Eine Nachtzugreise im Sitzwagen
Wenn dieser Text erscheint, werde ich hoffentlich eine Nachtzugreise von Hamburg nach Offenburg absolviert haben, um anschließend per Deutschlandticket die Verwandtschaft in »The Länd« zu besuchen.
Denn ein Platz im Schlaf- oder Liegewagen des Nightjet Hamburg-Zürich war vier Wochen vorher nicht mehr zu bekommen.
Für mich ärgerlich – aber typisch, denn wie (außerhalb des Bahntowers) allgemein bekannt ist, besteht eine hohe Nachfrage nach bequemen Reisemöglichkeiten über Nacht.
Das Buchungsprocedere zeigt aber wieder einmal, wie die Deutsche Bahn die Nachtzüge ausbremst. Es sei am Beispiel der nächsten Reiseplanung demonstriert: ich möchte am Samstag, den 15. Juli in Stuttgart ankommen, aber nicht erst am Spätnachmittag. Also gebe ich 22:00 Uhr des Vorabends als Abfahrtszeit ein. Mir werden auf einen Schlag acht Verbindungen angezeigt, vier davon mit der Zeit 22:07 Uhr, eine um 22:28 Uhr und drei um 22:46 Uhr. Bei einer der Verbindungen ab 22:07 und den dreien ab 22:46 Uhr werden Preise genannt, bei den anderen vieren heißt es stattdessen »Der Preis wird im nächsten Schritt ermittelt«. Als Grund für diese unterschiedliche Behandlung drängt sich auf, dass bei den vier preislosen Verbindungen ein »NJ 471« Teil der Verbindung ist, während die vier Verbindungen mit Preis mit ICE, RE und RB auskommen. Der Zug ab 22:07 Uhr wird hier mit »IC 60471« angegeben. Diese Verbindung klicke ich an. Daraufhin bekommt der IC 60471 den Untertitel »NJ 471«, was die identische Abfahrtszeit auch für die erklärt, die das von den DB-Nachtzügen übernommene Nummerierungssystem nicht kennen, nämlich die Sitzwagen des Nachtzuges XYZ als Intercity 40XYZ, 50XYZ oder 60XYZ zu bezeichnen. Jedenfalls könnte ich diese Verbindung genauso schnell buchen wie eine Reise im IC oder ICE am Tag. Alles prima.
Aber ich will richtig schlafen. Ich klicke also auf diejenige der preislosen Verbindungen, bei der der Zeit-Balken des »NJ 471« am längsten ist und ich nur ein Mal umsteigen muss, und sehe: Nachtzug bis Karlsruhe, dann im IRE nach Stuttgart. Okay. Da mir die DB versprochen hat »Der Preis wird im nächsten Schritt ermittelt«, gehe ich diesen einen Schritt und klicke auf den roten Pfeil. Und dann … passiert dieses:
Ich bin also jetzt bei www.international-bahn.de: »Auch Fahrkarten für zahlreiche Nachtzugverbindungen von und nach Deutschland können Sie hier buchen.«
Hm. Und ich hätte schwören können, »The Länd« läge immer noch im Geltungsbereich des Grundgesetzes, auch wenn man da jetzt in der Eigenwerbung nicht mehr auf die Hochdeutsch-Kenntnisse hinweist.
Ich werde weiter damit abgeschreckt, dass die hier gebuchten Fahrkarten nicht in meinem DB-Kundenkonto auftauchen, dass ich kein BahnBonus-Upgrade buchen kann, dass »AGB für internationale Buchungen« gelten (echt jetzt?), dass man mir aber trotzdem eine gute Reise wünscht.
Es folgen die Zusatzangaben, die ich nicht machen muss, wenn ich im Sitzwagen desselben Zuges buchen würde: man verlangt mein Geburtsdatum (»für die Preisberechnung des Auslandstarifs«), hat sich aber freundlicherweise gemerkt, dass meine Rabattkarte eine BahnCard 25, 1. Klasse ist.
Und dann folgt der Fußtritt: »… können die von Ihnen gewählte Verbindung online nicht verkaufen. … Als Alternative bieten wir Ihnen gerne den Interrail-Pass für das flexibelste Reiseerlebnis in Europa an.«
Vielleicht sollte ich mir den Spaß gönnen und mich bei der DB erkundigen, welcher Interrail-Pass für eine Fahrt von Hamburg nach Stuttgart und zurück gilt, wenn ich in Deutschland wohne. Oder ich überlasse das den Profis der »Heute-Show« oder der NDR-Satiresendung Extra3.
Aber zu fragen ist dann doch:
Warum wird die Preisermittlung »im nächsten Schritt« versprochen, wenn es um einen Zug geht, bei dem die DB sich weigert, Online-Buchungen vorzunehmen?
Warum erfolgt an keiner Stelle der Hinweis »Buchen Sie bitte am Schalter, telefonisch oder gleich bei den ÖBB«?
Denn so wie die DB diese Buchungsseite gestaltet, treibt sie die Reisenden immer noch in die Sitzwagen oder in einen Tageszug oder in den Flieger.