rail blog 119 / Winfried Wolf

14 Thesen zur Schiene 2021/22

für die Klima-Gewerkschafter–Veranstaltung am 14. Dezember 2021

  1. Schiene zentral für Klimapolitik – und als Alternative zu Auto und Flugzeug

Wir erleben längst den Klimanotstand. Und wir wissen nicht, ob es nicht fünf nach zwölf ist. Das muss so „nach Glasgow“ so offen gesagt werden. Klar ist: Im Rahmen einer Verkehrswende muss alles auf den Prüfstand. Klar ist auch: Die Schiene spielt für eine Verkehrswende-Politik eine entscheidende Rolle. Klar ist aber auch: Auch im Bereich Schiene bringt das bloße Wachstum nichts. Es muss immer um direkte Verlagerung gehen – und auch um Vermeidung motorisierter und CO2-intensiver Verkehre, wo immer möglich. Wir müssen deutlich machen: Bahn und Schiene an sich sind nicht automatisch umweltfreundlich und klimaunschädlich.

  1. Entwicklung Schiene seit 1990 – Jahr für Jahr weg vom „integrierten System“

Nach 1990 gab es die Chance für ein integriertes System Schiene in Gesamtdeutschland. Diese Chance wurde mit der Bahnreform 1994 verspielt. Seither entwickelt sich das System Schiene von Jahr zu Jahr weg von diesem Ideal. Was Folgen für unsere Politik haben muss. Während es 1994 noch einen DB-Konzern gab, der den Schienenverkehr zu mehr als 90 Prozent beherrschte und der sich zu mehr als 90 Prozent auf Deutschland konzentrierte, gab es seither drei qualitative Veränderungen:

Erstens werden nur noch gut 50% des Schienenpersonennahverkehrs und knapp 50 Prozent des Schienengüterverkehr (und mehr als 95 % des Schienenfernverkehrs), in Summe nur rund 50 Prozent des gesamten Umsatzes im Bereich Schienenverkehr von der DB kontrolliert.

Zweitens entfällt inzwischen nur noch rund die Hälfte des DB-Umsatzes auf den Bereich Schiene.

Drittens entfällt nur noch rund die Hälfte des DB-Umsatzes auf Deutschland.

Allerdings kontrolliert der DB-Konzern weiterhin mehr als 95 Prozent der Schieneninfrastruktur. Dass das so ist, hat auch viel damit zu tun, dass einmal geplant war, den gesamten DB-Konzern einschließlich aller Immobilien an die Börse zu bringen – gewissermaßen eine „integrierte“ Bahnprivatisierung – Betrieb und Netz als geschlossenes System – durchzuführen. Was noch schlimmer wäre, als es die Bahnprivatisierung in Großbritannien 1996 bis 2001 war.

  1. Infrastrukturzerstörung durch integrierten Konzern in öffentlichem Eigentum

Der DB-Konzern erwies sich 27 Jahre lang als miserabler Sachverwalter in Sachen Infrastruktur. Die Bilanz lautet: Seit 1994 gibt es einen Abbau des Netzes um ein Fünftel, einen Abbau der Weichen um die Hälfte, einen Abbau der Gleisanschlüsse – der Industriegleise – um vier Fünftel, und ein Abbau der Bahnhöfe mit Schalter-Präsenz um fast 90 Prozent. Dieser Prozess setzt sich Jahr für Jahr fort.

Es gibt in ganz Westeuropa kein einziges Land, in dem es einen derart gravierenden Abbau der Schieneninfrastruktur gegeben hat. Nur in Osteuropa gibt es vergleichbare zerstörerische Exzesse.

