Die Bahn als Kunstmotiv (5)

Der luxuriöse Beigeschmack des bürgerlichen Bahnreisens animierte seinerzeit viele Künstler, in ihren Bildern, Musikstücken, später auch Fotoserien und Filmen die Bahn als faszinierendes Medium zu nutzen.

Da Bahnhöfe sehr spezielle Orte waren, mit sehr eigener Architektur, bunter Mischung von Reisenden, konzentrierter Wirtschaftstätigkeit und vielfach Sehnsuchtsort des Ankommens oder Abreisens, nahm sich die Kunst in Zeiten des Bahnbooms intensiv und in vielen Facetten des Bahnthemas an. In der zeitgenössischen Malerei des Bahnzeitalters spielten Bahnmotive eine große Rolle, mal mehr mit Blick auf die Bauwerke, mal mehr mit Blick auf die Technik, mal mehr mit Blick auf die Landschaften, die die Bahnen durchqueren.

In der Malerei des Impressionismus und Expressionismus war in Frankreich vor allem Claude Monet vom Bahnthema fasziniert. Der italienische Futurismus (Fortunato Depero, Umberto Boccioni) verherrlichte mit seinen Bahnmotiven den Rausch der Geschwindigkeit.

Auch die Musik wurde stark von der Bahnentwicklung inspiriert. Die Wuzeln des stark rhythmisierten Jazz liegen auch im Bahnreisen, im »Hämmern« der Eisenräder auf Eisenschienen und im Stampfen der Dampfkessel sowie den durchdringenden Tonstößen der Druckpfeifen.

In der Schriftstellerei handelten viele Krimis, Dramen, Episoden und Balladen vom Bahnreisen, sei es von den Abenteuern großer Fernreisen, sei es von den »Niederungen« des Nahverkehrs.

In der Fotografie sucht vor allem die Schwarz-Weiß-Fotografie Inspirationen durch schwarzen und weißen Qualm der Lokomotiven, diesen massigen, schwarzen »Ungetümen« mit roten Farbtupfern an den Rädern. Auch die gleißenden Schienenstränge sowie die Masten und Kabel längs der Strecke wurde gern abgebildet. Ebenso inspirierten die Bahnhofsarchitektur und die kühnen Glaskonstruktionen der Bahnhofs- und Gleishallen viele Fotografen.

Im Film entstand ein ganz eigenes Metier, das »Rail Movie«, das mal als Liebesfilm, mal als Krimi oder Abenteuerfilm daherkam. Vor allem der »wilde Westen« der USA mit seiner rasanten »Landnahme« durch den Bahnbau wurde oft thematisiert.

Das Auto macht sich breit

Leider endete diese Glanzzeit der Bahnkultur mit der massiven Abwendung der Politik und des Kapitals von der Bahn hin zur Glorifizierung des Autozeitalters. In Deutschland begann das schon zu Nazizeit, weil die Parteibonzen – allen voran Hitler – mit Vorliebe im offenen Daimler paradierten. Dann begann die schrittweise Eroberung des Werbefilms und Werbefernsehens sowie des sonstigen Filmschaffens durch das Auto. Die typischen wilden Verfolgungsjagden in Thrillern und Krimis, das beharrliche Produktplacement der großen Automarken in den Vorabendserien und das neue Genre der »Road Movies« verdrängte zunehmend die alte Bahnkultur in der Kunst. So gingen der politische Prioritätenwandel und der kulturelle Prioritätenwandel Hand in Hand.

Über Prof. Dr. Heiner Monheim

(*1946), Geograf, Verkehrs- und Stadtplaner, seit den 1960er Jahren befasst mit den Themen Flächenbahn, Schienenreaktivierungen, Erhalt des IR, S-Bahnausbau und kleine S-Bahnsysteme, Stadt- Umland-Bahnen, neue Haltepunkte, Güter-Regionalbahnen, Bahnreform 2.0, Kritik der Großprojekte der Hochgeschwindigkeit und Bahnhofsspekulation. Details: www.heinermonheim.de

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