Anspruch und Wirklichkeit – klaffen manchmal auseinander
Einer offiziellen Mail von einer ranghohen DB-Vertreterin war der abgebildete Sticker angeheftet. „Personenbahnhöfe – Deutschlands größter Gastgeber“. Hört sich nett an, aber was heißt das? Von einem Gastgeber erwartet man eine angenehme Atmosphäre, Zugewandtheit und Serviceorientierung. Bekommt man das von DB Station&Service, jetzt Bestandteil von DB InfraGO?
Guckt man sich deutsche Personenbahnhöfe an – sofern sie überhaupt noch der Deutschen Bahn gehören und nicht Bestandteil von Immobilienfonds sind oder nur noch vergammelt in der Landschaft herumstehen, obwohl dies einstmals auch architektonisch prächtige und prägende Bauten waren, wie zum Beispiel die Bahnhöfe Hagenow, Ludwigslust und Wittenberge an der Bahnstrecke nach Berlin –, kommen einen berechtigte Zweifel. Heute sind diese Gebäude verwahrlost, ein Schandmal für die betreffende Kommune, die aber auch nicht das Geld hat, um das Gebäude zu kaufen und weiter zu betreiben. Einen beheizten Wartesaal oder gar eine Bahnhofsgaststätte wie früher sucht man vergebens. Selbst an kleineren polnischen Bahnhöfen sind beheizte Aufenthaltsräume mit TV-Unterhaltung und wenigstens Snackautomaten, aber vor allem geöffnete Fahrkartenschalter noch Standard. In Deutschland – so meint zumindest die DB – sind solche Serviceeinrichtungen Bestandteil einer falsch verstandenen Bahnnostalgie. Dementsprechend hat man alles abgebaut oder so standardisiert (unbequeme stählerne Sitzbänke, Wetterhäuschen, die keine sind), dass man sich bloß nicht eine Sekunde länger an solchen unwirtlichen Orten aufhalten muss, als unbedingt nötig. Leider ist man aber aufgrund der zunehmenden Zugverspätungen gezwungen, an solchen zugigen Haltepunkten länger zu verweilen als geplant. Dann fragt man sich unweigerlich, warum man die Bahn als Verkehrsmittel gewählt hat und nicht in ein angenehm klimatisiertes Auto gestiegen ist.
Jetzt verkündet die DB mal wieder ein umfassendes Bahnhofsmodernisierungsprogramm für 1.800 Stationen. Angesichts des Zustandes selbst großer Bahnhöfe beschleichen einen Zweifel, ob das je etwas wird. So schafft es ja die DB noch nicht einmal, die größten Bahnhöfe einigermaßen sauber zu halten, Taubenkot zu entfernen, kaputte Lampen rasch auszutauschen und defekte Rolltreppen innerhalb von 24 Stunden zu reparieren. Selbst an „Premiumbahnhöfen“ wie dem Hamburger Hauptbahnhof sehen die Gleisanlagen im und an der Zufahrt zum Bahnhof aus wie eine Müllkippe, die Taubenvergrämungsstachel sind wunderbare Staubfänger, die zum Teil seit ihrer Installation nicht gereinigt wurden, und an der zum Hamburger Hauptbahnhof gehörenden S-Bahn-Station werden die „Modernisierungsarbeiten“ seit mehr als zwei Jahren nicht fertig. Überall hängen Kabel aus einer entfernten Deckenverkleidung, und anstelle der neuen Reklametafeln für die neue glitzernde digitale DB-Welt starren einen schwarze Löcher an. Das alte Bahnsteigabfertigungshäuschen – dieser Service wurde bereits „digitalisiert“ –, wurde notdürftig mit Brettern verkleidet. Wann diese „Vorzeigestation“ einmal fertig gestellt wird: unbekannt. So sieht es laut einer Anfrage in der Hamburger Bürgerschaft an mindestens zehn weiteren S-Bahn-Stationen in Hamburg aus. Ähnliche Zustände kennt man von Hunderten von Bahnhöfen in Deutschland. Von „Gast“geber keine Spur, eher höchst ungastliche Orte. Aber ein vermeidbares Ärgernis, wenn sich die DB auf ihre eigentlichen Ausgaben konzentrieren würde und ihre Kräfte nicht bei überflüssigen Auslandsengagements verzetteln würde. Diejenigen Großstädte wie New Delhi, Toronto und Doha, die in den vergangen Jahren der DB das Management ihrer Nahverkehrssysteme übertragen haben, sollten sich vielleicht einmal auf deutschen Bahnhöfen umsehen, damit sie wissen, was sie vielleicht in einigen Jahren erwartet.