Der Tod von Winnie am 22.05.2023 hat uns alle schockiert.
Unbestritten wird er uns allen sehr fehlen.
Hatte nicht jeder von uns eine persönliche Verbindung und Erinnerung an Winfried? Freundschaften mit ihm, die teilweise Jahrzehnte dauerten?
Ein Buchhändler meiner Heimatstadt macht mich im Frühjahr 1987 auf das Buch Eisenbahn und Autowahn aufmerksam. Meinem Freund Kurt Bielecki, Gründer der Horber Schienentage, schickte ich eines mit dem Hinweis, den Autor doch zur Lesung und Vorstellung dieses Buches zu den 5. Horber Schienentagen 1987 einzuladen. Am besten am Donnerstag, 19.11.1987 spätnachmittags/abends? Ich schrieb ihn über den Verlag als Herrn Dr. Winfried Wolf an; er sagte zu. Es stellte sich heraus, dass er in Ravensburg aufgewachsen ist, dort Abitur machte: von dort her ein „Oberschwäbischer Landsmann“, dessen Geburtsstadt auch noch Horb ist. Seine Darbietung begeisterte die knapp 200 Teilnehmer; denn wie in manchen vorgegangenen Referaten ging es dabei nicht nur um Zugverbindungen und technische Details. Im Anschluss daran saßen wir noch zusammen; entdeckten viel Gemeinsames aus unserer oberschwäbischen Heimat; schließlich wohnte dort meine Patentante… und die Eisenbahn in Oberschwaben war mir schon seit Kindheit her vertraut.
Auch so verstanden wir uns persönlich; Parteizugehörigkeiten störten mich als (damaliges) CDU-Mitglied und Mandatsträger nicht im Geringsten: ich sah in ihm einen Mitstreiter für eine bessere Bahn. Schließlich hatte ich es in meinem Beruf mit Gästen verschiedener Anschauungen und Religionen zu tun, was ich stets interessant fand: die Schriftsteller der Gruppe 47 trafen sich ebenso in meinem Hotel wie Ernst Jünger; Lech Walesa sowie General Jaruzelski. Der gute Kontakt mit Winfried entwickelte sich zur Freundschaft, und ich hatte Respekt und Achtung wegen seines Wissens und Engagements, was nicht nur die Eisenbahn und Bahnpolitik betraf. Er war gegen den NATO-Einsatz im damaligen Jugoslawien und veröffentlichte vieles darüber; er suchte in Oberschwaben einen Veranstaltungsort: warum nicht bei mir in der KLEBER-POST? In der Schwäbischen Zeitung wurde vorab darauf aufmerksam gemacht, einheimische Buchhändler legten einige seiner Bücher im Schaufenster aus. Sicher meinte der eine oder andere meiner (damaligen) Parteifreunde: „wie kannst DU Dich mit so einem Ultralinken einlassen?“ Unser Landrat lud ihn zu Champagner ein, Bundeswehr Angehörige der umliegenden Standorte kamen zu seinem Vortrag. Bis in die Nacht dauerte die angeregte Diskussion; und das im „schwärzesten oberschwäbischen Kreis“ auch noch in der traditionellen, geschichtsträchtigen Kleber-Post!
Doch der meiste Kontakt erfolgte wegen/durch die EISENBAHN. Als der Kleber-Express ab Sonntag, den 1. Juni 1997 mit neuer Konzeption unter großer Anteilnahme fuhr, kam Winfried extra nach Freiburg (Brsg) und fuhr als einziger MdB und Mitglied des Verkehrsausschusses mit; ab Donaueschingen mit mir auf dem Führerstand einer 218. Am Samstag, den 16.09.1998 war in Lindau eine Veranstaltung für die Erhaltung des Inselbahnhofes; wobei ich ihn ab Aulendorf im RE 3801 begleitete und die mir so lange bekannten Lindauer Eisenbahner zur Teilnahme bewegte.
