Top Down – Die Führungsspitze der DB mit der Realität konfrontieren
- Akt: Brief an Bahnchef Dr. Lutz
Herrn
Dr. Richard Lutz
Vorstandsvorsitzender Deutsche Bahn AG
Potsdamer Platz 2
10785 Berlin
Berlin Bahnhof Zoo – absolut nicht barrierefrei – Zustand eine Zumutung
Sehr geehrter Herr Dr. Lutz,
Es sind die kleinen Dinge und Eindrücke des täglichen Lebens, die das Bild von einem Unternehmen prägen. Und wie die DB mit älteren Mitbürger:innen und mobilitätseingeschränkten Reisenden umgeht, ist an Arroganz nicht zu überbieten. Vermutlich gelangen diese kleinen Vorfälle nicht auf Ihren Schreibtisch, geben aber ein Bild vom Gesamtzustand des Unternehmens.
Der Vorfall: Am Samstagabend, den 2.11.2024 wollte ich als gehbehinderte Person den Aufgang von der Hardenbergstraße zur S-Bahn am Bahnhof Berlin Zoologischer Garten nutzen Dort ist eine Rolltreppe. Diese funktionierte aber an diesem Tag nicht. Anwesende DB-Security-Leute verwiesen auf den Aufzug am Haupteingang des Bahnhof Zoo. Dort angelangt musste ich feststellen, dass es nur einen Aufzug zu den Regionalbahngleisen gab. Die beiden Rolltreppen, die zum S-Bahnsteig führen, waren ebenfalls defekt. Der neue Aufzug zu den S-Bahngleisen noch im Bau und grinste eine mit einem Schild an: „Ich bin noch im Bau, aber demnächst werde ich einen Zugang gewährleisten“. Der alte Aufzug, der früher zu dem Bahnsteig führte, war abgesperrt und offensichtlich schon außer Betrieb genommen. Mühsam habe ich mich mit Hilfe anderer Passanten auf den Bahnsteig hoch gequält.
Ich möchte nicht wissen, wie vielen S-Bahnnutzer:innen es an diesem Tag ähnlich ergangen ist. Wie sollen Rollstuhlfahrer, Mütter mit Kinderwagen angesichts einer solchen Situation Zugang zu einem der wichtigeren Berliner S-Bahnhöfe gelangen? Es wäre schon viel gewonnen, wenn die DB InfraGO ihren Fokus nicht auf den Einbau weiterer Ladeflächen und Fressbuden in den Bahnhöfen legen würde, sondern sich 24/7 darum kümmern würde, dass die Bestandsanlagen funktionieren. Das ist für die Bahnreisenden wichtiger als „neue Shoppingerlebnisse“ in Ihren Einkaufsbahnhöfen.
Leider tragen solche negativen Erfahrungen dazu bei, dass das Image der Deutschen Bahn auch durch den abnehmenden Service auf einem absoluten Tiefpunkt angekommen ist.
Auf Ihre Antwort zu diesem Thema bin ich gespannt.
Mit freundlichen Grüßen
2. Akt die Antwort DB: offensichtlich hat man intensive Recherchen angestellt, um den beklagten Zustand zu verifizieren. Dann hat man sich eine an Servilität nicht zu überbietende Antwort abgerungen. Aber immerhin kam diese mit einer nachvollziehbaren Erklärung relativ zeitnah.
Betreff: Ihr Aufenthalt am Bahnhof Berlin Zoologischer Garten
Unser Zeichen: 1-186003403074
Sehr geehrte …..
vielen Dank für Ihren Brief, der am 6. November im Büro von Herrn Dr. Lutz einging. Wir wurden gebeten, Ihnen zu antworten.
Es tut uns leid, dass Ihnen bei Ihrem Aufenthalt an der Station Zoologischer Garten der Zugang zu den S-Bahngleisen durch den Ausfall der Rolltreppen und des Aufzugs erschwert wurde. Für die Mühen, die es Sie letztlich kostete, den Bahnsteig zu erreichen, bitten wir Sie aufrichtig um Entschuldigung.