  1. Was verhindert werden konnte: der Bahn-Börsengang

In Deutschland konnte jedoch das Schlimmste verhindert werden – die komplette Privatisierung der DB. Bei diesem Erfolg gibt es mehrere Köche. Wir haben ihn mit-„erköchelt“ – Bahn für Alle war aktiv beteiligt. Dabei muss daran erinnert werden: Der Bahn-Börsengang wurde 1998ff von Rot-Grün eingefädelt. Unter Rot-Grün wurde Hartmut Mehdorn 1999 Bahnchef. 2005 bis 2008 war es ein SPD-Verkehrsminister (W. Tiefensee), der im Rahmen der damaligen Großen Koalition den Bahn-Börsengang betrieb. Aktiv unterstützt von Transnet, dem Vorgänger der heutigen EVG. Auch damals mit Hommel als Vize (neben/hinter Hansen) an der Spitze.

  1. Der Koalitionsvertrag ist in Sachen Verkehr/Schiene dünne Suppe. Vor allem findet sich dort kein Wort zum Schienenpersonennahverkehr

Im Koalitionsvertrag finden sich keine belastbaren Aussagen für eine nachhaltige Verkehrspolitik. Das Wort „Verkehrswende“ wird bewusst vermieden. Ein „generelles Tempolimit“ wird explizit ausgeschlossen. Kein Wort zur Verlagerung auf die Schiene.

Und kein Wort zum Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Dieser ist zwar formal Ländersache. Da der Bund jedoch mit jährlich mehr als 8 Milliarden Euro („Regionalisierugsmittel“) diesen weitgehend finanziert, ist er auch auf Bundesebene ein zentrales Thema. Und es ist inhaltlich fatal, den SPNV auszuklammern. Der SPNV macht 95 Prozent aller Fahrten aus. Der Fernverkehr auf Schienen (SPFV) dagegen macht nur 5 Prozent des Verkehrsaufkommens – der Fahrten auf der Schiene – aus. Nimmt man die Verkehrsleistung, dann macht selbst dort der Fernverkehr nur 44 Prozent der Verkehrsleistung auf der Schiene aus.1 Eine „Bahnwende“-Politik muss diesen Relationen Rechnung tragen.

  1. Die Verdopplung des Schienenverkehrs als abstraktes Ziel ist falsch

Im Koalitionsvertrag wird erneut das Ziel der alten Bundesregierung „Verdopplung des Schienenverkehrs“ genannt. Damit kann kaum der gesamte Schienenverkehr gemeint sein; niemand spricht ernsthaft davon, das genannte Gesamt-Verkehrsaufkommen von 2,8 auf 5,9 Milliarden Fahrten zu steigern. Wenn das das Ziel sein soll, dann müssten auch die erwähnten Regionalisierungsmittel deutlich – um mehrere Milliarden pro Jahr – gesteigert werden. Gemeint ist offensichtlich, die Fernverkehrsfahrten von 151 auf rund 300 Millionen zu steigern. Dieses Ziel ist kritisch zu sehen.

Eine Verdopplung des SPFV macht nur Sinn, wenn es eine entsprechende Verlagerung vom Autoverkehr und vom Flugverkehr auf die Schiene gibt.

  1. Infrastruktur vereinheitlichen und gemeinwohlorientiert gestalten – ein richtiges Ziel

Unterstützenswert ist das im Koalitionsvertrag festgehaltene Ziel, die zwei Infrastruktur-Gesellschaften der Deutschen Bahn AG (Netz und Bahnhöfe) zusammenzuführen, das neue Unternehmen „gemeinwohlorientiert“ zu führen, und diese Infrastrukturgesellschaft gegenüber der Holding „abzuisolieren“, was heißt: jede weitere Gewinnabführung von dort an die Holding zu unterbinden. Die – meist sehr hohen – Gewinne in diesem Bereich dürfen nicht, wie bislang, dazu dienen, Global-Player-Konzern-Politik zu betreiben (unter anderem um in Mexiko das Tren Maya mit Zerstörung des Regenwaldes zu unterstützen.

