Zusammenfassung – Summary
Die vorliegenden beiden Texte für diese Pressekonferenz sind als Material zu verstehen, die den mit dem Burgrain-Unglück befassten Stellen (Staatsanwaltschaft, Bundesstelle für Eisenbahnunfall-Untersuchung, DB AG, Verkehrsministerium) helfen sollen, die tatsächlichen Ursachen des Unfalls aufzuklären. Wir greifen damit nicht Ergebnissen der Untersuchungen vor; wir liefern vielmehr Material zur Optimierung derselben. Dabei gewannen wir den Eindruck, dass die hier ausgebreiteten Fakten bislang nicht die ausreichende Beachtung finden. Sechs Aspekte sind uns wichtig:
Erstens: Keine Bauernopfer! Es sollte alles getan werden, im Fall des Burgrain-Unfalls es sich nicht einfach zu machen, und einzelne Bahnbeschäftigte (Streckenbeauftragte) oder einen singuläre Faktor (Betonschwellen) als verantwortlich zu identifizieren. Wir verweisen auf vorausgegangene Bahnunfälle (Brühl 2000, Hordorf 2011; Bad Aibling 2016), wo dies – fälschlich! – erfolgte.
Zweitens. Berücksichtigung Straßenausbau – Schieneninfrastrukturabbau. Vor knapp zwei Jahrzehnten wurden am Unfallort zwei Bundesstraßen zusammengelegt, die Breite des Bahndamms reduziert und ein in Hochwasserzeiten gefährlicher Wildbach (Katzenbach) an den Bahndamm verlegt. Diese Strukturveränderungen haben möglicherweise Auswirkungen auf die Stabilität des Bahndamms. Sie hatten sicher Auswirkungen hinsichtlich der Unfallfolgen (Sturz der Wagen in einen tiefen Graben; Aufschlag derselben in Bach bzw. an der Betonkante der Bundestraße).
Drittens. Mit dem Straßenausbau und der Reduzierung der Bahndamm-Breite wurden insofern vollendete Tatsachen geschaffen, als damit ein zweigleisiger Ausbau der Strecke München – Garmisch de facto für immer ausgeschlossen (oder nur mit enorm hohen Kosten zu realisieren) ist. Dabei hat die Strecke ein sehr hohes Fahrgastaufkommen. Ein Halbstundentakt wurde wiederholt diskutiert und ein zweigleisiger Ausbau vielfach gefordert. (Siehe z.B. Rundfunkbericht br vom 14.11.2021 „Bahnverbindung München – Garmisch sorgt für Verdruss“).
Viertens. Bei Streckenabschnitten wie dem vorliegenden hätte man nach den Erfordernissen eines sicheren Schienenverkehrs und nach der skizzierten Heranführung der zusammengelegten Bundesstraßen mit Bahndamm-Einengung eine Fangschiene bzw. Führungsschiene anbringen müssen. Wäre dies erfolgt, hätte es kaum Tote und Schwerverletzte gegeben.
Fünftens. Es gab wiederholt Berichte von Triebfahrzeugführern über den kritischen Zustand des betreffenden Streckenabschnittes. Auch plante DB Netz Sanierungsarbeiten, die Ende Juni hätten begonnen werden sollen. Zu fragen ist, ob diesen Hinweisen nachgegangen wurde und ob die Einrichtung einer Langsamfahrstelle (La) – eine Reduktion der Fahrplangeschwindigkeit von zum Unglückszeitpunkt 100 km/h – nicht angebracht gewesen wäre.
Sechstens. Grundsätzlich unterstreicht der Burgrain-Unfall: Die Infrastruktur der Bahn ist marode. Sie verschlechtert sich von Jahr zu Jahr, wie insbesondere der Bundesrechnungshof wiederholt feststellte. Die von Verkehrsminister Wissing und Bahnchef Lutz in Aussicht gestellte „Grundsanierung“ eines „Hochleistungsnetzes bis 2030“ schafft damit nur in Teilen Abhilfe. Das gesamte Netz muss saniert und modernisiert werden. Großprojekte, die Infrastruktur einschränken, abbauen oder Umwelt und Natur schädigen, sind zu stoppen. Eine Konzentration auf die Infrastruktursanierung ist erforderlich. Notwendig ist dazu auch, was im Koalitionsvertrag steht, was jedoch erneut auf die lange Bank geschoben werden könnte: die schnellstmögliche Umstrukturierung des Bahnkonzerns, die Schaffung einer einheitlichen und gemeinwohlorientierten Infrastrukturgesellschaft und ein Stopp der Gewinnabführung aus Infrastruktur an die Holding.