Es ist unser erklärter Anspruch, das Reisen für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste so angenehm wie möglich zu machen – umso wichtiger ist Ihr Feedback, das wir dem zuständigen Bahnhofsmanagement bereits für eine interne Auswertung zur Verfügung gestellt haben.
In der Tat hatten die Kolleg:innen am 2. November zeitweise mit Störungen an den technischen Anlagen zu kämpfen – sowohl bei der Rolltreppe, die von der Halle an der Hardenbergstraße zum S-Bahnsteig führt (ab 12:42 Uhr), als auch bei jener in der Bahnhofshalle (ab 13:23 Uhr). Unglücklicherweise war aufgrund der aktuellen Baumaßnahmen auch die Nutzung des Aufzugs keine Option.
Gerade wenn der Fahrstuhl durch Baumaßnahmen ausfällt, müssen die restlichen Zugänge gewährleistet sein. Der gleichzeitige Ausfall aller drei barrierefreien Zugangsmöglichkeiten war, das versichern wir Ihnen, eine absolute Ausnahme, zumal wir durch regelmäßige Überprüfungen eine verlässliche Funktionsweise der Rolltreppen sicherzustellen versuchen.
Der Aufzug am S-Bahngleis wird nach jetzigem Stand zum 18. Dezember in Betrieb genommen. Sollten Sie – was wir nicht hoffen! – noch einmal in eine ähnlich unschöne Situation kommen, bitten wir Sie, sich an unseren Bahnhofsservice bei der DB Information zu wenden, um zu erörtern, wie man Ihnen kurzfristig Unterstützung beim Erreichen des Bahnsteigs geben kann. Längerfristige Reisen empfehlen wir mit unser Mobilitätsservice-Zentrale zu planen, die auch die Zugänge zum Gleis stets im Blick hat. Weitere Informationen finden Sie online: https://www.bahn.de/service/individuelle-reise/barrierefrei
Sehr geehrte …, wir nehmen uns Ihre Kritik zu Herzen und hoffen, dass künftige Reisen wieder besser verlaufen. Ihnen persönlich wünschen wir alles Gute!
Mit freundlichen Grüßen
i.A. …
Deutsche Bahn AG
Zentraler Kundendialog
Vorstandsangelegenheiten
Salzufer 6, 10587 Berlin
Nähere Informationen: Internetauftritt der Deutschen Bahn AG >> http://www.db.de
Ende des Schriftverkehrs
Fazit: Es lohnt sich, Beschwerden ganz oben abzuladen. Jahrelang ist den subalternen DB-Beschäftigten eingehämmert worden, „Kunde“ des jeweiligen DB-Konzernunternehmens sei ein anderes DB-Konzernunternehmen, nicht etwa die Reisenden. Jetzt muss offenbar genauso top-down klargemacht werden: die Reisenden sind die Kunden. Erfreulich, dass man auf eine Mängelmeldung eine konkrete und nachvollziehbare Antwort bekommt – verbunden mit hilfreichen Hinweisen. Das i-Tüpfelchen wäre natürlich gewesen, wenn man nicht nur verbal, sondern auch materiell reagiert hätte, zum Beispiel mit einem Gutschein für die DB-Gastronomie.
Und zu hoffen bleibt, dass die DB Security nicht nur das zweite, sondern auch das erste S im Namen der 3-S-Zentralen des DB-Konzerns (Service, Sicherheit und Sauberkeit) in den Blick nimmt. Auch am Hamburger S-Bahnhof Ohlsdorf war schon zu beobachten, dass bei gleichzeitigem Ausfall von Lift und Rolltreppe das halbe Dutzend an DB-Security nur dumm herumsteht, anstatt den Reisenden mit ihrem Gepäck zu helfen.
