rail blog 99 / Andreas Kleber

Meine ERINNERUNG an den TEE Bavaria

Der für mich wohl erlebnisreichste Tag mit dem Bavaria[1] war Dienstag, der 13. März 1973.  Genehmigt von meinem Freund Reinhard Dobler (er war der letzte Amtsvorstand des Bw Lindau) durfte ich unter seiner gestrengen Aufsicht und der des Lindauer Lokführers Zeiter den TEE BAVARIA zwischen Lindau und München auf der 210-007[2] fahren!

Es war zwar ein sonniger Tag, aber durch den strengen und langen Winter lag noch viel Schnee im Allgäu. Ich war am Anfang schon etwas nervös; wir standen „draußen“ vor dem Esig (Einfahrsignal) und hatten ja nur 5 Minuten Zeit; der BAVARIA erreichte mit seiner SBB Lok Re 4/4 I Lindau Hbf pünktlich; vom hinteren Führerstand musste ich mit viel Gefühl und wenig Zeit (die zwei Rangierer warteten ja bereits!) an den Zug ankuppeln. Und dann der Hinweis beim Anfahren „Laß die Finger von der Lokbremse…“; Warten auf das „Fertig“ des Zugführers, Bremsprobe; Ausfahrt Hp1 mit 50 km/h bis zum Damm, dann die Steigung den Hoyerberg rauf… Bei der 210 schaltete sich – im Gegensatz zur 219-001 – die Gasturbine für die Zugbeschleunigung erst nach der Fahrstufe 15 ein! Aber durch das Winterwetter und den in der Sonne tauendem Schnee, der die Schienen nässte, konnte man bei den Steigungen speziell zwischen Lindau und Rehlings, Hergatz-Oberstaufen und Kempten-Günzach nicht „voll aufschalten“, weil man ein „Durchdrehen“ der Lok und damit ein unnötiges Sanden vermeiden wollte!

Dabei verlor ich zwischen Hergatz und Oberstaufen 2 Minuten (!!) – „aber die holst Du bis Kempten wieder rein“… Es gelang mir. Die 2 Minuten hatte ich bis Martinszell wieder reingeholt; allerdings gab es bei der Einfahrt in Kempten Hp2 (Hauptsignal Langsamfahrt); Indusi betätigen und auf 40 km/h runterbremsen, was eine Minute kostete! Bis Biessenhofen noch „volle Konzentration“ mit Ab- und Aufschalten (die Lycoming-Gasturbine befand sich direkt hinter dem Führerstand. Ich  stellte ich mir vor, wie sich die Reisenden das Filet Mignon mit einem Dézaley im SBB-Speisewagen munden lassen, während ich voll konzentriert und streng begutachtet von zwei erfahrenen Maschinisten Richtung München fuhr. Immerhin war ich am Ende EINE MINUTE vor Plan. Das heißt: wir benötigten für die Fahrtzeit Lindau – München insgesamt 2 Stunden und 14 Minuten anstelle der 2 Stunden und 15 Minuten, die es der Fahrplan vorsah.

Heute brauchen die SBB – RABe 501 „Giruno“ (Bussard) zwischen Lindau-Reutin und München1‘54“; über die elektrifizierte, kürzere Strecke mit Zwischenhalten in Memmingen und Buchloe. Ob für die Reisenden ab Lindau Insel die Fahrzeit dadurch verkürzt wird (sie müssen ja erst nach Reutin gelangen) mag dahingestellt sein.

Um das zu verstehen, muss zum einen die Geschichte des TEE Bavaria kurz skizziert, und zum anderen einiges zum Zustand der Schienenstrecken damals und heute gesagt werden.

Nachdem durch die Elektrifizierung und den Ausbau der Rheintalbahn Karlsruhe und Frankfurt (M) von Zürich und Basel schneller erreichbar waren und die TEE- und F-Zugverbindungen gut angenommen wurden, wurde Anfang/Mitte der 60er Jahre von Schweizer Seite her der Wunsch vorgetragen, nun auch die beiden süddeutschen Großstädte München und Stuttgart mit schnellen, erstklassigen Zügen zu verbinden. Die Reisezeit sollte nach Stuttgart bei drei und nach München bei vier Stunden liegen. Mit dem Winterfahrplan 1969/70 war es so weit; die ersten TEE fuhren auf der Verbindung Zürich – München. Die Triebwageneinheit bestand aus einem Maschinenwagen (Achsfolge 1Bo-Bo1), einem Abteil-Speise- und Großraum/Steuerwagen. Es war ein dieselelektrischer Triebwagenzug, mit einer Maschinenleistung von 2 x 1.000 PS und 160 km/h Höchstgeschwindigkeit. Lindauer Lokführer wurden auf dieser TEE Einheit geschult.

Am 09. Februar 1971 kam es zur bisher schwersten Eisenbahnkatastrophe in Deutschland nach dem Krieg, als TEE 56 München-Zürich bei Aitrang in einer scharfen Rechtskurve statt der vorgeschriebenen 80 km/h mit ca.130 km/h aus den Gleisen schoss, dabei das Gegengleis zerstörte und der Steuer- sowie der Speisewagen die zwei Meter hohe Böschung in ein Bachbett stürzte. Der Abteilwagen und Triebkopf am Zugende blieben auf dem Gegengleis liegen, in welchen auch noch einige Minuten später ein Schienenbus aus der Gegenrichtung in die Trümmer fuhr. 28 Menschen kamen dabei ums Leben, darunter der Lokführer; 42 Fahrgäste wurden schwer verletzt. Wie und warum es dazu kommen konnte, konnte m.E. nicht geklärt werden. Am erfahrenen Lindauer Lokführer kann es nicht gelegen haben.

Der NS/SBB-TEE-Triebwagen wurde durch einen mit einer 210 bespannten TEE-Zug ersetzt; mit einem DB Apm und Avm sowie einem SBB-Speisewagen. In den heutigen 2-stündigen ICE-Verbindungen München – Zürich hat er würdige Nachfolger gefunden, auch wenn es sich für Lindauer und Kempten (Allg) nachteilig auswirkt.


[1] Bavaria, ein Schnellzug der Zugklasse TEE (Trans Europ Express). Die TEE-Züge bildeten in den 12960er und frühen 1970er Jahren ein europäisches Netz komfortabler und schneller Züge, die nur Wagen der ersten Klasse führten.

[2] Diesellokomotive mit einer Gasturbine als Zusatzantrieb.

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