rail blog 284 / Michael Jung

Wie der Platzhirsch Nebenbuhler verdrängt

Vor wenigen Wochen kündigte die DB an, dass sie die Speisewagen aus ihren IC-Zügen wegen angeblicher Altersschwäche ausmustern und zum Verschrotten freigeben würde. Folglich wurde die Meldung in die Welt gesetzt, dass auf der Verbindung Hamburg – Berlin – Dresden es in allen IC-Zügen künftig keinen Speisewagen mehr geben würde, sondern nur Getränke und kleine Knabbereien aus mobilen Snackwagen bereitgestellt werden. Dieses wurde den Kunden auch auf der DB-Buchungsseite und im DB Navigator beim Fahrkartenkauf so kommuniziert. Dumm bloß, dass nur ein Teil der IC-Leistungen auf dieser Strecke von der DB gefahren wird. Die beiden anderen Anbieter, die tschechische Bahngesellschaft CD (České Dráhy) und die ungarische MÁV, haben in den vier von ihnen bereitgestellten Zugleistungen nach wie vor klassische Speisewagen, in denen auch frisch gebrutzelt und gekocht wird. Besonders beliebt sind die Speisewagen der CD auf der Strecke von Hamburg nach Prag mit günstigen Bierpreisen und tschechischer Küche. Der Zug wird darob von den Kunden auch liebevoll „Knödelexpress“ genannt. Oder der ungarische Speisewagen im Zug von Hamburg-Altona nach Budapest Nyugati. Dort bekommt man frisch gebratene Spiegeleier zum Frühstück und kann gute ungarische Küche mit Paprikasch, guten Bieren und ungarischen Weinen zu zivilen Preisen genießen.

Diese Speisewagen, beide nicht allzu alte Waggonneubauten oder zumindest gut modernisierte Wagen, sind der DB ganz offensichtlich schon seit längerem ein Dorn im Auge, wie überhaupt lokbespannte Züge generell. Denn seitdem diese Züge mit Mehrsystem-Lokomotiven bespannt werden, die dann entweder von der CD, der MÁV oder den ÖBB stammen, kann die DB auch nichts mehr durch die Bereitstellung von Traktionsleistungen verdienen. Jetzt bleibt nur noch das Wartungs- und Reinigungsgeschäft im Bahnbetriebswerk Langenfelde. Aber hier ist nicht auszuschließen, dass die beiden Bahngesellschaften dies an dritte Firmen vergeben haben, weil die DB entweder zu teuer oder qualitativ zu schlecht war.

Also musste ein neues Konzept her, diesen ungeliebten Konkurrenzzügen den Garaus zu machen. Dazu bietet sich die Generalsanierung der Strecke von Hamburg nach Berlin an, die vom Herbst 2024 bis Mai 2025 neun Monate dauern soll. Jetzt scheint die DB der CD und der MÁV mitgeteilt zu haben, dass nach der Sanierung der Strecke nur noch Reisezüge im Fernverkehr zugelassen werden, die Vmax 230 km/h fahren. Die derzeit eingesetzten Speisewagen sind für maximal Vmax 200 km/h ausgelegt und können daher nicht mehr auf der Strecke betrieben werden. Neue zu beschaffen, lohnt sich für die Bahngesellschaften natürlich nicht, weil sonst nirgends im Netz von MÁV und CD mehr als 160 km/h gefahren wird.

Daher wurde – ganz offensichtlich von der DB lanciert – jetzt schon in der Hamburger Presse das Aus dieser Speisewagen spätestens zum Fahrplanwechsel im Herbst 2025 angekündigt. Die tschechische Bahn ließ verlauten, dann an mit einer abgewandelten Version der ÖBB-Siemens-Railjet-Züge die Strecke zu betreiben.  Dort wird es dann auch nur noch das aus den DB-Speisewagen, in denen es noch nicht einmal mehr frische Brötchen gibt, bekannte Convenience Gastro-Futter geben.

Welches Rollmaterial die MÁV einsetzen und welches Gastro Konzept dann greifen wird, ist derzeit noch offen. Auf jeden Fall entfallen damit die letzten noch gemütlichen Orte, Abteil- wie Speisewagen, in denen man noch Bahnfahren klassisch genießen konnte. Leider ist zu befürchten, dass dieser einzige Eurocity in Europa, der auf seinem Laufweg vier Länder (D, CZ, SK, HU) durchquert, ganz eingestellt wird, weil der Betrieb dieses Zuges die Zusammenarbeit von vier Bahngesellschaften voraussetzt, die heutzutage eigentlich Konkurrenten sind. Zu Staatsbahnzeiten war der Betrieb solcher Langläufer durchaus etwas Normales, ja genoss sogar Priorität, selbst zu Zeiten des Kalten Krieges. Ein weiteres Überbleibsel dieser „alten Zeiten“, der Moskau-Paris/Nizza-Express mit einem Laufweg durch fünf Länder (RU, BY, PL, D, F), wurde ja mit Beginn des Ukrainekrieges eingestellt.

Über Michael Jung

Jahrgang 1950, Dipl.-Volksw., arbeitete zuerst in einem Großkonzern der Mineralölwirtschaft und dann 28 Jahre bei einer deutschen Großbank, davon 10 Jahre lang im Bereich Finanzierung von Eisenbahn- und Nahverkehrsprojekten weltweit. Seit 8 Jahren ist er Sprecher der Bürgerinitiative Prellbock-Altona e.V., die sich für den Erhalt und Modernisierung des Fern- und Regionalbahnhofs Altona am jetzigen Standort einsetzt.

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Ein Kommentar zu “rail blog 284 / Michael Jung”

  1. Am 18.5.24, habe ich den Artikel über den Bahn-Rebell Michael Jung in den Husumer Nachrichten gelesen und stehe ebenfalls voll hinter seinen Aussagen über die DB. Kenne zig
    Beamte, die in Frührente geschickt wurden, auch bei der Telekom, aber vorher noch befördert wurden und ohne Abzüge ihre Pension erhielten. Kräfte mit viel Wissen wurden ausrangiert um
    Geld zu sparen (DB wegen Börsengang). Sind jetzt bei Zugfahrten angeschmiert, da es die Freifahrten nur bei der DB gibt aber nicht bei den anderen Zuganbietern wie Nah-SH
    Wir wohnen auf dem platten Land in Friedrichstadt an der Strecke Hamburg, Niebüll, Sylt und Tondern in Dänemark, die Strecke von Husum nach St. Peter ist eine Weltreise.
    Die Kinder kommen zu spät oder gar nicht los trotz 49,00 € Ticket, sämtlichen Bürgern geht es ebenso. Frust und Ärger sind vorprogrammiert. Wir sind voll auf die Bahn angewiesen, da viele
    ältere Bürger ohne Führerschein mobil sein müssen. Fachärzte, Kliniken, schoppen gibt es nicht vor Ort. Ich bin 77 Jahre und stehe voll hinter Ihnen.
    Danke für den aufklärenden Beitrag. Mit freundlichen Grüßen Traute Fischer-Hein

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