Zur Zukunft des Deutschland-Tickets und zur Notwendigkeit einer neuen Bahnstrategie
„Bürgerbahn – Denkfabrik für eine Starke Schiene“ fordert die Verkehrsministerinnen und Verkehrsminister der Länder und den Bundesverkehrsmnister auf, den Fortbestand eines bundesweit einheitlich gültigen Tarifangebotes für den Öffentlichen Verkehr finanziell zu sichern. Und im Rahmen einer Einigung über die finanzielle Beteiligung des Bundes das fatale Defizit einer klimapolitisch konsistenten Bahnstrategie zum Anlaß für eine Generaldebatte über eine Bahnreform 2.0 zu nehmen.
- Der Verweis auf Länderzuständigkeit für den SPNV ist eine „faule“ Ausrede: Der Bund macht es sich zu einfach, seine Verweigerung einer weiteren anteiligen Mitfinanzierung mit der generellen Zuständigkeit der Länder für den SPNV zu begründen.
- Hätten wir ein Klimaticket, wäre der Bund sowieso mit in der Verantwortung für die Tarifreform: Die Frage der fiskalischen Beteilgung des Bundes hätte sich sowieso nicht gestellt, wenn von Anfang an auch der Schienenpersonenfernverkehr in das Deutschlandticket integriert worden wäre. Das hatte Bürgerbahn schon lange gefordert mit Verweis auf das Österreichische Klimaticket (365 € Ticket) und das schweizerische Generalabo, beides Unversaltickets mit Gültigkeit auf allen öffentlichen Verkehrsangeboten unabhängig von der Reiseweitengültigkeit.
- Deutschlandticket wird sowieso auch für distanzmäßige Fernreisen genutzt, aber unter wenig einladenden Bedingungen: Das Deutschlandticket ist schon jetzt räumlich unbegrenzt nutzbar auch für distanzmäßige Fernreisen jenseits der 50 km. Allerdings nur unter Nutzung der SPNV-Angebote und mit Inkaufnahme häufiger Umsteigenotwendigkeiten am Ende der jeweiligen Linienwege der genutzten SPNV-Angebote.
- Ausschluß von Fernverkehrszügen verkehrspolitisch wenig sinnvoll: Der Aussschluß der bislang zuschlagspflichtigen und weiterhin sehr teuren Fernverkehrsangebote IC, EC und ICE sowie der Nachtzüge macht verkehrspolitisch und institutionell wenig Sinn. Klimapolitisch verhindert er ein generelles Umsteigen vom Autoverkehr für alle Distanzen.
- Tariferhöhungen der DB klimapolitisch kontraproduktiv: Die DB verfolgt noch ohne jede kritische Begleitung durch die Bundesregierung aktuell durch ihre angekündigten Tariferhöhungen eine zum Impuls des Deutschlandtickets kontraproduktive Tarifpolitik. Sie macht das System der Sparpreise und Zugbindungen noch komplizierter und abschreckender.
- Auch der Fernverkehr braucht einfache Flatrateangebote: Stattdessen sind auch im Fernverkehr generelle Flatratetarife mit einfacher Nutzbarkeit auf Abobasis zwingende Voraussetzung für die klimapolitisch notwendige Verkehrswende. Damit auch im Bereich der mittleren und weiten Distanzen die Schiene wieder zur Nr. 1 unter den Verkehrsmitteln wird.
- „Deutschlandticket plus“ als Erweiterungsoption: Allenfalls akzeptabel wäre für ein einfaches deutschlandweites Tarifsystem eine Splittung des Deutschlandtickets in zwei Varianten. Die Basisvariante des bisherigen Deutschlandtickets für 49 € für die reine Nutzung der SPNV Angebote und der lokalen und regionalen ÖPNV-Angebote. Und eine Aufstockungsvariante zur Einbeziehung der Fernverkehrsangebote für beispielsweise 70 € monatlich.
- Damit müsste der Bund in die Finanzierung einsteigen: Dem Bund würde seine bisherige Ausrede entzogen, er sei ja nicht für den Nahverkehr zuständig. Und könne sich deshalb aus der Mitfinanzierung des Deutschlandtickets verabschieden und diese allein den Ländern überlassen. Mit der Erweiterung um den Fernverkehr würde der Umstiegseffekt von der Straße auf die Schiene massiv gesteigert und der Bund würde sich fiskalisch zu seiner Verantwortung für die „Verkehrswende von oben“ bekennen.