Exakt diese Forderungen vertreten wir als Bahn für Alle seit Jahren (z.B. im Alternativen Geschäftsbericht Deutsche Bahn 2011, S. 24).2 Diese Umgestaltung als „Zerschlagung“ oder auch nur als Steilvorlage für Privatisierungen zu bezeichnen, ist nicht zutreffend. Es gibt – mit Ausnahme der FDP – aktuell auch keine gesellschaftlich relevante Gruppe, die Vergleichbares will. Die EVG ist mit der zitierten Passage im Koalitionsvertrag ebenso zufrieden wie die GDL. Die DB AG ebenso wie die Privatbahnen. Tatsächlich kommt es auf die Ausgestaltung dieses Konzernumbaus an.

  1. Ein veränderter DB-Konzern als Nur-Bahnverkehrs-Betreiber

Wenn der Koalitionsvertrag in dem Punkt Schieneninfrastruktur 1:1 umgesetzt wird, ist der Konzern Deutsche Bahn AG ein komplett anderer. Denn die Gewinne, die der Bahnkonzern formal macht, stammen – insoweit es den Umsatz im Inland betrifft – ausschließlich aus dem Bereich Infrastruktur. Der wiederum speist sich zum größten Teil aus staatlichen Unterstützungsleistungen.

Es gibt auch Gewinne aus dem Auslandsgeschäft (bei Schenker, früher auch bei Arriva). Zu fordern ist, dass das gesamte Auslandsgeschäft verkauft wird. Im Koalitionsvertrag dazu: kein Wort.

Ein DB-Konzern, der nicht Gewinne aus deutlich überhöhten Infrastruktur-Entgelten bezieht und damit Bahnverkehr erschwert und oft abwürgt und zerstörerische Großprojekte kofinanziert, ist dann ausschließlich ein Bahnverkehrs-Betreiber. Unter den gegebenen Bedingungen ist ein solches Zurechtstutzen sinnvoll. Damit hätte auch dieser Bahnkonzern Interesse an niedrigeren Infrastruktur-Entgelten – so wie alle Nicht-DB-AG-Bahnbereiber.

  1. Konzernumstrukturierung als Anpassung an Schienenverkehrsrealität

Die geplante Umstrukturierung des DB-Konzerns ist auch ein pragmatischer Reflex auf den entstandenen Zustand im Bereich Schiene, wo – wie bereits skizziert – knapp die Hälfte des Umsatzes von den Nicht-DB-Gesellschaften (= „private“, andere öffentliche und Töchter von staatlichen Auslandsbahnen) realisiert wird.

Die Forderung nach einer „Einheit von Netz und Betrieb“ ist hehr, aber zugleich hohl, wenn in einem Bundesland wie Schleswig-Holstein bereits 100% des SPNV von Nicht DB-Gesellschaften und in den meisten anderen der größte Teil des Nah- und Regionalverkehr von solchen Nicht-DB-AG-Gesellschaften erbracht wird.

Siehe hierzu die GRAFIK. Diese ist auch so gestaltet, dass mit der Größe der Kästchen für die einzelnen Unternehmen und Töchter und Schienenverkehrs-Bereiche auch die entsprechenden Proportionen – Stand 2019 – wiedergegeben sind.

  1. Zielsetzungen Flächenbahn, Integraler Taktfahrplan und keine „Wettbewerbsbahn“

Unser Ziel im Bereich Schiene muss sein: eine Flächenbahn, eine Bürgerbahn, eine Bahn mit integralem Taktfahrplan. DAS aber heißt: kein neuer „Wettbewerb“ im Fernverkehr. Kein Ausbau von Flixtrain zur ICE-Konkurrenz. Und ein allgemeines Zurückdrängen des „Wettbewerbs“ im Nahverkehr. Rot-Grün-Gelb will offensichtlich das Gegenteil und verspricht sich Fortschritte durch „Wettbewerb“.

