Wie man den Niedergang des Bahnverkehrs im ländlichen Raum organisiert betreibt….
Die Regionalbahnstrecke RB32 von Lüneburg nach Dannenberg-Ost gehört eigentlich zu den landschaftlich schönsten Regionalbahnstrecken im norddeutschen Raum. Entlang der Bahnstrecke trifft man auf Sehenswürdigkeiten, wie das zweistöckigen Bahnhofsgebäude am Haltepunkt Göhrde, welches vollständig aus Holz erbaut wurde.
Es wurde um 1900 eigens für den geplanten Besuch von Kaiser Wilhelm II. zu einer Hirschjagd im Staatsforst Göhrde errichtet. Der Jagdbesuch fiel aus, aber das Bahnhofsgebäude steht immer noch. Einst war die Bahnstrecke weiter nach Osten durchgebunden, nach Norden über eine konstruktiv interessante Elbbrücke mit einem langen Vorfluterbauwerk nach Ludwigslust und nach Süden über Lüchow nach Salzwedel und weiter nach Stendal.
Die 1895 erbaute Strecke war einstmals zweigleisig trassiert, aber nur eingleisig ausgebaut und für 120 km/h ausgelegt, stellt diese über Salzwedel-Stendal die geographisch kürzeste Verbindung von Hamburg nach Berlin dar. Die zweigleisige Elbbrücke wurde in den letzten Kriegstagen von den zurückweichenden deutschen Truppen gesprengt und nach der deutschen Teilung der Südast zwischen Lüchow und Salzwedel unterbrochen. Die Brücke über die Elbe, damals Grenzfluss, wurde nicht wiederaufgebaut, auch nicht nach der Wende. Selbst die Verbindung nach Salzwedel wurde nach der Wende nicht wiederhergestellt, obwohl dies mit geringstem Aufwand möglich gewesen wäre, da Schienen und Bahndamm noch vorhanden waren. Auf der westdeutschen Seite war zuvor der Abschnitt Dannenberg-Lüchow stillgelegt worden. In den späten 90er Jahren hat die Deutsche Bahn nach dem Umbau des Bahnhofs Salzwedel im Rahmen der (Teil-)Sanierung (nur bis Uelzen) der alten Amerikabahn (Berlin – Stendal – Salzwedel – Uelzen – Soltau – Bremen) die Abzweigweichen in Salzwedel herausgerissen.
Somit wurden die Chancen vertan, nach der Wende eine zusätzliche Bahnverbindung (auch als Ausweichstrecke) nach Berlin zu schaffen. Die Strecke blieb somit nur eine Stichstrecke. Diese wollten die Verantwortlichen des niedersächsischen Aufgabenträgers LNVG gerne auch stilllegen, ebenso wie die Parallelstrecke von Uelzen nach Dannenberg. Da sich aber am Ende der Strecke das geplante Atommüllzwischenlager Gorleben befand, musste man für die Castortransporte die Strecken offenhalten. Es erfolgte sogar eine Ertüchtigung der Strecke auf 22,5 Tonnen Achslast für die schweren Castorbehälter. Insoweit wurde auf politischen Druck hin weiterhin Nahverkehr bestellt. Damit wurde trickreich ein Teil der Streckeninstandhaltungs-kosten für die Atommülltransporte auf den Nahverkehr abgewälzt.
Die Castortransporte sind nunmehr Geschichte. Aber das Nahverkehrsangebot bleibt trotz Ankündigung einer Verbesserung immer noch sehr lückenhaft. Es ist die einzige Nebenbahnstrecke in Niedersachsen ohne zumindest ein durchgängiges, zweistündiges Bedienangebot. Das Angebot ist mit einer Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h ohnehin nicht sonderlich attraktiv. Mit geringfügigen Maßnahmen ließe sich die Streckenhöchstgeschwindigkeit auf 80 km/h erhöhen. Dies würde eine Fahrzeit unter einer Stunde von Lüneburg nach Dannenberg und damit ohne den Einsatz zusätzlicher Fahrzeuge wenigstens einen stabilen Zwei-Stunden-Takt ermöglichen. Aber bislang blieben das leere Versprechen. Im vergangenen Jahr wurden an der Strecke Bauarbeiten durchgeführt zur Fernsteuerung der Strecke vom Stellwerk Bodenteich (was gleismäßig mit der Strecke überhaupt nicht verbunden ist) aus. Jeder fragte sich, wofür, zumal es auf der Strecke bei einem Fahrzeug, vielen unbeschrankten Bahnübergängen und nur einer Ausweichstelle, keiner umfassenden Sicherheitstechnik bedarf.
Aber jetzt kommt der Clou. Seit dem letzten Fahrplanwechsel im Dezember 2022 ist auf der Strecke der Betrieb komplett eingestellt; es wird ein Schienenersatzverkehr (SEV) mit langen Fahrzeiten angeboten. Die Begründungen für die faktische Streckenstillegung sind widersprüchlich: Erst hieß es Kabelarbeiten, dann Brückenarbeiten und jetzt als Hammer schlechthin: es müssen über große Strecken die Betonschwellen ausgetauscht werden, da sie derselben Serie entstammen würden, die angeblich zu dem Bahnunglück in Burgrain bei Garmisch im Juli letzten Jahres geführt haben…. Wer das glaubt, wird selig. Auf einer Strecke mit einer Höchstgeschwindigkeit von 60 Km/h und faktisch keinen Kurven dürften potentiell bruchgefährdete Betonschwellen sicher kein Grund für eine Streckensperrung über mehr als drei Monate sein.
Eher geht die Vermutung in Richtung des Betreibers der Strecke, der Firma Erixx. Diese hatte ab Dezember 2022 die Konzession für das Dieselnetz Schleswig-Holstein Ost mit der Strecke von Lüneburg über Lauenburg, Büchen, Lübeck nach Kiel gewonnen und hat nun massive Personalprobleme bei der Befahrung der geplanten Züge. Über Monate hinweg musste der Stundenhalt dort auf einen Zweistunden-Takt ausgedünnt werden und Teilabschnitte wurden überhaupt nicht bedient. Da hat vermutlich Erixx, um die ärgsten Lücken zu stopfen, das Fahrpersonal von der Linie RB82 abgezogen, die auf SEV umgestellt ist, um wenigsten auf den neu übernommenen Strecken einen Zweistundentakt fahren zu können. Denn bei SEV in einer ohnehin mit ÖPNV schlecht versorgten Region schreit keiner so laut! Und nach einem halben Jahr Streckenstillegung ist dann jeder auch noch so gutwillige Bahnfahrer aufs Auto umgestiegen.