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Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Verkehr und Digitale Infrastruktur am 14.01.2015 (gekürzt)

Teil 1

Von Bundestagsausschüssen geladene Sachverständige haben die Gelegenheit, nicht nur mündlich während der Sitzung Auskunft zu geben, sondern vorab eine Stellungnahme zum behandelten Antrag bzw. Thema einzureichen. 2015, als die DB noch von Rettung der Nachtzüge redete, nutzte ich diese Möglichkeit, um die Situation und die Perspektiven der Nacht- und Autoreisezüge zu beleuchten. Das Protokoll mit allen Stellungnahmen ist im Internet abrufbar:

https://www.bundestag.de/resource/blob/356570/41abb5806e2323cd23b10d51ef5583b3/026_sitzung_protokoll-data.pdf

Nachstehend und im folgenden Blogbeitrag erscheint eine gekürzte Fassung meiner Stellungnahme für die Anhörung im Januar 2015.

Nachtzüge als wichtiges und für viele Nutzer unverzichtbares Verkehrsmittel

Die DB hat in ihren Fahrplanbroschüren die Vorteile der Nachtzüge für Urlaubs- und Geschäftsreisende wie folgt dargestellt:

Ihre Urlaubsvorteile mit dem Nachtzug:

  • Sie erreichen ausgeruht Ihr Urlaubsziel.
  • Sie gewinnen über Nacht mehr als einen ganzen Urlaubstag.
  • Sie reisen sicher und wetterunabhängig.
  • Sie können Ihr Gepäck, auch Ihre Fahrräder, problemlos mitnehmen.
  • Sie reisen allein, zu zweit oder mit der ganzen Familie – auf Wunsch im eigenen Abteil.
  • Sie genießen auch Ihren Abreisetag unbeschwert, da Sie Ihre Heimreise erst abends antreten.

Das macht den Nachtzug für Tages- und Geschäftsreisen interessant:

  • Sie reisen einfach entspannter – in jeder Komfortklasse.
  • Sie können die Zeit an Bord zur Erholung oder Arbeit nutzen.
  • Sie müssen sich nicht von den Strapazen einer anstrengenden Autoreise erholen.
  • Sie »landen« vor 9.00 Uhr mitten in der City – besser ausgeschlafen als mit jeder Morgenverbindung.
  • Sie sparen zusätzliche Transferkosten und Zeit für die Fahrt ins Zentrum.
  • Sie können optimal kombinieren: morgens mit dem Nachtzug vor Ort und abends wieder abreisen oder mit dem passenden Tageszug zurück.

Neben Vorteilen gegenüber Auto und Flugzeug stellen einige Argumente auch Vorteile gegenüber Tageszügen dar: frühes Ankommen am Zielort, Gewinn von ein oder zwei Urlaubstagen und Fahrradmitnahme.

Ein anderer wichtiger Vorteil hingegen ist hier nicht aufgeführt: mit Nachtzügen lassen sich oftmals lange Strecken ins Ausland ohne Umsteigen zurücklegen, während mit Tageszügen oft mehrmals umgestiegen werden muss.

Zeitgewinn durch Nachtzüge

»Ausgeschlafene reisen nachts«, »Sparen Sie Zeit – reisen Sie nachts«, »Paris ist nicht zum Schlafen da«: Die DB beweist mit ihren Werbeslogans, dass sie diesen Vorteil der Nachtzüge kennt. Ein Wochenende in Paris bedeutete für Nachtzugnutzer bisher einen Aufenthalt von Samstagmorgen 9:30 Uhr bis Sonntagabend 20 Uhr (für Münchner bis vor wenigen Jahren von Samstag 7 Uhr bis Sonntag 22:30 Uhr). Ohne Nachtzug erreicht man von Berlin, Hamburg und München aus Paris, wenn man nicht gerade um 3:25 Uhr in den allerersten ICE einsteigen will, zwischen 12:30 Uhr und 16:00 Uhr und muss es am Sonntag zwischen 16 Uhr und 17:30 Uhr wieder verlassen, mit jeweils sechs bis neun Stunden Fahrt in Tageszügen mit bis zu dreimaligem Umsteigen. Es liegt auf der Hand, dass sich viele Reisende unter diesen Umständen für Flugzeug oder Fernbus entscheiden werden.