Die Wettbewerbs-Debatte ist komplex. Unbestreitbar ist, dass es im Rahmen der „Regionalisierung“, ab 1994 begleitet von massiver Zunahme der „Privaten“ zu mehr als einer VERDOPPLUNG des SPNV gekommen ist.3 Wir sagen: Das hätte es auch mit einer optimierten Bahn in öffentlichem Eigentum geben können. Und wir können belegen wie immer deutlicher wird, welcher Synergieverluste diese Art „Wettbewerb“ mit sich bringt, welch ein Flickenteppich an Fahrplänen und Tarifen hier entsteht und dass diese Leistung öffentliche Bahnen besser als die „Privaten“ erbringen können.

Ideal wäre die Herausbildung von Landesbahnen, wie es zum Teil in Baden-Württemberg notgedrungen, wegen der Abellio-Pleite, stattfindet. Und eine Übernahme von Privatbahn zu Privatbahn durch solche Landesbahnen. Am Ende also die Kombination einer „Bundesschiene“ im Fernverkehr mit Landesbahnen, die sich ebenfalls komplett in öffentlichem Eigentum befinden müssen.

  1. Nein zu DIESEM Deutschlandtakt – nein zu den zerstörerischen Großprojekten

Die Orientierung Bürgerbahn und Klimabahn heißt vor allem auch: NEIN zu dem, was als „Deutschland-Takt“ bezeichnet und verkauft wird. Denn unter diesem Label werden alle neuen absurden, bahnverkehrs-feindlichen Großprojekte vermarktet. Es geht dabei

  • um die Zerstörung des Bahnhofs HH-Altona (und dessen Verlegung in die Pampa Diebsteich), inzwischen ergänzt um gigantisches Tunnelprojekt („Ferlemann-Tunnel“)
  • um den 40 m unter dem Boden liegenden Fernbahn-Tunnel in Frankfurt/M., der im Jahr „2040 plus“ fertig erstellt sein soll
  • um eine neue Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Hannover und Bielefeld mit Tempo 300
  • um die Zerschneidung der Insel Fehmarn  und die Unterstützung für das Tunnelprojekt Fehmarn-Dänemark
  • um eine neue 50 Kilometer lange Tunnelstrecke zwischen Dresden und Prag (und die Zerstörung der wunderschönen Bahnstrecke entlang der Elbe)
  • um eine lange Tunnelstrecke als Brennerzulauf im Bereich Rosenheim
  • und – nicht zuletzt – um die Steigerung der S21-Tunnelstrecken um weitere gut 10 Kilometer auf dann rund insgesamt 100 km Tunnelstrecken unter der baden-württembergischen Landeshauptstadt und um einen neuen, ergänzenden unterirdischen Kopfbahnhof, der nun von Grün-Schwarz als zusätzlich notwendig zum S21-Tiefbahnhof erachtet wird.

DIESE Art Bahn läuft darauf hinaus, dass sie einen massiven Beitrag zur Zerstörung des Klimas leisten wird. Tempo 300 und lange Tunnelstrecken haben einen enorm erhöhten Energieaufwand im Betrieb zur Folge, womit der Energieverbrauch je Personenkilometer nicht mehr weit entfernt von dem CO2-Ausstoss im Pkw-Verkehr sein wird.

Hinzu kommt: Der BAU dieser Großprojekte – der ja ausgerechnet in der für das Klima entscheidenden Phase der nächsten 15 bis 20 Jahre stattfinden soll – ist mit Hunderten von Millionen Tonnen CO2-Austoss verbunden.

  1. Flugverkehr deutlich reduzieren – Nachtzüge aufbauen und ausbauen

2020 war ein für den Flugverkehr desaströses Jahr. Es gab nur rund 20 Prozent so viele Flüge und so viele Fluggäste wie im Jahr zuvor – 2019. Also Rückgang von 80 Prozent. Rot-Grün-Gelb will jetzt laut Koalitionsvertrag alles tun, um das 2019-Niveau wieder zu erreichen und darauf aufbauend den Flugverkehr auszubauen – natürlich mit angeblich „klimaneutralen Fliegen“.

