Expressgut Teil 3: Vom „nicht geklappten Chromosomensprung“ und dem Ende des Expressguts
Anfang 1989 entschied der Vorstand der DB, das Expressgut vom Personen- dem Güterverkehr zu übertragen; wirksam ab Fahrplanwechsel zum 28. Mai. Wie sich das wohl für Industrie, Handel und Gewerbe auswirken wird? Ich schrieb an meinen MdL, Innen- und Verkehrsminister Dietmar Schlee, der zugleich Mitglied des Verwaltungsrats der DB war. Als Vorstandsmitglied des DeHoGa und Mitglied der IHK Bodensee-Oberschwaben brachte ich dies zur Sprache. Während alle Bahnhöfe und besetzten Haltepunkte mit Expressgut beliefert werden konnten, war die Zahl der Stückgut- und Güterbahnhöfe deutlich zurück gegangen.
Am 25.05.1989 fand ein VA der IHK über die Zukunft des Schienenverkehrs im ländlichen Oberschwaben im Messezentrum Friedrichshafen statt, bei der es hauptsächlich um den Güterverkehr ging. Dabei waren u.a. Minister Schlee und Verkehrsstaatssekretär Maurer MdL, Wilhelm Pällmann, Vorstand für Güterverkehr der DB, Otto-Julius Maier, Präsident der IHK sowie Vertreter aller Industriesparten und des Handels. Minister Schlee sprach von der Bereitschaft des Landes, die DB im ländlichen Raum zu unterstützen und führte als Beispiel Eutingen-Freudenstadt sowie Meckesheim-Aglasterhausen an.
Herr Pällmann, dessen Aktenkoffer mit einem Lufthansa-Emblem als frequent Air Traveller versehen war, sprach zunächst davon, dass bei denjenigen, die sich für die Bahn im ländlichen Raum einsetzen, der Chromosomensprung nicht klappte und weiter: auf dem flachen Land liegen doch keine Schienen mehr, da liegt doch nur noch Schrott und verglich Bemühungen die Bahn im ländlichen Raum zukunftsfähig und attraktiv zu machen mit dem Ritt über den Bodensee.
Stillschweigen in der vollbesetzten Halle, bleiche Gesichter bei den anwesenden Eisenbahnern. In der Kaffeepause fragte (nicht nur) ich ihn, wie er sich das vorstellt? Ich nannte ihm Beispiele aus der Gastronomie; wie z.B. wie derzeit frischer Spargel am Sonntag früh angeliefert werden kann? Verderbliche Frischware werden transportiert wie bisher? Hat doch alles bisher funktioniert? Zukünftig wird es noch besser: es wird z.B. in Oberschwaben in Biberach (Riß) ein Frachtzentrum errichtet, von welchem aus Sendungen per LKW zugestellt werden… Wie oft? Täglich? – keine Antwort, nur dass aus wirtschaftlicher Sicht der DB dies auch noch „kundenfreundlicher“ ist! Fisch am Freitag in Altona aufgegeben: ist er spätestens samstags morgens in Saulgau? – Versuchen Sie es doch… es gab noch mehr Fragen auch von Vertretern anderer Branchen.
Doch es funktionierte nicht: Einige Tage später traf u.a. die Nachricht eines langjährigen Lieferanten aus Altona ein, dass zukünftig Dachser die Frischware liefert, aus Frankfurt Noerpel, Rungis mit eigenen (gemieteten?) LKW…. 1985 konnte ich noch bei der GV der Ringhotels Deutschland (damals Deutschlands größte Hotelkooperation) sowie bei anderen Berufsorganisationen Kollegen von den Vorteilen des Expressguts überzeugen – und jetzt das! War wütend und traurig zugleich.
Am 10. Juni fand eine große VA statt; Salmschnitte „Duglére“ als Vorspeise. Wollte, dass die BAHN mir die Sendung bringt und nicht der Dachser; was der Lieferant akzeptierte. Inzwischen war dort auch die Expressgutabfertigung geschlossen und die Fischsendung wurde am Güterbahnhof abgeliefert mit der Zusage, am nächsten Morgen wäre diese am Frachtzentrum Biberach (Riß). Es klappte nicht: Mobilisierte Fischhändler und Kollegen aus dem Bodensee- und südbadischen Raum, wobei der Kleber-Express noch zu Hilfe eilte. Drei Tage später kam die Sendung an: man „roch“ schon von weitem, dass diese Fischsendung alles andere als gut war. Voller Wut schickte ich diese an die HVB der DB an den für mich Schuldigen; und mit separater Post die Rechnung. Die einzige Reaktion war, dass die Rechnung bezahlt wurde.
Ein trauriges Ende des Expressgutes.
Das Frachtgutzentrum (z.B. für Weintransport) hielt sich noch länger, bis es durch MORA C 2001/2 ebenfalls zum Opfer fiel.