rail blog 120 / Michael Jung

Wie man Bahnfahren auch angenehm gestalten kann

Bei einem Besuch in Japan muss man sich natürlich einmal die Eisenbahn angesehen haben. Eins fällt sofort auf: Dort wird Bahn vom Kunden her gedacht und von Bahnern mit Herz gemacht. Serviceorientierung hat oberste Priorität, und der Fahrgast ist Fahrgast und kein Beförderungsfall. Das fängt damit an, dass selbst auf Bahnhöfen in der tiefsten Provinz beheizte, im Sommer klimatisierte Warteräume mit bequemen Sitzmöglichkeiten und Gepäckschließfächern vorhanden sind. An allen Stationen gibt es kostenfreie picobello saubere Toiletten und was in Deutschland selbst in mittelgroßen Städten zur Seltenheit wird: besetzte Fahrgastschalter mit kundenfreundlichen Öffnungszeiten. Auf den japanischen Bahnhöfen – auf den größeren mit einem breiten Angebot von Läden, aber nicht stinkenden Pommesbuden, auf den kleineren mit einer für uns ungewöhnlichen Vielfalt an Automaten, aus denen man frisch gebrühten Kaffee oder Tee in allen möglichen Zubereitungsformen zu sehr akzeptablen Preisen ziehen kann.

Natürlich ist die Digitalisierung an den Japan Railroad (JR) nicht vorbeigegangen. Japanische Fahrkartenverkaufsautomaten indes sind bedienungsfreundlicher und bieten deutlich mehr Optionen zum Zahlen als entsprechende Automaten in Deutschland. Man kann nicht nur mit Münzen und Scheinen, den üblichen Bank- und Kreditkarten, sondern auch mit dem Handy und QR-Code bezahlen. Und wenn man bei der Eingabe etwas falsch macht, dann erklärt eine Automatenstimme einem den nächsten Schritt. Manche Automaten haben sogar einen Telefonhörer, von dem aus man eine echte Person und nicht nur ein unfreundliches, anonymes Call-Center erreicht. Zudem ist die Schrift der Automatendisplays klar lesbar und groß, sodass man nicht erst seine Lesebrille hervorkramen muss.

Japan hat eine stark alternde Bevölkerung, aber die Bahn stellt sich darauf ein. Die landesweit üblichen Bahnsteigzugangssperren können sowohl mit dem Smartphone, Chipkarten aber auch mit einer klassischen Papierfahrkarte entsperrt werden. Und hilft gar nichts, dann steht ein freundlicher Mitarbeiter bereit, der einem dem Zugang zum Gleis oder aus dem Bahnsteigbereich in die Bahnhofshalle ermöglicht.

Von der Sauberkeit japanischer Bahnhöfe kann man hierzulande nur träumen. Das gilt sowohl für Großstadtbahnhöfe wie Tokyo Main Station, die täglich von zwei Millionen Passagieren durchströmt wird, als auch für Provinzbahnhöfe, die am Tag vielleicht 20 Züge abfertigen. Und es wird nicht nur nachts geputzt, sondern in kurzen Abständen wuseln Reinigungsmaschinen, die sich immer durch ein fröhliches Vogelgezwitscher ankündigen, durch die Passagiermassen, und das auch an Sonntagen! Ganz offensichtlich scheinen die Bahnhöfe dort der Eisenbahngesellschaft noch selbst zu gehören und nicht irgendwelchen Immobilienspekulanten, die nur in kürzestmöglicher Zeit ein Maximum an Geld aus ihrem Investment herauspressen wollen.

Es wird allerhöchste Zeit, dass Bahnchef Lutz und die gesamte Führungsriege von DB-Station&Service mal bei JR in die Lehre gehen.

Über Michael Jung

Jahrgang 1950, Dipl.-Volksw., arbeitete zuerst in einem Großkonzern der Mineralölwirtschaft und dann 28 Jahre bei einer deutschen Großbank, davon 10 Jahre lang im Bereich Finanzierung von Eisenbahn- und Nahverkehrsprojekten weltweit. Seit 8 Jahren ist er Sprecher der Bürgerinitiative Prellbock-Altona e.V., die sich für den Erhalt und Modernisierung des Fern- und Regionalbahnhofs Altona am jetzigen Standort einsetzt.

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