2. Technikwissen, Erfahrung und Planung

Die Modelleisenbahn – Spielzeug oder mehr?

Teil 2 des fünfteiligen Gastbeitrags von Rolf Derenbach. Hier geht es zu Teil 1.

Die Modelleisenbahn bietet neben dem Vergnügen einen schönen und lehrreichen Zugang zum Zusammenhang zwischen Naturwissen und Technik. Sicher – es hängt Einiges davon ab, wie viel Material man nach mehreren Weihnachtsfesten schon hat. Wenn schon mehr, dann ist der Modellbauer schon herausgefordert, denn nun ist ein Optimum an möglichen Bewegungsläufen des Zugs, der Züge, herzustellen.

Die Anfangsbahn ist vermutlich ein Kreis, nun kommen die Weichen dazu und damit mehrere Kreise, die Züge sollen einmal in der einen Richtung, aber auch in der Gegenrichtung sich bewegen können. In einem Bahnhof sollen die Kreise zusammenkommen.

Es ist somit Planarbeit erforderlich, damit mehrere Züge fahren und der eine im Bahnhof hält, während ein anderer noch unterwegs sein soll. Dazu sind verschiedene Stromkreise zu bilden, die mit Schaltern zum Halten unterbrochen werden bzw. zum Fahren geöffnet sind.

Der Drang des Modellbauers geht auch in Richtung der Umgebung, der Häuser. Wenn ich doch nur unseren ersten Bahnhof noch besäße! Er war die Nachbildung des Inselbahnhofs in Lindau am Bodensee, ganz im Bauhausstil und noch aus Blech. Einige der Türen konnte man öffnen, und auf dem Bahnsteig tummelten sich kleine Figürchen, der Bahnhofsvorsteher in Uniform, Reisende, die Koffer schleppten, und ihre Begleiter, die zum Abschied ihnen zuwinkten.

Die waren damals noch aus bemaltem, gebranntem Ton. Heute sind die Bahnhöfe (wir haben das Modell des Bonner Bahnhofs), die Anlagen des Güterbahnhofs, die Stadthäuser, kleinere Anwesen auf dem Land, eine Dorfkirche und eine Burgruine aus Plastik, es sind Modellbausätze, aus denen man – ebenso vergnüglich – sie anfertigt.

Als Bäume benutzten wir Tannenzapfen.

Nun, wenn ich zurückdenke, so kann ich vermuten, dass die Grundlage für meinen Berufswunsch (nachdem der erste als Lokführer wegen meiner Kurzsichtigkeit aufgegeben werden musste), nämlich Stadt- und Regionalplaner, damals gelegt wurde.

Als Modellbauer kommt man ja fast zwangsläufig zu der Frage, wie das Eisenbahnwesen überhaupt entstanden war.

Warum heißt die Eisenbahn eigentlich »Eisenbahn«?

Man denkt, weil die Lok aus Eisen ist[3]. Das trifft jedoch nicht zu! Es war der walisische Kohlenminenbesitzer Reynolds, der es leid war, dass die Loren auf dem Weg zum Hafen auf den Holzschienen immer wieder umkippten. Zudem waren die Schienenstränge auf den Wegen, die auch von Fußgängern, Reitern und Kutschen benutzt wurden, verlegt. So ergaben sich ständig Streitereien, und, wenn nach langen Regengüssen die Wege vermatscht waren, mussten die Gleise wieder justiert werden. Er kam als Erster auf eine doppelte Idee, nämlich die Gleise getrennt von den bestehenden Wegen zu verlegen und die Schienen aus Eisen statt aus Holz zu schmieden, diese zudem in Form von Pilzprofilen zu fertigen. Das hatte den Vorteil, dass die Räder nicht mehr so häufig wie früher aus den Gleisen sprangen. Daher somit der Name Eisenbahn. Im französischen chemin de fer ist der Ursprung unmittelbar ersichtlich. So geschah es in diesem besonderen Jahr 1789(!). Seltsam – so Leopold von Ranke –, wie Ereignisse zeitlich zusammenfallen können, deren Geschichtsträchtigkeit sich erst in der Zukunft herausstellen sollte: in Paris die politische Wende ausgehend vom Sturm auf die Bastille einerseits und in Wales die technologische Neuerung andererseits.

Die Dampfmaschine, eine Anlage, die Energie in die Bewegung eines Rades umsetzt, war durch Thomas Newcomen und James Watt zu dieser Zeit schon erfunden. Nun galt es, diese Maschine auf ein Gleis zu setzen, dadurch die Maschine beweglich wird und Lasten ziehen kann, die Lokomotive oder das Dampfross. Unser Bestand an Lokomotiven ist traditionell, somit zum größeren Anteil auf das Dampfross ausgerichtet; meinem Bruder, dem mittlere von uns dreien, verdanke ich den beträchtlichen Zuwachs an Loks und Schienenmaterial.

Das Dampfross

Man schaue sich das Innere der Lokomotive einmal näher an. Das Beispiel zeigt die Technik einer Lokalbahn- oder Rangierlok Ende des 19. Jahrhunderts, so wurde der Dampfwagen auch noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gebaut[4].

