Anhörung zum Stuttgart 21-Pfaffensteigtunnel – ein weiteres Kapitel von Betrug und Murks
Das Eisenbahn-Bundesamts (EBA) führt derzeit die Anhörung zum geplanten Pfaffensteigtunnel durch. Dieser soll als längster Eisenbahntunnel Deutschlands die Kappung der Fernstrecke Zürich–Stuttgart („Gäubahn“) vom Hauptbahnhof Stuttgart rechtfertigen. Reisende sollen ab 2026 für 10 oder noch mehr Jahre im Vorort Vaihingen auf S-Bahnen und Stadtbahnen umsteigen.
Nachdem die S-21-Planung auf den Fildern (Streckenführung im Mischverkehr auf der S-Bahn-Trasse) gescheitert ist, zeigen die Planungen der Bahn, unterstützt von der Politik und dem EBA, hier einmal mehr das bekannte Muster des Projekts: Kosten und Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden geschönt, vorzugswürdige Varianten außer Acht gelassen und Sicherheitsanforderungen mit Füßen getreten.
Fakt ist:
· Das EBA fürchtet eine öffentliche Anhörung mit Experten und beschränkt sich auf schriftliche Anhörung.
· Das EBA lässt mit der Aufteilung der Planfeststellung in zwei Abschnitte zu, dass nach Genehmigung und Bau des ersten Teils ein nicht nutzbarer Torso entsteht, falls der zweite Teil nicht genehmigt werden kann.
· Der Tunnel verstößt mit Emissionen von 560.000 Tonnen CO2 schon beim Bau und mit zusätzlichen hohen Mengen im Betrieb gegen Deutschlands Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen.
· Das Projekt raubt der Landwirtschaft unwiederbringlich wertvollste Ackerböden und zerstört Waldflächen.
· Wie schon bei den Tunneln von Stuttgart 21 wird durch die Einhaltung nur der Mindeststandards ein wirksames Rettungskonzept vereitelt. Bei der Titanic waren ursprünglich 32 Rettungsboote vorgesehen. Deren Anzahl verkürzte man auf die gesetzliche Mindestanzahl von 16. Der Rest ist bekannt.
· Nachdem Kritiker nachgewiesen hatten, dass die Vorschrift, Selbst- und Fremdrettung müssten gewährleistet sein, bei Stuttgart 21 verletzt wird, hat das EBA seine Tunnelrichtlinie klammheimlich geändert und genau diese Garantie gestrichen.
Dazu Dieter Reicherter, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21: „Das ist ein staatlicher Anschlag auf Leib und Leben von Bahnreisenden, Bahnbediensteten, Rettungskräften und Feuerwehrleuten.“
· Zu Wirtschaftlichkeit und angeblichem Klimanutzen des Tunnels bedient sich die Bahn eines Taschenspielertricks: Ohne Nachweis wird eine erhebliche Verkehrsverlagerung vom Auto auf die Bahn behauptet und damit ein volkswirtschaftlicher Vorteil sowie die Einsparung von CO2 begründet.
· Obwohl die Schätzungen der Fachleute mittlerweile bei ca. 2,5 Milliarden Euro liegen, werden Baukosten von unter 1 Milliarde zugrunde gelegt. Kosten und Nutzen des Tunnels werden nicht direkt gegeneinander abgewogen, sondern auf die gesamte Strecke der Gäubahn und deren derzeitige Ertüchtigung umgerechnet. Dabei wird ein Nutzen für Güterzüge eingerechnet, obwohl im Pfaffensteigtunnel keine Güterzüge fahren werden. Dem angeblichen Zeitgewinn von 4 Minuten steht der Zeitverlust von täglich tausenden Reisenden als Folge der Gäubahnkappung entgegen. Und das alles für täglich nur 70 bis 100 Reisende zum Flughafen.
· Falsch ist auch die Behauptung, der Tunnel sei zur Umsetzung des Deutschlandtaktes erforderlich. Denn er löst nicht das Problem des dafür zu kleinen Tiefbahnhofs. Die behauptete Zeiteinsparung von 4 Minuten ließe sich auch durch den Einsatz von Zügen mit Neigetechnik problemlos erreichen – und noch viel effektiver durch den zweigleisigen Ausbau zwischen Horb und Hattingen zu einem Bruchteil der Kosten des Tunnels.
Das Aktionsbündnis fordert deshalb das EBA auf, die beantragte Genehmigung abzulehnen. Die Gäubahn muss dauerhaft über die Panoramastrecke zum Hauptbahnhof geführt werden und der Kopfbahnhof erhalten bleiben. Das Gleisvorfeld kann dann zwar nicht bebaut werden. Aber das wäre ohnehin stadtklimatologisch unverantwortlich – und nach der Neufassung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes auch gar nicht mehr möglich.
Dazu Martin Poguntke, ebenfalls Sprecher des Aktionsbündnisses: „Das EBA hat nicht die Aufgabe, als Handlanger von Immobilien-Interessen zu dienen, sondern sicheren und attraktiven Bahnverkehr zu gewährleisten.“
Kontakt: Dieter Reicherter, 07192 930 522 oder 0151 263 711 31