rail blog 94 / Joachim Holstein

Nachtzüge mit Extras – 3

Die meisten Nachtzüge fahren täglich, aber es gab und gibt auch einige, die nur ein, zwei oder drei Mal pro Woche fahren. Die DB setzte diverse Autoreisezüge nach dem Schema »Mi Fr So hin, Do Sa Mo zurück« ein, sodass die Zuggarnituren in sechs Nächten im Einsatz waren und es von Dienstagmittag bis Mittwochmittag Zeit für mittlere und größere Reparaturen am Heimatbahnhof gab, die nicht während der kurzen Wenden am Freitag oder Sonntag erledigt werden konnten. Außerdem gab es »Wochenendzüge«, die abgestimmt auf den typischen Bettenwechsel freitagabends nach Süden fuhren und samstagsabends die Rückreise antraten. Man konnte also am Freitag nach Feierabend in aller Ruhe zum Bahnhof aufbrechen und stand am frühen Samstagmorgen mit Skiausrüstung am Arlberg, deponierte sein Gepäck im Hotel und machte es beim »Schifoan« wie Wolfgang Ambros:
In der Fruah bin i der erste, der wos aufefoart
Damit i ned so long aufs Aufefoarn woart

Am Tag der Rückfahrt kamen diese Reisenden dann total nass und glücklich in unseren Zug, denn sie hatten den ganzen Tag, auch nach dem Auszug aus dem Hotel, noch auf der Piste verbringen können. Sie trockneten die Skianzüge im Abteil, wo dann die Rückfahrt mit Jagertee oder unseren Biervorräten genossen wurde.

Einwöchige Skiferien umfassten für sie also acht volle Tage auf der Piste und nicht nur mehr sechs wie nach der Abschaffung dieser Züge durch die DB, als die Reisenden entweder beide Samstage von morgens bis abends im ICE sitzen oder aber nach Innsbruck oder – kein Witz! – nach Mailand fliegen mussten, um dann (ganz modern!) mit dem Shuttlebus oder Großraumtaxi zum Arlberg zu fahren.

Solche Ski-Nachtzüge gibt es aber immer noch, vor allem aus Dänemark, aus den Niederlanden und Belgien; hier eine Auswahl:

https://www.tui.nl/wintersport/trein/
https://www.snalltaget.se/en/thealps

Die DB hatte vor 2016 zuletzt nur noch durch Verlängerung einiger Nachtzüge über München hinaus nach Innsbruck bzw. über Zürich hinaus nach Brig oder Chur ein – halbherziges und völlig unzureichendes – Angebot gemacht.

Die schönsten Wochenendzüge waren aus meiner Sicht die zu Ostern, denn die fuhren wegen des Karfreitags schon am Donnerstagabend ab, sodass wir anderthalb Tage »Überliegen« in den Alpen genießen konnten. In Schwarzach-St. Veit lieh ich mir ein Rad, drehte am Freitag eine 90-km-Runde über Saalfelden und Zell am See, während ich am Samstag mit der Bahn zum Nordportal des Tauerntunnels nach Böckstein fuhr und mich durch das Gasteiner Tal abwärts rollen ließ. Zwei Jahre später war ich zu Ostern in Brig und kaufte ein Rundfahrt-Ticket: Brig-Domodossola-Centovalli-Locarno-Bellinzona-Göschenen-Andermatt-Furka-Brig; mit einem Bad im Gebirgsfluss Maggia, einer Übernachtung in Bellinzona und einem Abstecher zum Oberalppass auf 2.000 m Höhe. Als ich am Samstagabend wieder auf den Rest des Teams traf, waren alle wegen meiner Sonnenbräune erstaunt – in Brig hatte es nur geregnet …

Über Joachim Holstein

(*1960) arbeitete von 1996 bis 2017 als Steward in Nacht- und Autozügen der DB, war von 2006 bis zur Einstellung dieser Verkehre Betriebsrat der DB European Railservice GmbH und zuletzt Sprecher des Wirtschaftsausschusses. Mitbegründer der Initiative zur Rettung des Nachtzuges Hamburg-Paris (2008; »Wir wollen nach Paris und nicht an die Börse«) und des europäischen Netzwerks für Nachtzüge »Back on Track« (2015; https://back-on-track.eu/de/); Weiteres unter www.nachtzug-bleibt.eu

Zeige alle Beiträge von Joachim Holstein →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert