rail blog 12 / Joachim Holstein

Also, wat is en Nachtzug? Da stelle mehr uns janz dumm.

Nachdem jahrelang viele Medien Nachtzüge nur mit den Stichworten »nostalgisch« und »Mord im Orient-Express« verknüpften, haben sie gemerkt, dass Nachtzüge moderne Transportmittel für Beruf und Freizeit sind, und erklären nun ihrem Publikum, wie so etwas aussieht und funktioniert. Von Ausnahmen abgesehen, schaffen es die Medien, Liege- und Schlafwagen auseinanderzuhalten, und auch Sitzwagen und manchmal sogar ein Speisewagen sind in den Zügen und Reportagen zu finden.

Eine alternative Definition von »Nachtzug« erfand die DB, als sie 2016 massiv für die Abschaffung ihrer CityNightLine-Züge kritisiert wurde und kurzerhand ICEs zu Nachtzügen erklärte: »Die ÖBB werden Nachtzüge mit Schlaf- und Liegewagen anbieten, und wir als DB werden in Zukunft zusätzliche ICE einsetzen, das ist unser Beitrag zum gemeinsamen Nachtzug-Konzept.« Auch jetzt noch erlebt man diesen PR-Trick, indem die DB die steigenden Reisendenzahlen in ihren nächtlichen ICEs als Beweis für Fahrgastzuwachs in den Nachtzügen anführt.

Seltsamerweise zählte die DB die Reisenden in den Sitzwagen ihrer CityNightLine-Züge nicht als Nachtzug-, sondern als IC-Reisende des Tagesverkehrs (mitsamt der Fahrgelderlöse). Damit unterschlug sie rund die Hälfte der Nachtzugreisenden. Die »WELT« titelte dazu am 1. Juni 2016: »So rechnet die Deutsche Bahn die Nachtzüge krank«: https://www.welt.de/wirtschaft/article155863687/So-rechnet-die-Deutsche-Bahn-die-Nachtzuege-krank.html

Es gibt auch den Begriff »Hotelzug«. Normalerweise bezeichnet man damit entweder Luxuszüge mit historischen Fahrzeugen (z. B. Venice-Simplon Orient-Express, Transcantábrico, Al Andalus) oder moderne Nachtzüge mit Schlaf- und Sitzwagen, Rezeption und Restaurant, zu denen die TALGO-Neigezüge zwischen Spanien, Paris, Zürich und Mailand gehörten – bei der DB fuhren sie unter dem Namen InterCityNight, ergänzt um »Kajütliegewagen« mit Liegen in Längsrichtung links und rechts vom Mittelgang.

Ein Hotelzug bei der DB war allerdings etwas ganz anderes, nämlich ein bei wetterbedingten Streckensperrungen im Bahnhof abgestellter ICE, in dem sich gestrandete Fahrgäste im Sitz verrenken oder auf den Boden legen konnten. Im Internet spottete man über den Null-Sterne-Standard, und im DLF sagte ein Vertreter von »Pro Bahn«: »Hotelzug ist natürlich ein ziemlich komfortabler Begriff. Wir reden da eher von Übernachtungszügen.« https://www.deutschlandfunk.de/bahn-chaos-nach-unwetter-die-bahn-ist-zu-einer-100.html

Über Joachim Holstein

(*1960) arbeitete von 1996 bis 2017 als Steward in Nacht- und Autozügen der DB, war von 2006 bis zur Einstellung dieser Verkehre Betriebsrat der DB European Railservice GmbH und zuletzt Sprecher des Wirtschaftsausschusses. Mitbegründer der Initiative zur Rettung des Nachtzuges Hamburg-Paris (2008; »Wir wollen nach Paris und nicht an die Börse«) und des europäischen Netzwerks für Nachtzüge »Back on Track« (2015; https://back-on-track.eu/de/); Weiteres unter www.nachtzug-bleibt.eu

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