- Gemeinwirtschaftlichkeitspostulat nicht nur für InfraGo sondern das gesamte Bahnsystem: Und das sollte in Verbindung mit der ohnehin für die „InfraGo“ vorgesehenen Zielsetzung der Gemeinwirtschaftlichkeit dazu führen, dass das bisherige Postulat der Eigenwirtschaftlichkeit für die Fernverkehrsangebote der Bahn aufgegeben wird. Der Bund müsste dann auf der Grundlage seiner grundgesetzlichen Verpflichtung für ausreichende, der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Regionen dienende Schienenerreichbarkeiten eine Aufgabenträgerrolle für den Fernverkehr übernehmen (die er im Straßenbereich immer schon mit allen fiskalischen Konsequenzen anerkannt hat) und sich an der Finanzierung nicht eigenwirtschaftlicher Schienenfernverkehrsangebote beteiligen.
- Basis für eine Renaissance des IR: Dann würden vor allem wieder InterRegio-Angebote auf die Schiene kommen, um alle Mittelzentren und Oberzentren miteinander zu verbinden im Taktverkehr des Deutschlandtaktes. Das würde sich dann auch für die DB AG rechnen, weil es Bundesmittel für unwirtschaftliche IR-Verkehre gäbe.
- Die Schiene endlich in eine Klimastrategie einbinden, vor allem auch im Güerverkehr durch vergleichbare Flatrate-Logiken: Und man würde dann auch die Debatte über die Relevanz des Schienengüterverkehrs (sowohl Schienengüternah- und- Regionalverkehr als auch Schienengüterfernverkehr) für die Bewältigung der Klimakrise beginnen. Ziel wäre eine deutliche Verbilligung des Schienengüterverkehrs und eine durchgängige Vereinfachung seines Tarifsystems nach dem Vorbild des Deutschlandtickets. Damit könnte die bislang leider relativ marginale Rolle der Güterbahn im Modal-Split der Güterverkehre (vor allem im Bereich der kurzen und mittleren Distanzen ist die Güterbahn weitgehend marginalisiert, weil sie dort keine adäquaten Angebote macht) beendet werden. So würde eine wirkliche Konkurrenzfähigkeit der Güterbahn begründet.
- Schluß mit dem Diktat der Ökonomen und Sparkommissare: Es war sowieso ein Kardinalfehler der Bahnreform, dass sie im Wesentlichen von Ökonomen und Fiskalaktobaten initiiert wurde und keinen Verkehrswendeauftrag beinhaltete. Deswegen wurden der Güterverkehr und Fenverkehr dem Diktat der Eigenwirtschaftlichkeit unterstellt. Vergleichbare Logiken hat es im Straßenverkehr nie gegeben. Die geforderte Eigenwirtschaftlichkeit hat den Güterverkehr und die Fernbahn im IR-Bereich dem Zugriff der Sparkommissare ausgeliefert. Mit dem fatalen Ergebnis einer negativen Modal-Split-Entwicklung zu Lasten des Klimas. Kein Wunder, dass es danach zur grassierenden Sitllegung von Anschlußgleisen und dezentralen Tarifpunkten und Verladeanlagen gekommen ist. Ntürlich haben dann die anschwellenden Lkw-Lawinen die deutschen Autobahnen immer mehr verstopft, was dann Anlaß für immer mehr Autobahnaus- und Neubau wurde. Vom Bund immer großzügig finanziert.
- Bahnreform 2.0 muß Umorientierung der Bahnstrategie bringen- von der Korridorbahn zur Flächenbahn: Deswegen ist eine Bahnreform 2.0 dringend erforderlich, in der die bestehenden Fehlsteuerungen deutscher Bahnpolitik korrigiert werden. Anstelle der Fixierung auf wenige Großprojekte der Hochgeschwindigkeit und immobilienwirtschaftlichen Bahnhofsspekulation sowie auf eine rein korridorfixierte sog. „Generalsanierung“ muss die Strategie auf Dezentralität einer Flächenbahn und eine weitgehend unter Betrieb erfolgende Sanierung des ganzen Netzes ausgerichtet werden. Anstelle der selbstmörderischen Totaloperation weniger Arterien ist eine grundlegende „Kur“ des ganzen Netzes notwendig. Streckensperrungen müssen die seltene und zeitlich begrenzte Ausnahme bleiben.
- Beendigung der branchenfremden Geschäfte und hochriskanten Auslandsengagements: Anstelle der Fixierung auf viele bahnfremde Geschäfte und hochriskante Auslandsgeschäfte braucht die Bahn eine Konzentration auf das Kerngeschäft einer schienenbasierten Klimapolitik und Verkehrswende.
- Breite Debatte für grundlegenden Reformansatz: Die Bahnen brauchen eine verlässliche Perspektive, die ausgehend vom Deutschlandtakt und Deutschlandticket in einer konsistenten, klimapolitisch motivierten Verkehrswendestrategie manifestiert wird. Dafür ist ein grundlegender Reformansatz nötig, der weit über die fiskalischen Apskete hinausgeht.