Der letzte von der DB in ihrer Broschüre genannte Punkt scheint bisher ebenfalls unterschätzt zu werden: Wer einen Tagestermin hat, kann durch eine Anreise mit dem Nachtzug und eine Rückreise mit einem von mehreren getakteten Tageszügen Zeit und Hotelübernachtung(en) sparen; sollte sich der Termin verzögern, kann auch flexibel auf den nächsten Nachtzug ausgewichen werden. Ohne Nachtzugverbindung müssten viele dieser Reisenden auf das Flugzeug ausweichen, womit sie der DB auch für die Rückfahrt im Tageszug als Kunden verlorengehen. Auf den Distanzen, die typischerweise über Nacht zurückgelegt werden, stellen Tagesverbindungen keine akzeptable Alternative dar. Dänische Verkehrs- und Umweltverbände schätzen, dass 75 Prozent aller Reisenden, die bisher den Nachtzug von Kopenhagen nach Köln und Amsterdam, Frankfurt und Basel sowie Berlin und Prag genutzt haben, auf das Flugzeug umsteigen werden.

Ein besonders prägnantes Beispiel stellt der Wintersportverkehr dar. Jahrzehntelang fuhren Nachtzüge der DB am Wochenende ab Dortmund und Hamburg in die Alpenregionen; zum Beginn der Hamburger Frühjahrsferien waren dies noch um die Jahrtausendwende zwei Züge nach Brig (incl. eine Garnitur der SBB) und jeweils ein Zug nach Chur, Innsbruck via Arlberg, Oberstdorf, Bozen mit Zell am See und Klagenfurt. Die Reisenden kamen am Samstagvormittag quasi in Sichtweite der Talstation an, konnten nach Deponierung ihres Gepäcks sofort auf die Piste und nutzten auch noch den Samstag der Abreise ganztägig zum Skifahren, bevor sie nach Einbruch der Dunkelheit in den UrlaubsExpress stiegen. Die Züge waren gut ausgelastet und erzielten weit überdurchschnittliche Gastronomieumsätze. Dennoch stellte die DB sie ein und vermietete nur noch einige Garnituren an dänische Reisebüros. Deutsche Reisende wurden auf Fahrten mit ICE und IC am Samstag verwiesen, was zwei Urlaubstage kostete, und wichen daher in großer Zahl auf das Flugzeug, das Auto (Privat-Pkw oder Mietwagen) oder die private Konkurrenz aus. Wer 2015 auf www.bahn.de eine Verbindung von Hamburg in die Region Arlberg/Innsbruck/Gasteiner Tal sucht, wird auf einen Direktzug der Firma Müller Touristik hingewiesen, der mit Gastronomie und Reiseleitung jede Woche in die Skigebiete pendelt. Werbeslogan dieser Firma: »Im Nachtzug direkt auf die Skipiste«. Es ist unverständlich, warum sich die DB dieses Geschäft entgehen lässt.

Deutschland als großes Transitland im Herzen von Westeuropa hat nicht nur eine Verantwortung für in Deutschland lebende Reisende, sondern sieht sich auch den Reisebedürfnissen von Menschen aus den Nachbarländern und aus Übersee gegenüber. Europäische Touristen mit Interrail – vom Junior bis zur Seniorin – und Touristen aus Übersee mit Eurail-Pässen 1. Klasse zu teilweise vierstelligen Dollarpreisen sind es bisher als selbstverständlich gewohnt, bei Bedarf auch mehrere Tausend Kilometer »am Stück« reisen zu können und nacheinander Tages- und Nachtzüge zu nutzen. Nachtzüge abzuschaffen, hieße diese Reisenden zu zwingen, sich abends eine Unterkunft zu suchen und am nächsten Morgen weiterzureisen. Das wäre ein Rückfall ins Postkutschenzeitalter und ein Armutszeugnis für ein Europa, das weiter zusammenwachsen will. Ein Berliner, Münchner oder Kölner Hauptbahnhof voller gestrandeter Passagiere, die auf dem Boden schlafend die Zeit überbrücken, in der in Deutschland die Bahnsteige hochgeklappt wären, ist kein Anblick, den man sich wünschen sollte. Nachtzüge sind also keine Nostalgie, sondern Bestandteil eines modernen Transportsystems.

Nachtzüge als bequemste Verbindung

Am 21.10.2002 äußerte der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn in einem Fernsehinterview: »Zugfahrten über vier Stunden sind eine Tortur.« Er bezog sich auf Fahrten im ICE. Sicherlich würden viele Reisende ihm widersprechen oder zumindest ihre persönliche Schmerzgrenze deutlich höher ansetzen, aber beim Vergleich zwischen einer zehn- bis dreizehnstündigen Fahrt in Tageszügen mit ein- bis viermaligem Umsteigen mit der Angst, einen Anschluss zu verpassen, und einer zwölf- bis fünfzehnstündigen umsteigefreien Fahrt im Nachtzug mit Dusche und Frühstück hat der Nachtzug sicherlich die Nase vorn.

Er bietet die Möglichkeit, sich als Familie, Gruppe, Pärchen oder auch als Einzelreisende(r) in ein eigenes Abteil zurückzuziehen und ein »Hotel auf Rädern« zu genießen. Reisende mit kleinem Budget, die im Liegewagen oder im Sitzwagen unterwegs sind, genießen – oder genossen – ebenfalls den Vorteil, umsteigefrei z.B. von Kopenhagen nach Basel und München, von Amsterdam nach Mailand oder von München nach Rom zu kommen und dabei deutlich mehr Gepäck einschließlich Fahrrad unterbringen zu können als in Tageszügen.

Als in den Nachtzügen noch Speisewagen zum Standard gehörten, waren diese oft bis spät in der Nacht oder gar bis zum frühen Morgen gut besucht. Insbesondere die auf den Verbindungen in die Schweiz eingesetzten »Sternenhimmel«-Bordrestaurants erfreuten sich großer Beliebtheit und waren für manche Fahrgäste der ausschlaggebende Grund, den Nachtzug dem Flugzeug vorzuziehen. Indem die Deutsche Bahn bis Ende 2013 die Speisewagen aus den Nachtzügen gewissermaßen Zug um Zug herausnahm, beraubte sie diese Verkehrsart auch dieser spezifischen Attraktivität.

Nachtzüge als Ergänzung zum Tagesverkehr

Dass Nachtzüge und Tageszüge sich ergänzen (sollten), scheint oft aus dem Blickfeld zu geraten. Auf die für viele Reisende attraktive Option, mit einem Nachtzug an- und mit einem Tageszug zurückzureisen, wurde schon hingewiesen. Aber auch als Rückfallebene bei Terminverzögerungen oder Zugverspätungen erfüllen Nachtzüge eine wichtige Funktion: Wer den letzten Tageszug nicht mehr erreicht, kann mit dem Nachtzug fahren und kommt morgens an seinem Zielort an und erreicht seinen Arbeitsplatz oftmals noch rechtzeitig, jedenfalls früher als bei Hotelübernachtung plus Frühzug oder Frühmaschine.

Notwendig dafür ist eine universelle Geltung der Fahrkarten in Tages- und Nachtzügen. In den Jahren um die Jahrtausendwende praktizierte die DB das Gegenteil. Damals hieß es in den Nutzungsbedingungen des »DB NachtZug«:

Die regulären Normalpreis-Fahrscheine und BahnCard-Fahrscheine für ICE, IC/EC oder IR gelten nicht. Es sind die angegebenen Globalpreise zu zahlen.

Dies bedeutete, dass ein Fahrgast mit einer normalen Fahrkarte der DB z.B. von Rottweil nach Rostock den Nachtzug Stuttgart-Stralsund nicht benutzen konnte, sondern einen Globalpreis für diesen Zug kaufen und sich nach Ende der Reise um Erstattung des ungenutzten Teils seiner normalen Fahrkarte bemühen musste. Dies senkte die Attraktivität der Nachtzüge. Erfreulicherweise hat die DB diesen Fehler relativ schnell korrigiert und ermöglicht heutzutage die Nutzung der Nachtzüge mit normalen Fahrkarten plus Aufpreis je nach Komfortstufe; die Nachtzüge sind auch in die Sparangebote integriert.

Werden alle Reisenden in Nachtzügen als Nachtzugreisende gezählt?