Im November 2000 rief er mich an; er wollte eine Gruppe von Bahnexperten und –freunden gründen; ob ich dabei sein will? Am 17.11. trafen wir uns in Berlin; zusammen mit Johannes Hauber. Prof. Heiner Monheim, Klaus Gietinger, etc… würden mitmachen; ich schlug Karl-Dieter Bodack und Eberhard Happe vor. Es war die „Geburtsstunde“ von Bürgerbahn statt Börsenbahn. Zwei weitere Treffen folgten in Stuttgart und Mannheim; unser Kreis wurde immer größer; ohne Winfried als unser „Spiritus Rector“ wäre es nie möglich gewesen. Unvergesslich auch die Wochenendtreffen in Bad Herrenalb und in Schorndorf. Es ging nicht nur um Stuttgart 21 und die Entwicklung der DB; auch Freundschaften entstanden zumeist zu späterer Stunde an der Bar. Ich habe ihn bewundert: abends/nachts noch mit mir/uns an der Bar und am nächsten Morgen hatte er schon das Protokoll geschrieben… Mit der Zeit hat sich auch unser Kreis verändert: Adolf-Heinrich von Arnim, Peter Conradi, Hermann Scheer, Liesl Hartenstein, Gangolf Stocker haben uns wie jetzt Winfried verlassen; andere wiederum sind dazugekommen. Mich erinnert unsere inzwischen umbenannte Bürgerbahn-Denkfabrik für die Schiene an die Gruppe 47: wie Hans-Werner Richter war Winfried unser von uns allen respektierte und geschätzter Spiritus Rector.
Er rief mich auch öfters an, wenn er für seine vielen Veröffentlichungen spezielle BAHN-Auskünfte brauchte:
Wann der erste Zug den neuen Stuttgarter Hbf verließ (23.10.1922, 04:15, Zug 561 nach Aalen), wie leistungsfähig der Stuttgarter Hbf in den Jahren 1939, beziehungsweise den 1950ern oder 1978 war. Ich machte ihn mit meinem Freund Egon (Hopfenzitz) bekannt, dem letzten Bahnhofsvorstand des Stuttgarter Hbf zu Bundesbahnzeiten. Unvergessen die Veranstaltung im Stuttgarter Rathaus, durch Gangolf veranlasst mit ihm, Egon, Karl-Dieter, anderen Mitstreitern. Ich reiste mit einem Koffer voll mit Kursbüchern und alten Fahrplänen an, wo wir vor Redakteuren der Stuttgarter Zeitung darlegten, was dieser Bahnhof einstens zu leisten im Stande war.
Wenn er Infos brauchte, welche Strecken wann stillgelegt wurden, Veränderungen im Streckennetz,
Fahrzeitvergleiche, etc…
Und … er hatte meist Eile. „Andreas, ich bin am Schreiben, könntest Du? – Wann? – Geht’s morgen?
Wenn meine Frau den Anruf entgegennahm: „Winfried Wolf ist am Telefon“ – Diese Anrufe werde ich vermissen. Anlässlich eines Vortrages in Schorndorf übernachtete er; am nächsten Tag hatten wir bis zu seiner Abfahrt um 11.14 Uhr ausgiebig Zeit zu einem ausgedehnten Frühstück. Auch Persönliches kam zu Sprache: seine Kind- und Jugendzeit in Oberschwaben.
Im Anschluss unserer letzten Tagung in Köln um ca. 20.00 h trafen einige von uns noch Winfried. Willst DU nicht mit uns mitkommen, in ein Kölsches Lokal? Er müsse sich hinlegen, ihm ginge es nicht gut, war seine Antwort. Ich ahnte, wie es wirklich um ihn bestellt war… am nächsten Tag in der Kirche dachte ich während der hl. Messe: „Herr, lass Winfried noch lange unter uns weilen“.
Aber das Schicksal wollte es anders.
Zurück bleibt die Erinnerung an all die vielen gemeinsamen Stunden und Tage, an sein Engagement, das uns beflügelt hat, und all die vielen Erinnerungen an ihn.
Danke, Winfried dafür, Danke…