Der EC Hungaria – eine notwendige aber leider aussterbende Zuggattung
Es gibt sie noch, langlaufende Eurocity-Züge, die von mehreren Eisenbahnverwaltungen betrieben werden. Einer davon ist der EC 252/253 Hungaria von Budapest Nyugati nach Hamburg-Altona und umgekehrt mit täglicher Abfahrt. Gefahren als lokbespannter Zug (mit einer Siemens Vectron Lokomotive) der tschechischen Staatsbahn und bestehend aus neun neugebauten modernen Reisezugwagen (2 Wagen 1. Klasse, 4 Großraumwagen, einem Abteilwagen, sowie einem Mehrzweckwagen 2. Klasse mit 10 Radstellplätzen) sowie einem modernen richtigen Speisewagen, in dem auch noch gekocht wird, der ungarischen Bahngesellschaft MAV.
Der Zug hat einen sinnvollen, aus westeuropäischer Perspektive ungewöhnlichen Laufweg, der aber die geografisch kürzeste Entfernung zwischen den beiden Städten darstellt. Der Zug verlässt um 7:29 Uhr den historischen Budapester Westbahnhof Nyugati und fährt dann am linken Ufer der Donau stromauf über Vac nach Sturovo, wo er die Grenze zur Slowakei überschreitet. Auf slowakischem Territorium empfängt einen das aus alter Zeit vertraute Klacken gelaschter Schienenstöße. Mit einem Halt in Nové Zámky erreicht der Zug dann nach zweieinhalb Stunden Fahrtzeit die slowakische Hauptstadt Bratislava. Dann hält der Zug nochmals in Kúty, um wenige Kilometer weiter den tschechischen Grenzbahnhof Břeclav zu erreichen. Nach einer weiteren halben Stunde erreicht der Zug die ostmährische Industriestadt Brno/Brünn und schlängelt sich dann mit relativ geringer Geschwindigkeit durch das osttschechische Hügelland, um nach weiteren drei Stunden die tschechische Hauptstadt Prag, und zwar dort den Fernbahnhof Praha Holesovice zu erreichen. Von Prag geht es dann auf der nach der Wende gut ausgebauten Strecke entlang von Moldau und Elbe mit Halten in Usti nad Labem und Děčín zum ersten deutschen Bahnhof in Bad Schandau. Kurz danach wird Dresden Hauptbahnhof erreicht, und auch der Halt Dresden Neustadt wird nicht ausgelassen. Dann geht es recht langsam mit nur 100-120 km/h weiter in zwei Stunden nach Berlin Südkreuz, Berlin Hbf, Berlin-Spandau. Ab jetzt „straft“ die DB den Zug mit zahlreichen Zwischenhalten in Wittenberge, Ludwigslust, Büchen, und – als einzigem Fernzug am Tag – in Hamburg-Bergedorf. Nach dem Halt in Hamburg Hbf fährt der Zug dann unter Auslassung des Haltes in Hamburg Dammtor direkt nach Hamburg-Altona. Ankunft 21:34 Uhr. An diesem Tag wurde der Zug unter fadenscheinigen Gründen von der DB direkt vom Hauptbahnhof in die Abstellanlage Langenfelde gefahren. Will die DB hier Hamburg-Altona schon vorzeitig vom internationalen Reiseverkehr abkoppeln?
Diese Zugverbindung bietet mit 14:05 Stunden die kürzeste Fahrtzeit aller Verbindungen zwischen Hamburg und Budapest. Die Fahrtzeit könnte noch deutlich kürzer sein, wenn es nicht auf der slowakischen Seite umfangreiche Streckenbaumaßnahmen unter dem Rollenden Rad gegeben hätte und der tschechische Streckenabschnitt von Brünn nach Prag topographisch bedingt nur Geschwindigkeiten von 70 bis maximal 100 km/h zulässt. Ärgerlich ist die Bummelei zwischen Dresden und Berlin auf der Dresdner Bahn, wo es die DB auch 30 Jahre nach der Wende nicht geschafft hat, die im Wesentlichen geradeaus durch ebenes Gelände verlaufende Strecke auf 160 km/h zu ertüchtigen. Dies könnte die Fahrtzeit um mindestens 30 Minuten verkürzen, daran hat die DB aber kein Interesse, denn eine attraktive Fahrtzeit auf dieser Strecke würde den teuren Umweg über Nürnberg und Wien in Zügen der DB ersparen.
Der Komfort des Zuges ist gut, die Klimaanlagen kühlten selbst an einem heißen Tag die Waggons teilweise bis auf Kühlschrankniveau, überall funktionierte das Internet, bis auf dem im „Tal der Ahnungslosen“ liegenden Streckenabschnitt Dresden-Berlin. Der Speisewagen hatte ein gutes Getränke- und Speisenangebot zu sehr zivilen Preisen, und es wurde dort auch noch richtig gekocht und gebraten. Daher war es nicht erstaunlich, dass nicht nur der Zug schon ab Prag, und der Speisewagen spätestens ab Dresden rappelvoll war, sondern einige Passagiere gaben an, bewusst diesen Zug zu wählen, wegen des guten Essens.
Fazit: Für solche langlaufenden Zugverbindungen, die große Städte in vier Ländern mit eher schwierigen Straßen- und Flugverbindungen miteinander verbinden, besteht ein großer Bedarf. Ein noch größerer, wenn man die Herausforderungen des Klimawandels ernstnimmt. Kein Bedarf besteht an High-Speed und High-Tech, sondern an klassischem Eisenbahnservice auf mittlerem Niveau mit Höchstgeschwindigkeiten zwischen 160 und 200 km/h. Die DB scheint diesen Zug quasi als „Fremdkörper“ in ihrem System zu dulden und weist ihm – um diesen attraktiven EC auszubremsen – daher Regionalerschließungsaufgaben auf deutscher Seite zu, die andere, von ihr betriebene Züge nicht erfüllen. Aber auch hier scheint die DB mal wieder ein zukunftsträchtiges Marktsegment zu verschlafen. Wie wäre es mit einem Eurocity von Hamburg über Berlin – Breslau – Kattowitz – Ostrava – Žilina – Bratislava nach Budapest?