Richtung Fahrgäste. Es wäre für die niederschwellige Nutzbarkeit und das Konzept des Deutschlandtaktes schon viel erreicht, wenn der Staat auf allen Strecken im Regionalverkehr garantieren würde: »Jede Stunde, jede Strecke«. Auch am Sonntagmorgen um 8 Uhr.

2.

Mehr Steckdosen bedeuten mehr Komfort, auch im Regionalverkehr.

3.

Hamburg hat sich mal wieder von seiner typischen Seite gezeigt und Verspätung durch Überlastung produziert.

Über Joachim Holstein

(*1960) arbeitete von 1996 bis 2017 als Steward in Nacht- und Autozügen der DB, war von 2006 bis zur Einstellung dieser Verkehre Betriebsrat der DB European Railservice GmbH und zuletzt Sprecher des Wirtschaftsausschusses. Mitbegründer der Initiative zur Rettung des Nachtzuges Hamburg-Paris (2008; »Wir wollen nach Paris und nicht an die Börse«) und des europäischen Netzwerks für Nachtzüge »Back on Track« (2015; https://back-on-track.eu/de/); Weiteres unter www.nachtzug-bleibt.eu

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