Verkehrswende ohne Ende

Gastbeitrag in der Saarbrücker Zeitung

Der Regisseur wünscht sich mehr politischen Willen, um den Bahnverkehr voranzubringen. Er fordert einen „radikalen Wiederaufbau“ – zum Beispiel mit der Reaktivierung stillgelegter Strecken.

Das Saarland ist ein Autoland. Doch bald ist Ford verschwunden und die Arbeitsplätze sind weg. Wäre es da nicht an der Zeit, einen Neuanfang zu machen? Wie wäre es denn, wenn man Bahnindustrie hierherholen würde und damit Arbeitsplätze? Die Züge sind voll in Deutschland, es gibt zu wenig Fahrzeuge, zu wenig Schienen. Stahl für neue Schienen, Oberleitungen und Fahrzeuge, direkt im Saarland hergestellt. Dazu wird das einst dichteste Bahnnetz Deutschlands, das der Saar, wiederhergestellt.

Und: Züge rollen von und nach Frankreich, nach Luxemburg, in die Republik und natürlich auch im Saarland. Aber nicht nur auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke, sondern auf einer vollelektrifizierten Flächenbahn. Die Strukturkrise wird damit überwunden und die Klimakatastrophe abgebogen. Ein gutes Netz mit guter Netzgeschwindigkeit ist das A und O eines Verkehrsmittels. Autos, Autobahnen und Straßen haben wir genug. Es gilt, dem Schienennetz eine Bresche zu schlagen.

Die Industrie hat nur Vorteile davon, die Bürger, das Land und die Kinder. Denn die Bahn ist das sicherste Verkehrsmittel, die einzig wirklich wirksame Elektromobilität und das schon seit Jahrzehnten. Doch sie wurde im Saarland – nicht nur da, aber da besonders – kaputtgespart, abgerissen, demontiert, verschrottet. Radikaler Wiederaufbau ist von Nöten, längst gibt es Kostennutzenanalysen, Machbarkeitsstudien, die die Reaktivierung von zahllosen Strecken im Saarland empfehlen. Doch die Regierung schläft, die Parteien schlafen, die Gewerkschaften schlafen und am tiefsten schläft die Verkehrswende.

Das Streckennetz muss explodieren, die Elektrifizierung muss rasend schnell kommen, der Ausbau der Schienen, die teils noch liegen, sofort in Angriff genommen werden. Ergänzt wird dies durch eine Saarbahn mit Netz und nicht nur mit einer Linie. Ergänzt werden muss dies durch renovierte Bahnhöfe mit Personal, Warteräumen, Gaststätten, Kiosken, und Fahrkartenverkauf. Ein Bahnhof muss dem Fahrgast ein Dach über dem Kopf bieten. Und an jeden Bahnhof gibt es Fahrradparkhäuser, Strom für die E-Bikes, die jedes Dorf und jeden Weiler an den Bahnhof ranrücken.

Natürlich gibt es auch Busse, Kleinbusse, Ruftaxis und Taktverkehr. Niemand muss zuhause bleiben. Die Post muss wieder an die Bahn angekoppelt, Verteilernetze ans Schienennetz angeschlossen werden. Parallel müsste man die Autos aus den Städten rausholen, sichere Fahrradwege bauen, Fußgängernetze ausweiten. Mit rigorosen Geschwindigkeitsbegrenzungen auch für Räder und E-Bikes. Leihbare E-Roller wären verboten. Die Menschen würden nicht mehr auf der Autobahn an den Geschäften und Arbeitsplätzen vorbeifahren, sondern entschleunigt und vernetzt wieder zueinanderfinden.

Das klappt alles, wenn ein politischer Wille da wäre und wenn Wirtschaft und Politik Visionen hätten. Uns retten keine zusätzlichen Straßen, kein zusätzlicher Kfz-Verkehr und auch kein Elektroauto. Einzig die vernetzten Verkehrsmittel des sogenannten Umweltverbundes Fuß, Rad, Tram, Bus und Bahn geben uns eine Chance. Es gilt, das Hoffen zu lernen, hat Ernst Bloch einst postuliert. Lernen wir es endlich!

Klaus Gietinger ist Regisseur und Autor.

Über Klaus Gietinger

lebt in Saarbrücken. Er ist Sozialwissenschaftler, Drehbuchautor, Filmregisseur, Verkehrsexperte und Buchautor. Er ist aktiv bei Bürgerbahn statt Börsenbahn.

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