Nachtzüge sind auf manchen Strecken auch für Reisende konzipiert, die nicht über Nacht fahren, sondern in der Tagesrandlage als Pendler unterwegs sind: Mitgeführte Sitzwagen zwischen München und Stuttgart (Nachtzug München-Amsterdam), Basel und Duisburg via Frankfurt Flughafen (Nachtzug Zürich-Amsterdam), Berlin und Erfurt sowie Frankfurt und Basel (Nachtzug Berlin-Zürich), Prag und Erfurt (Nachtzug Prag-Zürich), Berlin und Prag (Nachtzug Oberhausen-Prag), Hamburg und Nürnberg (ÖBB-Nachtzug Hamburg-Wien) sowie Hamburg und Hannover (Nachtzug Hamburg-München) ermöglichen es, spätabends noch nach Hause bzw. frühmorgens zur Arbeit zu gelangen sowie zu »unmöglichen« Zeiten Flughäfen zu erreichen oder von ihnen wegzukommen. Diese »Pendlerwagen« laufen allerdings unter einer eigenen Zugnummer mit der Kennung eines Intercity: statt als CNL 40478 stehen sie als IC 60478, statt als CNL 487 stehen sie als IC 60487 usw. im Fahrplan und auf dem Wagenstandanzeiger.

Offenbar werden die Reisenden in diesen Pendlerwagen von der DB nicht als Nachtzugreisende betrachtet und fallen auch bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung unter den Tisch. Die DB AG nannte gegenüber der Presse mehrfach die Zahl von 1,4 Millionen Nachtzugreisenden im Jahr 2013. In dieser Zahl sind die Reisenden in den mitgeführten »Pendlerwagen« der Zugnummern IC 60xxx offensichtlich nicht enthalten, sie werden anscheinend als InterCity-Reisende und damit als Reisende des Tagesverkehrs angesehen.

Bei einer gewissenhaften Betrachtung von Auslastung, Wirtschaftlichkeit und Bedeutung der Nachtzüge müssen diese Reisenden aber mitgezählt werden, zumal das Personal der Nachtzüge bei ihnen für Fahrkartenkontrolle und -verkauf sowie für gastronomischen Service zuständig ist. Außerdem würden bei einer Abschaffung des Nachtzuges diese Reisenden trotzdem noch fahren wollen. Die DB Fernverkehr AG müsste also wiederum eine Lok, einen Triebfahrzeugführer und einen Zugführer stellen, müsste das Rollmaterial vorhalten sowie Trassen- und Stationsgebühren an die entsprechenden Konzernunternehmen entrichten.

Wie wird die Auslastung der Nacht- und Autoreisezüge ermittelt?

Die DB hat in zahlreichen Aussagen gegenüber Medien behauptet, die Auslastung der Nacht- und Autoreisezüge sei zu schlecht. Im »Spiegel« hieß es Ende 2013 über die Autoreisezüge:

Die Auslastung der Züge ist meist mager, in der Hochsaison liegt sie bei knapp über 60 Prozent, in den restlichen Monaten bei rund 30 Prozent.

Die DB hat meines Wissens an keiner Stelle öffentlich erklärt, wie sie zu diesen Zahlen kommt. Sie sind für Mitarbeiter und Fahrgäste nicht nachvollziehbar, denn die Abteile mit Dusche und WC waren meistens schon am ersten Buchungstag ausverkauft und viele Schlafwagen wenige Wochen später, so dass für viele Termine Wartelisten geführt wurden.

Üblicherweise wird die Auslastung ermittelt, indem Personenkilometer durch Platzkilometer oder Trassenkilometer geteilt werden:

In den Geschäftsfeldern des Personenverkehrs ist die führende marktbezogene Leistungskennzahl die in Personenkilometern (Pkm) gemessene Verkehrsleistung. Dies gilt insbesondere für den eigenwirtschaftlich betriebenen Fernverkehr. Die relative Auslastung der Fahrzeuge wird hier zusätzlich durch die Kennzahlen Personen pro Zug sowie prozentuale Sitzplatzauslastung gemessen.

Diese Messmethode ist für Tageszüge geeignet, deren Sitzplätze von Reisenden, die nur Teilstrecken zurücklegen, nacheinander belegt werden können.