Tatsächlich ist der Flugverkehr diejenige motorisierte Verkehrsart, die das Klima am stärksten belastet. Wir sollten genau hinschauen, um festzustellen: 2020 war auch das Flugverkehrs-Niveau von 2002. Das gilt für die deutsche Luftfahrt. Und das gilt für die Weltluftfahrt. Und 20022 war bis dahin ein Rekordjahr im Weltflugverkehr und in der deutschen Luftfahrt.

Warum also nicht die Chance nutzen, und den Flugverkehr auf dem 2020er Niveau – auf ein Fünftel von 2019, ABER damit auf das identische Niveau Flugverkehrs im Rekordjahrs 2002 – einfrieren? Warum nicht parallel den Nachtzug wiedereinführen in Deutschland? Warum nicht ein europaweites Nachtzug-Netz aufbauen? Hier gibt es europaweit breite und in Teilen erfolgreiche Initiativen.4

Verallgemeinernd lässt sich sagen:

  • der innereuropäische Flugverkehr muss massiv reduziert werden
  • rund die Hälfte davon kann in einem 10-Jahres-Programm auf die Schiene verlagert werden
  • dabei spielt eine große Rolle die Entwicklung eines europaweiten Nachtzug-Systems.
  1. Bürgerbahn – Tempolimit für die Bahn

Es klingt provokativ; zu fordern ist – neben 120/80/30 im Straßenverkehr – auch ein TEMPOLIMIT für die Schiene – maximal Tempo 200 in Einzelfällen, ansonsten im Normalbetrieb Tempo 120 km/h. Auf diese Weise lässt sich ohne große Ausbaumaßnahmen durch die Vereinheitlichung von Nahverkehr, Fernverkehr und Güterverkehr der gesamte Schienenverkehr massiv steigern.

Dazu gibt es seit ein paar Wochen einen „Weckruf“, auch „Malente-Appell“ von Verkehrswissenschaftlern um Heiner Monheim und ein paar Dutzend Verkehrswissenschaftlerinnen und Verkehrswissenschaftlern – so von Wolfgang Hesse, Hermann Knoflacher, Bernhard Knierim, Winfried Wolf. In diesem wird ausgeführt, wie eine solche Bahn mit im Fernverkehr auf einigen Strecken reduzierten Tempi in der Lage ist, den Schienenverkehr mehr als zu verdoppeln – und dies OHNE Großprojekte, „nur“ begleitet von ein paar Dutzend eher kleinteiligen Ausbaumaßnahmen.

14. Ziel integriertes System Schiene – Vorbild Schweiz / SBB – und Realpolitik

Das Ziel war, ist und bleibt ein integriertes Gesamtsystem Schiene, wie wir es weitgehend in der Schweiz noch bestaunen können. Nur ein solches System wird den Anforderungen von Gesamtplanung, deutlich erhöhte Leistungen, enorme Taktdichte und ein sparsamer Umgang mit öffentlichen Geldern gerecht werden.

Doch selbst wenn die am 26. September neu gewählte Bundesregierung die Farbskala Rot-Grün-Rot aufweisen würde, selbst wenn dann Toni Hofreiter dennoch Europa-Bevollmächtigter bleiben würde und selbst wenn Sabine Leidig Verkehrsministerin geworden wäre, wäre dies – die Zurückdrängung von Konkurrenz und Privaten – ein Prozess, der eine Dekade in Anspruch nehmen würde. Daran würde sich im Grundsatz auch zunächst nichts ändern, wenn die gesamte DB eine neue Unternehmensform, anstelle AG z.B. eine Anstalt des öffentlichen Rechts, erhalten würde.

Selbst dann könnte es Sinn machen, die Schienen-Infrastruktur vom Bahn-Betreiber-Konzern DB AG „abzuisolieren“; die erwähnten „chinese walls“ zu errichten.

Doch wir haben nicht Rot-Rot-Grün, sondern Rot-Grün-Gelb. Es gibt keine größere Kraft im politischen Feld, die eine solche Bahn fordern würde. Und wir haben die beschriebene Schienenverkehrslandschaft.

