rail blog 129 / Andreas Kleber

Wegen der 01 – von der Trapo und Stasi verhört

27.08.1974

Ich habe, damals noch im Steigenberger Hotel Bonn am Bundeskanzlerplatz beschäftigt, vom 25. bis 31. August 1974 meine aufgelaufenen freien Tage genommen. Mit einer Bundesbahnstädtetour buchte ich für die ersten Tage eine Fahrt nach Berlin, unter anderem wegen des interessanten Eisenbahnbetriebes der Reichsbahn.

Am DIenstag, 27. August ging ich frühmorgens zum Bahnhof Friedrichstraße, erwarb ein 5 DM Tagesvisum gültig für Ostberlin. Der Fernverkehr in Ostberlin spielte sich auf drei Bahnhöfen ab: Ostbahnhof, Lichtenberg und Schöneweide. Noch waren die D-Züge alle mit Dampfloks bespannt, lediglich die Züge des Städteschnellverkehr mit den neuen aus der SU angelieferten Dieselloks 130-132 (heute 232-34).

Und besonders interessierten mich die originalen, noch mit Wagner-Windleitblechen ausgestatteten 01 des Bw Dresden-Altstadt, welche im Wechsel mit den in Rummelsburg stationierten Reko 01.5 die D-Züge nach Dresden, teils die in die Ostblockländer weiterführenden bis Bad Schandau bespannten.

Noch kam ich rechtzeitig am Ostbahnhof an, um den Ex 71 VINDOBONA Berlin-Prag-Wien zu bestaunen; ein VT 18.16*, Schnelltriebwagen der Reichsbahn! Daneben der von einer 01 bespannte D 673 nach Dresden. Fragte die Lokmannschaft, welche D-Züge von einer Dresdner Original 01 bespannt werden? D 77 PROGRESS Berlin – Prag; „die beste Aufnahme haben sie am Bahnhof Zentralflughafen Schönefeld: da legt der Heizer kräftig Kohle auf; mit geöffnetem Regler erfolgt die Ausfahrt“. Abfahrt in Schönefeld 12.52; fünf Minuten später folgt der D 371 PANNONIA-EXPRESS Berlin – Sofia bespannt von einer Rummelsburger 01.5!

Ich hatte ja genügend Zeit, um mich zuvor im Bw Rummelsburg umzusehen, wo viele Dampfloks aus allen verschiedenen Bws der Reichsbahn zu sehen waren! Unter anderem 01.5 vom Bw Wittenberge, die damals noch die D-Züge Hamburg-Berlin bespannten. Nachdem ich zuvor unwirsch abgewiesen wurde, durfte ich die Loks von außen sehen; so zeigte mir ein älterer Eisenbahner unter anderem die 01 207 vom Bw Dresden, welche für die Bespannung des D 77 bereitgestellt wurde: für eine Fahrzeit von 2 h 07 min nach Dresden mit einem Zwischenhalt in Schönefeld. Ich nahm eine S-Bahn über Ostkreuz nach Schönefeld, wo ich mich mit meiner Kamera am Bahnsteig positionierte…

D 77 kam pünktlich um 12.50 Uhr an; und bei der Abfahrt um 12.52 Uhr, als D 77 unter mächtigen Auspuffgeräuschen, die mein Herz höherschlagen ließ, bremste der Pannonia-Express mit seiner 01.5 ein. Ich bemerkte nicht, dass zwei grün Uniformierte neben mir waren und nach meinem Ausweis verlangten. „Kann ich noch D 371 aufnehmen?“ „Das ist verboten, Ausweis!“ schrie mich einer an. Transportpolizei! „Sie haben unerlaubt das Staatsgebiet der DDR betreten! Folgen Sie uns!“ Ich zeigte mein Tagesvisum… Jetzt bemerkte ich erst, dass Schönefeld knapp außerhalb Ostberlins lag! Ich wurde in einen dunklen Raum einer Baracke geführt, wo schon zwei grün-braun Uniformierte von der Staatssicherheit auf mich warteten. Meine Entschuldigung, dass ich nicht wusste, dass Schönefeld nicht zu Ostberlin gehört, weil die S-Bahn dort hinfährt, schienen sie zu ignorieren: ich sagte kleinlaut, dass ich sofort mit der nächsten S-Bahn zurückfahren wolle. Zu viert prasselten sie auch mich ein: trotz Sonnenschein in einem dunklen Raum mit grellem Licht. Anschuldigung an Anschuldigung häuften sich, wo ich kaum was sagen konnte: außer …Lokomotiven sind Staatsgeheimnis! – „Die 01 207 wurde von Krupp 1937 gebaut, ist doch kein Staatsgeheimnis? Ist immer noch im Originalzustand!“ Sie konnten/wollten nichts darauf erwidern; griffen meine Kamera und nahmen den Film heraus. Ich hörte Worte wie Grenzverletzung, Haftstrafen die darauf stehen, unerlaubtes Betreten von Bahngelände, etc… meine Personalien wurde aufgenommen: meine Beteuerungen, dass ich wirklich nicht absichtlich… ich wollte nur wieder weg… Nach über 2 Stunden (!) Verhör meinte einer der Stasileute: „Bei einer Strafzahlung von 300 DM (Valuta!) sehen wir von einem weiteren Verhör ab!“ Ich war froh, dass ich so viel im Geldbeutel hatte. Ich übergab sie und erhielt eine Quittung.

Ich fuhr mit der nächsten S-Bahn über Ostkreuz zur Friedrichstrasse. Im „Tränenpalast“ wurde ich gefragt: „Haben sie was in der DDR gekauft?“ – „Nein“ – „Kommen sie mal mit!“ Wieder in einen separaten Raum, dieses Mal gegenüber DDR-Grenzpolizisten: „Sie haben Strafe bezahlt?“ – Woher wussten die das, wunderte ich mich… „Ja.“ – „Zeigen Sie die Quittung.“ Das tat ich; sie nahmen diese an sich und herrschten mich an: „Gehen Sie weiter“ – „Aber?“ – „Sie sollen weitergehen“ und öffneten mir den Ausgang zur S-Bahn nach Westberlin…

*Der VT 18.16 war der Görlitzer Schnelltriebwagen der Reichsbahn: einer steht noch in Berlin-Lichtenberg…

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