Sie führt aber bei Nacht- und Autoreisezügen systematisch zu einer zu geringen Messgröße, weil erstens ein Bett oder eine Liege pro Nacht nur einmal verkauft werden kann und damit die reale Auslastung eines Platzes schon dann 100 Prozent beträgt, wenn er in einem Zug von Hamburg nach Zürich nur zwischen Göttingen und Freiburg gebucht wird. Zweitens kann in Schlaf- und Liegewagen rechnerisch mehr als ein Platz pro Person gebucht werden:

In dem seit dem 14.12.2014 ausschließlich eingesetzten Schlafwagen der Baureihe 173 gibt es 12 Abteile mit jeweils drei Betten, also 36 Betten. Die Abteile können in den Kategorien »Tourist« (alle drei Betten können belegt werden), »Double« (es können nur zwei Betten belegt werden) und »Single« (das Abteil wird durch eine einzige Person exklusiv belegt) gebucht werden. Wenn beispielsweise 12 Bundestagsabgeordnete mit dem Schlafwagen von Berlin ins 700 km entfernte Karlsruhe fahren und jeweils Einzelbelegung gebucht haben, ist dieser Schlafwagen zu 100 Prozent ausgelastet, denn es kann niemand sonst ein Bett in diesem Wagen buchen. Da der Wagen aber 36 Betten hat und der Zug ins rund 1.000 km entfernte Zürich fährt, ergibt sich als Quotient aus 12 * 700 = 8.400 Personenkilometern und 36 * 1.000 = 36.000 Platzkilometern auf dem Papier eine Auslastung von 23 Prozent.

Vergleichbares gilt für den Liegewagen. Dessen Abteile weisen sechs Liegen auf, können in Nachtzügen aber auch als »Viererbelegung« gebucht werden, bei der zwei Liegen garantiert frei bleiben; durch den erhöhten Preis der Liegekarte haben die Reisenden diese Plätze quasi mitbezahlt. Eine vierköpfige Gruppe, die solch eine Buchung vornimmt, würde folglich bei der Kennziffer »Personenkilometer geteilt durch Platzkilometer« mit einem komplett reservierten Abteil eine scheinbar nur 66 Prozent betragende Auslastung erzeugen.

Dies bedeutet folglich, dass die von der DB verwendete »führende marktbezogene Leistungskennzahl« Personenkilometer sowie die »prozentuale Sitzplatzauslastung« zu Ergebnissen führen, die mit der effektiven Leistung und Auslastung der Nacht- und Autoreisezüge nichts zu tun haben.

Wie hoch sind Gewinn oder Defizit der Nacht- und Autoreisezüge?

Die DB beklagt in den letzten Jahren Verluste bei Nacht- und Autozügen. Bei den Nachtzügen gibt sie das Defizit für 2013 meist mit 18 Mio. Euro an und nennt teilweise Daten für einzelne Linien:

… sagte eine Bahnsprecherin. Aber erst einmal müsse weiter gespart werden – bei den drei unwirtschaftlichsten Verbindungen, die 2013 bei einem Umsatz von 48 Millionen Euro ein Defizit von zwölf Millionen Euro verbucht hätten.

Die Umweltorganisation Robin Wood hat sich mit diesen Zahlen auseinandergesetzt:

Offizielle Begründung der Bahn für die Abschaffung des Nachtzuges nach Paris ist ein jährliches Defizit von 6 Millionen Euro durch diesen Zug für die DB Fernverkehr. Schon Ende Oktober wurde der Nachtzug nach Kopenhagen eingestellt, wegen angeblich 3 Millionen Euro Defizit. Insgesamt beträgt das Defizit durch Nachtzüge für die DB Fernverkehr nach Konzernangaben 18 Millionen Euro.

Gegenüber der Presse rundet die DB diesen Betrag konsequent locker auf 20 Millionen Euro. Wenn aber 2 Millionen Euro so unbedeutend sind, dass sie mal eben aufgerundet werden, können 3 Millionen Euro kaum der Grund für die Streichung der Kopenhagenlinie sein. Wichtiger noch: Einen beträchtlichen Teil der 18 Millionen Euro zahlt die Bahntochter DB Fernverkehr als Trassen- und Stationsgebühren an ihre Schwester DB Netze – und schafft damit eine Einnahme für die Konzernbilanz.

Über Joachim Holstein

(*1960) arbeitete von 1996 bis 2017 als Steward in Nacht- und Autozügen der DB, war von 2006 bis zur Einstellung dieser Verkehre Betriebsrat der DB European Railservice GmbH und zuletzt Sprecher des Wirtschaftsausschusses. Mitbegründer der Initiative zur Rettung des Nachtzuges Hamburg-Paris (2008; »Wir wollen nach Paris und nicht an die Börse«) und des europäischen Netzwerks für Nachtzüge »Back on Track« (2015; https://back-on-track.eu/de/); Weiteres unter www.nachtzug-bleibt.eu

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