Vor diesem Hintergrund gilt es, Rot-Grün-Gelb beim Wort zu nehmen, die im Koalitionsvertrag angekündigte Umstrukturierung des Schienenkonzerns einzuklagen und diese – so weit dies geht – für unsere Ziele zu nutzen.

Das Ziel integrierte Bahn bleibt. Das Ideal der Kombination Länderbahnen in öffentlichem Eigentum plus Bundesschiene kann bereits unter den gegebenen Bedingungen weiter konkretisiert werden.

Potsdam, 14. Dezember 2021

Anmerkungen:

1 Konkret: 2019 betrug das Verkehrsaufkommen im Schienenverkehr (= die Zahl der Fahrten) 2931 Millionen; davon entfielen 151 Millionen auf den Fernverkehr was 5,12 Prozent entspricht. Nimmt man anstelle des Verkehrsaufkommens die Verkehrsleistung auf der Schiene, das ist die Zahl der zurückgelegten Kilometer multipliziert mit der Zahl der Personen, dann waren es 2019 100 Milliarden Personenkilometer, wovon 44,7 Mrd. auf den Fernverkehr entfielen. Selbst hier macht der Fernverkehr weniger als die Hälfte aus. Nimmt man nun verkehrspolitisch als Maßstab diese Verkehrsleistung, dann argumentiert man aus Unternehmens-Sicht – und nicht aus Sicht der Mobilitätsbedürfnisse der Menschen. „Bewegungslinks-korrekt“ ist meines Erachtens eine Betrachtungsweise, die die tägliche Fahrt eines Berufspendlers oder einer Regionalbahnfahrt ins Grüne als gleichwertig betrachtet mit der Fernverkehrsfahrt eines Managers oder mit der Fernverkehrsfahrt im Rahmen des Städtetourismus. Das aber spricht dafür, das Verkehrsaufkommen zum zentralen Orientierungspunkt zu wählen. (Zahlen nach: Verkehr in Zahlen 2020/2021, S.216ff.).

2 Wir schrieben damals in diesem Bericht: „Die Forderung nach „Chinese Walls“ zwischen den Infrastrukturunternehmen und der Holding, wie sie gelegentlich erhoben wird, ist grundsätzlich zutreffend. Entsprechend müssen die Beherrschungsverträge aufgehoben werden.“ (Alternativer Geschäftsbericht Deutsche Bahn AG 2011, verfasst von Bernhard Knierim und Winfried Wolf, S. 24.

3 Die offiziellen Zahlen lauten: 1994 = Aufkommen im SPNV = 1,105 Mrd. Fahrten; Leistung = 15,4 Mrd. Pkm (Personen-Kilometer). 2919: Aufkommen = 2,78 Mrd. Fahrten und 55,7 Mrd. Pkm. Das wäre eine Verdreifachung bei der Leistung und eine 2,5fache Steigerung bei den Fahrten. Da gibt es einige statistische Unschärfen und Manipulationen, die wir als Bürgerbahn statt Börsenbahn (BsB) – und hier vor allem Klaus Gietinger – früh (in den 1990er Jahren und direkt danach) dokumentierten. Mit der Grundaussage „Verdopplung“ liegt man aber nicht falsch. Angaben nach: Verkehr in Zahlen 1998 und 2020/21.

4 Diese sind gebündelt in der Initiative back on track“; Joachim Holstein in Hamburg liefert dazu regelmäßige, spannend Berichte. Siehe Berichte auf der Website bahn-fuer-alle.de

Über Winfried Wolf

Winfried Wolf war Chefredakteur von Lunapark21. Er veröffentlichte zum Thema Verkehr seit 1986 („Eisenbahn und Autowahn“); zuletzt: „Abgefahren! Warum wir eine neue Bahnpolitik brauchen“ (zusammen mit Bernhard Knierim; Köln 2019)..

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