rail blog 126 / Michael Jung

Es geht also doch

Vor einem Jahr beschwerte sich der Unterzeichner beim DB-Vorstandschef über den ökologischen Unsinn, dass die rund 400 km lange Bahnstrecke von Hamburg über Flensburg – Kolding – Odense nach Kopenhagen, obwohl komplett mit Fahrdraht ausgestattet, immer noch mit den dieselgetriebenen IC3-Garnituren der Dänischen Staatsbahn betrieben wurde. Diese sogenannten Gumminasen, weil gut koppelbar und im gekuppelten Zustand durchgängig begehbar, waren über Jahrzehnte im Dänemarkverkehr gern gesehene Fahrzeuge, boten sie doch mit guten Sitzen bei Höchstgeschwindigkeiten von 160 km/h einen guten Fahrkomfort und Annehmlichkeiten wie kostenloses Tee- Kaffee und Wasserangebot in der ersten Klasse, die bei der DB leider unbekannt sind.

Aber nun waren diese Garnituren dem wachsenden Verkehr nach Dänemark, besonders nach Kopenhagen, nicht mehr gewachsen, boten ungünstige Einstiegsverhältnisse, hatten zu wenig Radtransportplätze und kamen langsam in die Jahre. Ihr Design entstammte den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts.

Aber quasi über Nacht wurde eine schon vor Jahren mögliche Lösung gefunden, die zwar die DB nicht liebt, die aber den Passagieren und der Umwelt zugutekommt: Lokbespannte Waggonzüge. Eine Zweisystem-Lok der Dänischen Bahn DSB (das dänische Bahnnetz ist leider mit 25 kV 50Hz elektrifiziert, das deutsche wie auch das schwedische und norwegische Bahnnetz mit 15 kV, 16 2/3 Hz Bahnstrom) zieht einen aus 6 klassischen Reisezugwagen der Deutschen Bahn bestehenden Waggonzug. Somit sind jetzt über 500 Sitzplätze im Angebot, eine Verdoppelung gegenüber dem IC3. Und diese Wagenzugkombination ließe sich bei weiter steigender Nachfrage locker um bis zu weitere vier Wagen verlängern. 

Der Vorteil von lokbespanntenWaggonzügen im grenzüberschreitenden Verkehr liegt auf der Hand. Die Bahnbetriebswerke im Ausland brauchen weniger spezifisches Knowhow für die Wartung von Reisezugwaggons als für die mit ihrer elektronischen Ausstattung immer komplexer werdenden Triebzüge der unterschiedlichsten Baureihen. Und ist mal ein Waggon kaputt, kann dieser leicht ausgetauscht werden und es fällt nicht gleich die ganze Verbindung aus, wenn ein Triebzug im Ausland schadhaft wird und nicht repariert werden kann.

Fazit: Mit lokbespannten Waggonzügen lässt sich der grenzüberschreitende Reisezugverkehr schneller, preiswerter und risikoärmer ausbauen, und moderne Reisezugwagen bieten einen mindestens ebenso hohen Reisekomfort wie die teilweise in die Jahre gekommenen Triebzüge.

Über Michael Jung

Jahrgang 1950, Dipl.-Volksw., arbeitete zuerst in einem Großkonzern der Mineralölwirtschaft und dann 28 Jahre bei einer deutschen Großbank, davon 10 Jahre lang im Bereich Finanzierung von Eisenbahn- und Nahverkehrsprojekten weltweit. Seit 8 Jahren ist er Sprecher der Bürgerinitiative Prellbock-Altona e.V., die sich für den Erhalt und Modernisierung des Fern- und Regionalbahnhofs Altona am jetzigen Standort einsetzt.

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