Die größeren Schwestern waren die D-Zug-Lokomotiven mit drei und die Loks der schweren Güterzüge mit fünf großen Treibrädern und je einem vorgesetzten und nachgesetzten, spurhaltenden, gelenkigen Räderpaar. Hinzu kam der Tender, der das für längere Strecken benötigte Energiematerial, Kohlen, Wasser und Sand (der wurde beim Abbremsen benötigt) aufnahm.

Statt 40 bis 80 km pro Stunde, die die kleine Lokomotive erreichte, konnten – im Normalbetrieb – mit diesen Lokomotiven bis zu 120 km pro Stunde erreicht werden, ebenso wie die Zahl der angehängten Personen- oder Güterwagen erheblich gesteigert werden konnten. Es besteht ja eine Proportion zwischen dem Gewicht der Lokomotive und der Förderlast. Je schwerer die Lokomotive, umso mehr Last kann sie ziehen.

Erhaben war der Anblick noch in den 1960er Jahren, wenn im Bahnhof Baden-Oos die Räder der Lok beim Anfahren (und bei entsprechend großer Energiezufuhr durch größtes Öffnen der Ventile, dann schnaufte das Dampfross heftig) die Räder langsam sich zu drehen begannen. War der erste Widerstand überwunden, konnte der Zug beschleunigt werden.

Noch erhabener waren die schweren Güterzuglokomotiven mit fünf Treibrädern. Jedes Mal, wenn wir nach der Schule zu den Rheinauen radelten, warteten wir am Bahnhof Baden-Oos einen Güterzug ab, und zählten die angehängten Güterwagen, ich glaube, einmal kamen wir auf 66. Erregend war die Musik des Gerassels, das ja Minuten dauerte, weil diese Züge langsam unterwegs waren. Die Züge kamen aus Italien und der Schweiz, im großen Güterbahnhof im Mannheim wurde umrangiert, je nach dem endgültigen Bestimmungsort der geschlossenen und offenen Güterwagen.

Dampfloks – das ist gewiss – sind mit die schönsten Zeugen des menschlichen Erfindungsgeistes, weil der Antrieb als Gestänge zwischen den Rädern, der dampferzeugende Kessel und die Umsetzung von Dampf- in Bewegungsenergie sichtbar sind. Nicht alles ist jedoch gleich zu bemerken. Es war in den Anfangszeiten ein großes Problem, dass in einer Kurve die inneren und äußeren Räder einen unterschiedlich langen Weg nehmen, und somit Verzerrungsspannung entsteht. Die Geschwindigkeit in den Kurven musste somit gedrosselt werden. Gelöst wurde die Aufgabe durch ein kybernetisches – rückkoppelndes – Aggregat, mit dem die Fliehkraft in den Kurven ausgeglichen wurde. Diese Erfindung Mitte des 19. Jahrhunderts war genial!

Die spätere E-Lok, so langweilig sie im Vergleich zur Dampflok ausschaut, ist auch genial. Man muss ja wissen, dass eine Dampflok etwa 4 Stunden während der Nacht gewartet werden muss, nicht nur musste die Hitze erzeugt werden, sondern auch die Kessel mussten gereinigt werden, Kohlen und Wasservorräte aufgefüllt werden und die Lager in den Gestängen mussten gereinigt und geschmiert werden. Wer dieses Zeitalter noch erlebt hat, kennt die Lokführer, die mit einem Hammer in den Bahnhöfen die Lager der Treibstangen überprüften. Erst danach konnten sie die Schieber / Ventile öffnen, damit der Anfangswiderstand zwischen Treibrad und Gleis beim Anfahren überwunden und der Zug anschließend beschleunigt werden kann.

Die Lokomotive ist das Eine, die Eisenbahnstrecken und das Netz, das sie ausmachen, das ebenso von epochemachenden Erfindungen geprägte Andere.

Nächster Teil dieses Gastbeitrags: Die Entwicklung des Eisenbahnwesens

Wie immer freut man sich, wenn auf ein Schriftstück eine »Rückkopplung«, eine Antwort, erfolgt. Gerne auch per Mail an rderenbach@gmx.de


[3]  Die folgenden technischen und geschichtlichen Informationen habe ich aus dem Buch von Alfred Birk, Die Entwicklung des modernen Eisenbahnbaus. Sammlung Göschen Leipzig 1911, entnommen. Er, 1855 – 1945, war Eisenbahnfachmann (Wiener Technische Hochschule) und Schriftsteller, der wusste, wie man Laien in einen Stoff hineinführen kann.

[4]  K. Kahnmeyer und H. Schulze. Anschaulich-ausführliches Realienbuch. Bielefeld und Leipzig 1908. Daraus ist die Beschreibung der kleinen Dampflok entnommen.

Über Rolf Derenbach

Rolf Derenbach( 1944) Dr.-Ing., Studium der Architektur, Stadt- und Regionalplanung an der Hochschule für bildende Künste Berlin und an der Technischen Universität Berlin. 1973 Institut DATUM (Projekt zur Nutzung des Computers für die räumliche Planung), seit 1976 Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung mit den Themen Bildungsgeographie und eigenständige Regionalentwicklung durch Qualifikation und Innovation (einschl. Gutachten für die EU-Kommission). Seit 1989 Referent für Bildung, Kultur, Europa und internationale Partnerschaften. Nachberuflich: Schriften zur Architektur, Geographie, Geschichte und Philosophie, die im online Portal der Freien Universität Berlin verfügbar sind (refubium.fu-berlin.de).

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